Energieversorgung mit R290-Wärmepumpen
Die Nutzung regenerativer Wärmeerzeugungssysteme und die damit verbundene Reduzierung von CO2-Emissionen sind wichtige Ziele für die Zukunft. Dabei spielen Wärmepumpen mit natürlichen Kältemitteln eine entscheidende Rolle. Der Blick auf ein aktuelles Projekt im Stuttgarter Vorort Leonberg zeigt, vor welchen Entscheidungen Ingenieure und Fachplaner zurzeit stehen und mit welchen Hintergrundinformationen eine sinnvolle und langfristige Lösung für den Kunden geschaffen werden kann.
Mitten im baden-württembergischen Leonberg entsteht derzeit der terrassenförmig angelegte Neubau eines der größten Automobilzulieferer weltweit. Das Gebäude mit gut 26 Meter Dachhöhe soll die neue Wirkungsstätte für etwa 2.000 Mitarbeitende werden. Im Erdgeschoss ist eine Kindertagesstätte sowie eine Gastronomie untergebracht, der Rest des Neubaus soll für Verwaltungs- und Forschungstätigkeiten genutzt werden. Seit dem Jahr 2020 kann das Unternehmen von sich behaupten, dass all seine mehr als 400 Standorte klimaneutral sind. Entsprechend lag der Fokus auch bei dem Neubau in Leonberg auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. So sollen die Anforderungen bezüglich Heizung und Kühlung über luftgekühlte Kaltwassersätze und wassergekühlte Wärmepumpen abgedeckt werden. Doch auf was ist hier zu achten und welche Optimierungen beeinflussen die Effizienz des Projektes?
Vom Ozonloch bis zur ewigen Chemikalie
Die Auswahl des Kältemittels ist ein unvermeidbarer, weil auch essenzieller Teil eines jeden Projektes. Das Angebot ist groß, ebenso wie die aktuelle Verunsicherung. So strebt das EU-Parlament eine Novellierung der sogenannten F-Gase-Verordnung an. Die Verordnung (EU) Nr. 517/2014 über fluorierte Treibhausgase gilt seit 1. Januar 2015. Ihr Ziel ist die Reduzierung der Emissionen fluorierter Treibhausgase in der EU um 70 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent auf 35 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent bis zum Jahr 2030. Diese Ziele sollen nun erneut angepasst, Fristen verkürzt werden – mit maßgeblichen Auswirkungen auf in Wärmepumpen verwendete Kältemittel.
Beginnen wir aber zunächst mit der Betrachtung von Kältemitteln in den 1970er Jahren. Bekanntermaßen sind Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW wie beispielsweise R12) in hohem Maße für den Abbau der Ozonschicht verantwortlich. Nachdem dies nachgewiesen war, wurde der Einsatz von FCKW verboten. Die Verdrängung ging recht zügig vonstatten, weil teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFKW) als Ersatzstoffe bereits mit ähnlich guten thermodynamischen Eigenschaften überzeugten. Was damals allerdings noch niemand ahnte, war die Treibhausgaswirkung dieser Stoffe. Im Kyoto-Protokoll der Vereinten Nationen wurden im Jahr 1997 H-FKW und FKW als Treibhausgase eingestuft. Letztlich ein wichtiger Schritt, um die Erde vor chemisch produzierten, umweltschädlichen Kältemitteln zu schützen. Mit der ursprünglichen F-Gase-Verordnung aus dem Jahr 2006, deren Neuauflage aus 2014 sowie der voraussichtlichen Novellierung Anfang 2024, kam und kommen weitere Bausteine, die die Nutzung der fluorierten Gase immer weiter einschränken. Dies hat bereits heute Auswirkungen auf Verfügbarkeit und Preise. Laut dem Entwurf, der aktuell im europäischen Parlament diskutiert wird, sollen F-Gase mit einem Global Warming Potential (GWP) größer 150 ab 2030 nicht mehr für Wartung und Service verwendet werden dürfen. Zudem steht ein generelles Verbot für neue stationäre Kälteanlagen mit fluoriertem Kältemittel ab 2025 im Raum, das seit diesem Jahr verstärkt diskutiert wird, weil man unter dem Oberbegriff PFAS (Per- und Polyfluoralkylsubstanzen) eine neue negative Eigenschaft dieser H-FKW und FKW identifiziert hat. Dabei handelt es sich um fluorhaltige Substanzen in Kältemitteln, die extrem persistent sind und durch die Vergiftung der Umwelt auch für den Menschen eine Gefahr darstellen. Ein weitreichendes Verbot dieser „ewigen Chemikalien“ wird zurzeit von der EU geprüft.
Alternative: Natürliche Kältemittel
Vor dem Hintergrund der zuvor darstellten Unsicherheiten gewinnt der Einsatz natürlicher Kältemittel zunehmend an Bedeutung. So präsentierten auf der diesjährigen ISH zahlreiche Hersteller bereits Wärmepumpen mit Propan-Kältekreis. Propan (R290) zählt zu den Kohlenwasserstoffen und überzeugt mit herausragenden thermodynamischen Eigenschaften sowie einer hohen Umweltverträglichkeit (GWP von 3). Daher wird es keinen Verboten durch EU-Regelungen unterliegen.
Zwar handelt es sich bei dem Kältemittel Propan um ein brennbares Gas (Einstufung nach ISO 817 und ANSI/ASHRAE 34 in die Sicherheitsklassifizierung A3), mit dem notwendigen Wissen jedoch lassen sich bei R290-Anlagen Vorkehrungen treffen, um jegliche Risiken diesbezüglich zu vermeiden. Wichtig ist, dass die Anlagen so ausgeführt sind, dass sie den gesetzlichen Normen und Vorgaben entsprechen. Um eine Leckage so unwahrscheinlich wie möglich werden zu lassen, müssen alle Verbindungen auf Dauer technisch dicht sein. Sollte es dennoch zu einer Undichtigkeit kommen, greift das Anlagensicherheitskonzept, das so auch in Leonberg zur Anwendung kommt. Hier werden die Anlagen durchgehend mit einem Gassensor überwacht, der mit einem zweistufigen System gekoppelt ist.
Für ein entzündliches Luft-Propan-Gemisch muss sich ein gewisses Verhältnis ergeben. Die Untergrenze liegt bei einem Propananteil in der Luft von etwa 1,7 Volumenprozent, die Obergrenze bei etwa 10,8 Volumenprozent. Mit dem eingebauten Gassensor, der bei zehn Prozent der Untergrenze, also 0,17 Volumenprozent, detektiert, schaltet die erste Stufe des Konzeptes. Das Maschinengehäuse mit den kältemittelführenden Teilen wird dann durch einen großzügig dimensionierten ATEX-Lüfter belüftet. Das austretende Propan wird somit in einer nicht zündfähigen Konzentration in die Umgebung abgeführt und weiter verdünnt. Beim Erreichen der 20 Prozent-Schwelle werden alle nicht ATEX-zertifizierten elektrischen Komponenten spannungsfrei geschaltet. Alle sicherheitsrelevanten Bauteile sind in ATEX ausgeführt und bleiben in Betrieb.
Oftmals ist die Aufstellung einer Propananlage im Freien möglich. Dies sollte – wann immer möglich – auch genutzt werden. Propan ist sehr flüchtig, sodass es bei richtig ausgeführter Außenaufstellung zu keiner Propanansammlung kommen kann. Auch für innenaufgestellte Anwendungen gibt es heute Lösungen, entweder durch die Konzeption spezieller Maschinenräume oder mittels Anlagen mit geringer Kältemittelfüllmenge und belüftetem Gehäuse, die modular erweiterbar sind.
Heiz- und Kühllösung mit Propan
Wie auch beim Neubau in Leonberg bietet sich idealerweise das Dach eines Gebäudes für eine Außenaufstellung an. Im beschriebenen Beispiel sind hier mittlerweile zwei Kaltwassersätze und zwei Wärmepumpen mit dem natürlichen Kältemittel Propan installiert.
Ausgestattet mit frequenzgeregelten Schraubenverdichtern, kompakten EC-Lüftern und einer individuell angepassten Regelung können die luftgekühlten Kaltwassersätze unterschiedlichste Anforderungen bedienen. Eingesetzt werden sie zur Klimatisierung des Gebäudes und leisten jeweils 516 kW Kühlleistung. Wie wichtig projektspezifische Auslegungen sind, belegt hier ein Blick auf die Vorlauftemperatur: Im Gegensatz zu den üblichen Vorlauftemperaturen von 6° C für die Klimatisierung konnte man durch die Anhebung der Vorlauftemperatur auf 13° C die Effizienz der Anlage maßgeblich steigern. Komponenten wie Wärmetauscher und Kompressoren wurden auf die hohe Vorlauftemperatur ausgelegt, mit möglichst geringem delta T zur Austritts- und Umgebungstemperatur.
Die Sole-Wasser-Wärmepumpen – ausgeführt als begehbare Technikzentrale in zwei Maschinen-Containern – erzielen eine Wärmeleistung von jeweils 1 751 kW. Im Sommerbetrieb wird die Quelle von 16 °C auf 9 °C abgekühlt, während die Senke von 40 °C auf 45 °C aufgeheizt wird. Hierzu wird aus der bestehenden Lüftungsanlage die Fortluft, die üblicherweise verloren geht, als Wärmequelle für die Sole-Wasser-Wärmepumpen genutzt. In den Lüftungskanälen wurden zusätzliche Wärmetauscher verbaut, die diese Abwärmenutzung ermöglichen. Neben dem von der Wärmepumpe erreichten COP von 4,43, führt dies zu einer weiteren Steigerung der Gesamteffizienz der HLK-Anlage. Auch im Winterbetrieb (Quelle von –9,5 °C auf –13 °C, Senke von 24 °C auf 30 °C) wird ein COP von 3,62 erreicht.
Doch nicht nur die Effizienz, auch die Nachhaltigkeit dieser Anlagen überzeugt: Mit lediglich 0,07 Kilogramm Propan je Kilowatt kann eine deutliche Reduzierung der Füllmenge im Vergleich zu konventionellen Kältemitteln erreicht werden. Eine F-Gas-Wärmepumpe mit dem Kältemittel R410A würde in diesem Anwendungsfall etwa 0,14 Kilogramm je Kilowatt benötigen. Die Füllmenge kann beim Einsatz von Propan also um rund 50 Prozent verringert werden. Setzt man dies in Relation zu dem damit einhergehenden Treibhausgaseffekt, liegt das CO2-Äquivalent von Propan bei 0,18 Tonnen, das von R410A bei etwa 1 000 Tonnen.
Dennis Kratschmayer
ist Geschäftsführer der Skadec GmbH, Waldenburg.
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