Gebäudeautomation: Welche Änderungen ab 2025 gelten
Die überarbeitete EU-Gebäuderichtlinie EPBD schreibt ab dem 01.01.2025 Gebäudeautomations- und -steuerungssysteme sowie das Monitoring in allen bestehenden und neuen Nichtwohngebäuden ab 290 Kilowatt Gesamtnennleistung für Heizung und Klimatisierung vor. Wie können sich Immobilienbesitzende und Verwaltungen auf diese neuen Anforderungen vorbereiten?
Die wichtigsten Fragen zu den Folgen der neuen Vorgaben beantworten Dipl.-Ing. (FH) Eike Hinck, AMEV-Obmann für den BACnet-Standard und Mitarbeiter beim Energiemanagement – Gebäudewirtschaft der Stadt Köln, und Dipl.-Ing Christian Wild, Geschäftsführer des rheinland-pfälzischen Softwareentwicklers ICONAG-Leittechnik, im Interview.
HLH: Welche Kriterien müssen Gebäude nach der Energy Performance of Building Directive (EPBD) erfüllen?
Christian Wild: Alle Nichtwohngebäude über 290 Kilowatt Gesamtnennleistung müssen ab Januar 2025 per Gesetz folgendes leisten können: Erstens: Die kontinuierliche Überwachung, Protokollierung und Analyse des Energieverbrauchs sowie die Möglichkeit zur Anpassung des Energieverbrauchs. Zweitens: ein Benchmarking der Energieeffizienz des Gebäudes. Drittens: die Erkennung von Effizienzverlusten gebäudetechnischer Systeme. Viertens: die Bereitstellung von Information der für die Anlagen oder das technische Gebäudemanagement zuständigen Person, mit den Möglichkeiten zur Verbesserung der Energieeffizienz. Und Fünftens: die Ermöglichung der Kommunikation mit angeschlossenen gebäudetechnischen Systemen und anderen Geräten im Gebäude sowie Interoperabilität mit gebäudetechnischen Systemen unterschiedlicher proprietärer Technologien, Geräte und Hersteller.
HLH: Was ist nötig, um diese Vorgaben zu erfüllen?
Eike Hinck: Voraussetzung dafür ist ein standardisiertes, herstellerneutrales Kommunikationsprotokoll für die Gebäudeautomation, zum Beispiel BACnet. Außerdem die Verwendung einheitlicher struktureller Bezeichnungen der Objekte und Funktionen.
Wild: Neubauten sind weitgehend unproblematisch, hier ist die Gebäudeautomation Stand der Technik und wird schon verbaut. Nur das im GEG in Paragraf 71a (6) geforderte technische Inbetriebnahme-Management ist neu, aber längt überfällig. Im Bestand sieht es dagegen anders aus. Dort ist sehr viel nachzurüsten. An welcher Stelle welche technischen Lösungen zum Einsatz kommen werden, ist nicht klar. Zur Sicherstellung der Kommunikation zwischen den Systemen müssen wahrscheinlich jede Menge Gateways eingebaut werden. Oder man schafft Standard-Schnittstellen über die Management-Ebene. Für die kontinuierliche Überwachung, Protokollierung und Analyse des Energieverbrauchs wird man um den Einsatz von Funktechnologien wie LoRa nicht herumkommen. In jedem Fall braucht man eine Managementsoftware, um die Daten auszuwerten, zu vergleichen und Eingriffe in die Anlagen effizient zu ermöglichen.
HLH: Gerade im Gebäudebestand birgt das sicher Herausforderungen. Welche sind das vor allem?
Hinck: Das größte Problemfeld in der Gebäudeautomation im Immobilienportfolio besteht aus Sicht der AMEV in den unterschiedlichen, herstellerspezifischen GA-Systemen und in der unterschiedlichen, herstellerspezifischen Nomenklatur. Das bedeutet, dass bestehende GA-Systeme in einer Liegenschaft nicht untereinander kommunizieren, sie sind für sich alle autark.
Wild: Wir setzen hier schon lange auf BACnet. Doch gab es in der BACnet-Weltnorm DIN EN ISO 16484–5 eine Normungslücke, die viele Hersteller zu ihren Gunsten nutzten. Aufbauend auf der grundsätzlich vorhandenen, offenen BACnet-Kommunikation gilt es zunächst, die Daten im Bestand interpretierbar zu machen. Konkret müssen wir erreichen, dass wir aus der Datenpunktbezeichnung erkennen können, welche Anlage und welche Funktion hinter dem Datenpunkt liegen. Das ist eine Mammutaufgabe.
Hinck: Für den Bestand verlangt die EPBD, dass bis 2050 alle öffentlichen Gebäude „Nullemissionsgebäude“ werden. Faktisch heißt das, dass jedes Jahr mehr als drei Prozent der öffentlichen Gebäude energetisch saniert werden müssen. Dafür werden neben zukunftssicheren Vorgaben auch die finanziellen Mittel benötigt.
HLH: Welche Ziele hat die Standardisierung im Gewerk Gebäudeautomation?
Wild: Über den BACtwin werden wir die oben angesprochene Normungslücke bei BACnet schließen. Ziel ist, dass jeder Bauherr den auf seine Anforderungen angepassten BACtwin für seine Sanierungs- und Neubaumaßnahmen vorschreibt − und das unabhängig vom verwendeten Regelwerk. Damit stellen wir nicht nur die Interpretierbarkeit und Maschinenlesbarkeit der Daten und Funktionen der Gebäudeautomation sicher, sondern schaffen auch echte Herstellerunabhängigkeit. So kann ein abgängiger Regler der Firma A einfach durch einen der Firma B ersetzt werden.
Hinck: Zusammengefasst lauten unsere Ziele: Kein Informations- /Datenverlust zwischen Planung und Ausführung, einheitliche GA-Strukturen im Immobilienportfolio, automatisierte Überprüfung der GA sowie Erstellung standardisierter Anlagen im Baukastenprinzip.
HLH: Welche Vorteile bietet die Verwendung des BACtwin?
Hinck: Aufgrund des standardisierten Benutzeradressierungssystems für GA-Funktionen können diese in Planungstools als Vorlage angelegt und verwendet werden. So wird jede Anlage in dem gleichen Schema erstellt. Dies ermöglicht die automatisierte Prüfung der installierten Automationseinrichtungen und ist damit die Grundlage für Neu- und Altanlagen.
Wild: Die Vorteile neben der Interpretierbarkeit der Daten und der echten Herstellerunabhängigkeit sind vielfältig. Zunächst geht es um Qualitätssicherung durch Reduktion von Fehlern im Gewerk Gebäudeautomation und eine hundertprozentige Prüfbarkeit der Funktionen im Rahmen der Abnahme. Natürlich geht es auch um Kosten, da nicht jeder Planer bei jeder Baumaßnahme bei null anfangen muss. Der BACtwin reduziert den Entwicklungs- und Abstimmungsaufwand bei Planung, Umsetzung und Ersatzmaßnahmen.
Hinck: Und nicht zuletzt schafft er die datentechnische Grundlage für vielfältige Dienste, die wir für die Energiewende und für die Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften dringend benötigen. Technisches Inbetriebnahme-Management und Energie-Management sind dabei nur die ersten Beispiele. Auch bleibt die Datenhoheit beim Bauherren und wandert nicht in die Cloud der jeweiligen Regelfirma. Insofern trägt der BACtwin auch zur Investitionssicherheit bei.
HLH: Wie funktioniert der BACtwin und wie ist er anzuwenden?
Wild: Der BACtwin schließt die Normungslücke, indem er den klassisch benannten Gebäudeautomations-Datenpunkt um seine funktionale Beschreibung erweitert. Konkret ist dann ein Temperaturwert nicht allein durch seinen aktuellen Ist-Stand beschrieben, sondern zum Beispiel auch durch seinen oberen und unteren Grenzwert, Alarmierungsprioritäten, Abweichungsinkremente, die zu einer Meldung führen, und vieles mehr. Damit Aggregate immer mit den gleichen BACnet-Objekten beschrieben werden, wird im BACtwin genau festgelegt, welches Aggregat mit welchen BACnet-Objekten auszustatten ist, und welche Eigenschaften das BACnet-Objekt haben soll. Aus den Aggregaten (beispielsweise eine Umwälzpumpe) können dann sehr effizient Baugruppen (Heizkreisverteiler) und Anlagen (Heizungsanlage) gebildet werden, die damit in Bezug auf ihre Kommunikationsfähigkeit eindeutig beschrieben sind.
Hinck: Der BACtwin steht für eine einheitliche, strukturierte Vorgehensweise bei der Erstellung von GA-Projekten. Besondere Aufmerksamkeit wird auf das Benutzeradressierungssystem gelegt, das eine liegenschaftsübergreifende Systematik festlegt. Der einmal durch den Bauherren formulierte BACtwin wird Vorgabe bei allen Planungsaufgaben, Ausschreibungen und Vergaben. Dadurch wird er zwingender Teil der Ausführung und Abnahme.
HLH: Was leistet die AMEV-Empfehlung?
Hinck: Die AMEV-Empfehlung „BACtwin“ bietet den Bauherren eine umfangreiche Vorlage an Standard-Objekten (AMEV-Profilen) samt Parametern (Objekt-Templates) an, mit der alle typischen Aggregate beschrieben werden können. Zusätzlich hat die AMEV im Rahmen der Entwicklung des BACtwin das in der VDI 3814 Blatt 4.1 vorgeschlagene Benutzeradressierungssystem weiterentwickelt, sodass daraus vielleicht eine von vielen Bauherren einheitlich anwendbare Adressierung abgeleitet werden kann. Die AMEV-Richtlinie strebt vier wesentliche Punkte an: Die Anpassungen des Datenmodells an den Stand der Technik, die Einführung eines herstellerneutralen Datenmodells für die GA, Vorgaben für ein Adressierungssystem der BACnet-Objekte der Gebäudeautomation sowie Projektvorgaben für BACnet-Objekte einschließlich deren Eigenschaften.
HLH: Welche Leistungen erwarten Sie in dem Zusammenhang von den Gebäudeautomations-Anbietern?
Wild: Die klassischen Regelfirmen mit ihren eigenen, teilweise noch weitgehend proprietären Lösungen werden natürlich nicht jubeln. Sie können die Projekte nicht mehr so anbieten wie bisher und nach ihren eigenen Vorgaben ausführen. Diese Anbieter müssen sich auf Druck der Bauherren öffnen und die Umsetzbarkeit von GA-Projekten nach BACtwin in ihren Systemen implementieren. Die öffentlichen Verwaltungen sind die größten Bauherren in Deutschland. Hier erwarten wir, dass Bewegung hin zu einer wirklichen Herstellerneutralität und damit ein wirklicher Wettbewerb im Gewerk Gebäudeautomation über den gesamten Lebenszyklus kommt.
Hinck: Wir von der AMEV erwarten von den Anbietern die Erstellung von Tools, die eine automatisierte standardisierte Umsetzung bei der Planung, Inbetriebnahme und dem technischen Monitoring ermöglichen sowie die Erstellung standardisierter Anlagen für das entsprechende Immobilienportfolio.