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MSR-Technik 01.07.2017, 00:00 Uhr

Ultraschall-Durchflusssensoren für die Heizungsbranche

Das Ultraschall-Prinzip bei Durchflusssensoren wird bereits seit mehreren Jahrzehnten auch in der Heizungsindustrie eingesetzt. Durch den hohen Stückpreis der Sensoren war die Technologie lange Zeit nicht interessant für den Einsatz in den Massenmarkt-Produkten der Heizungsbranche. Das hat ein hochspezialisiertes Startup jetzt geändert.

Bild: panthermedia.net/alexxxey.07

Bild: panthermedia.net/alexxxey.07

Die 2005 gegründete Allengra GmbH mit Sitz in Ravenstein bei Heilbronn entwickelt und produziert Ultraschall-Durchfluss-Sensoren in Serie für Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen. 2011 konnte das Unternehmen mit Hilfe eines Chipherstellers aus dem süddeutschen Raum einen Ultraschallsensor für die Großserie in kompaktem Design für einen weltweit agierenden Player aus der Heizungsbranche entwickeln und schließlich in Serie liefern. Dies war der Startschuss für weitere Partnerschaften und Aufträge, die Allengra zur Entwicklung von multifunktionalen Sensoren führte, an deren vorläufiger Spitze heute das weltweit erste Ultraschall-basierte Regelventil “Smart Valve” steht, welches das Unternehmen zum ersten Mal Anfang 2017 auf der ISH in Frankfurt vorgestellt hat.

Das 3-Wege Smart Valve von Allengra eignet sich zum Mischen und Verteilen von Medienströmen. Bild: Allengra

Das 3-Wege Smart Valve von Allengra eignet sich zum Mischen und Verteilen von Medienströmen. Bild: Allengra

Hohe Präzision und lange Lebensdauer

Als Allengra im Jahr 2000 für einen namhaften deutschen Wasserzählerhersteller mit einem Sensor-Chiphersteller aus Karlsruhe-Stutensee in Kontakt tritt, ist allen Beteiligten längst klar, in welche Richtung sich der Wasserzählermarkt langfristig entwickeln muss. Die mechanische Wasserdurchflussmessung gehört zwar immer noch zu den am meisten eingesetzten Zählerarten, doch die Ultraschall-Durchflussmessung bietet immer mehr überzeugende Vorteile. Als nicht-invasive Methode eignet sie sich besonders gut für den Einsatz in Heizungsanlagen sowie in der Industrie, um beispielsweise verbrauchte Volumina zu bestimmen oder – unter Mithilfe von Regelungstechnik – komplette Prozesse zu optimieren. Ultraschall-Sensoren verwenden keine mechanischen Zählwerke. Dadurch findet kein Verschleiß von Einzelteilen statt und die Präzision der Messung bleibt bis zum Ende einer sehr langen Lebenszeit erhalten. Doch um die Jahrtausendwende waren die reinen Herstellungskosten der mechanischen Zähler mit einem Ultraschall-Sensor nicht zu erreichen.

Erste Skizze auf einer Serviette

Der Aufbau des Unternehmens erfolgte 2005 mit dem Ziel, eine preisgünstige Gegenvariante zum mechanischen Zähler zu entwickeln. Von der Hydraulik hatte man zu diesem Zeitpunkt bereits eine klare Vorstellung. Bei einem Treffen mit dem oben erwähnten Chiphersteller reicht eine Skizze auf einer Serviette, die den damaligen Geschäftsführer Andreas Larsch so überzeugt, dass er alle Kräfte in seiner Firma mobilisiert und beide Unternehmen zusammen innerhalb von wenigen Wochen einen funktionsfähigen Prototyp fertigstellen.

Der Durchbruch vom Entwickler zum Hersteller

Zur gleichen Zeit interessiert sich das weltweit tätige Unternehmen Viessmann für einen geeigneten Volumenstromsensor zum Einsatz in seine Premium-Gas-Wandgeräte. Die Motivation für Viessmann, mit Allengra zusammenzuarbeiten, besteht dabei einerseits in den deutlichen messtechnischen Vorteilen der Ultraschall-Technologie und andererseits in der kompakten Bauweise des Volumenstromsensors. Der hochgenaue Time-to-Digital-Chip, der das Rechenherz des Sensors bilden sollte, eignete sich ideal für diese Anwendung und mit Unterstützung des Chipherstellers konnte Allengra das Design und die Elektronik innerhalb eines kurzen Zeitraums fertigstellen. Die Entwicklungsarbeiten begannen im Sommer 2010 und bereits ein Jahr danach lieferte das Unternehmen den fertigen Volumenstromsensor in der Serie an Viessmann.

Druckmessung als Ergänzung zu Durchflussmessung

Basierend auf den neuen Generationen von Sensor-Chips und beflügelt vom Viessmann-Erfolg erweitert Allengra bald nach diesem ersten Projekt konsequent die Funktionalität der Sensoren und damit die möglichen Applikationen. Als 2013 ein weiterer Kunde aus der Heizungsbranche eine Kombination von Druckmessung mit der Ultraschall-Durchflussmessung erwägt, startet der Hersteller eine neue OEM-Entwicklung und beliefert den Kunden seit 2016 mit Sensoren zur Integration in einer Kompakthydraulik als Modul . Dieser Sensor vereint neben Durchfluss- und Druckmessung auch Temperatur und Differenztemperatur (Vorlauf/Rücklauf) in einem Modul.

Schematische Darstellung einer druckunabhängigen Durchfluss-Regelung mit dem Allengra Smart Valve. Bild: Allengra

Schematische Darstellung einer druckunabhängigen Durchfluss-Regelung mit dem Allengra Smart Valve. Bild: Allengra

Die Vorteile dieser Lösung liegen auf der Hand: Mit nur einer einzigen Elektronik und somit nur einer (Bus-)Schnittstelle werden mehrere Informationen gleichzeitig an den Regler des Heizgeräts gesendet. Der Hersteller erhält so die komplette dafür notwendige Sensorik aus einer Hand. Und durch die Integration in der Gerätehydraulik ist kein eigenes Sensorgehäuse notwendig.

Energieeinsparung von bis zu 15 % durch hydraulischen Abgleich

Auch für eine weitere wichtige Anwendung in der Heizungsbranche eignet sich der Einsatz des Ultraschall-Durchfluss-Sensors hervorragend: den hydraulischen Abgleich. In Radiatoren-Heizsystemen (z.B. dem Viessmann “Vitoflow”) werden Allengra-Durchfluss-Sensoren bereits seit mehreren Jahren erfolgreich eingesetzt. Dabei wird entweder der im Heizkessel integrierte Ultraschall-Durchfluss-Sensor oder ein in einem Mess-Kit eingebauter Sensor verwendet, um die Strömungswiderstände des gesamten Radiatoren-Heizkreises zu ermitteln und schließlich die Voreinstellungen der Radiatorenventile zu berechnen und dem Installateur zu übermitteln.

Die Integration von Ultraschall-Durchfluss-Sensoren im Heizkreisverteiler ermöglicht eine Ausweitung der Messung auch auf Flächenheizkreise, zum Beispiel in Fußbodenheizungen. In Kombination mit einem Stellventil kann auf diese Weise ein permanenter hydraulischer Abgleich durchgeführt werden. Sämtliche Flächenheizkreise eines Systems können so permanent aufeinander abgestimmt werden. So ist es unkompliziert möglich, auf die Auswirkung eines Heizkreises mit temporär höherem beziehungsweise niedrigerem Heizbedarf auf die übrigen Heizkreise zu reagieren. Wird dabei die Heizkreispumpe in die Regelung miteinbezogen, so kann diese energiesparend auf möglichst niedriger Drehzahl betrieben werden.

Da die Durchführung eines hydraulischen Abgleichs für Neuanlagen sowie für Erweiterungen und Änderungen an Bestandsanlagen mittlerweile verpflichtend ist, leistet das Unternehmen mit der erreichten Energieeinsparung von bis zu 15 % bereits einen wichtigen Beitrag.

Ultra-Kompakte Durchflussmessung auch für Industrie- und Dosieranlagen

Ende 2014 bringt der Chiphersteller eine neue Variante seines Sensor-Chips auf den Markt. Integrierte Schnittstellen und eine erweiterte Funktionalität ermöglichen nun neue Features bei der Ultraschall-Durchflussmessung. Der wesentliche Vorteil dieser Ein-Chip-Lösung liegt in der deutlichen Steigerung der Robustheit sowie der Genauigkeit der Messung.

Allengra entwickelt 2015 basierend auf diesem neuen Chip eine sehr kompakte und kostengünstige Sensorvariante für unterschiedliche Applikationen wie Heizinstallationen, Industrieanlagen und Dosieranlagen.

Ultra-kompakte Durchflussmessung: Das Smart Valve eignet sich auch für Industrie- und Dosieranlagen. Bild: Allengra

Ultra-kompakte Durchflussmessung: Das Smart Valve eignet sich auch für Industrie- und Dosieranlagen. Bild: Allengra

Der Sensor eignet sich für sämtliche flüssige, wasserähnliche Medien mit oder ohne Zusätzen.

Durch Erfahrung und Beobachtung zum Smart Valve

Bei den unterschiedlichen Prüfständen, die der Hersteller während seiner vielen Projekte aufbaute, kristallisierten sich bei den Durchfluss-Sensoren bestimmte grundlegende Elemente in der Ausstattung heraus, die immer wieder zum Einsatz kamen: Ein Sensor für den Rohrdruck, einen für den Differenzdruck, kombiniert mit einem Sensor für den statischen Druck, ein Temperatursensor und einen Sensor für den Durchfluss und das Volumen des Mediums, sowie ein Aktuator und ein Ventil zur Durchflussregelung.

Durch dieses Set von Anforderungen war gleichzeitig die Idee für das “Smart Valve” geboren: Das Unternehmen beginnt 2015 mit dem Entwurf eines einfachen und kompakten Sensors mit einem gut evaluierten und getesteten Stellantrieb, kombiniert mit einem keramischen Ventilregelsystem. Einige bestehende Kunden des Herstellers beteiligen sich an der Entwicklung des hochintegrierten Ventils und in den folgenden Jahren zeigen weitere Unternehmen Interesse an dem OEM-Produkt, um damit ihre Heizungs- und Dosierungsapplikationen aufzuwerten und auf den neuesten Stand der Technik zu bringen.

Schematische Darstellung von Dosierung von Flüssigkeiten und Getränken mit dem Smart Valve. Bild: Allengra

Schematische Darstellung von Dosierung von Flüssigkeiten und Getränken mit dem Smart Valve. Bild: Allengra

Nach drei Jahren intensiver Tests und Auswertungen hat Allengra heute eine vollständige Integration des Smart Valve erreicht und auf der ISH 2017 in Frankfurt präsentiert. Das Ergebnis entspricht voll den Erwartungen: Das Smart Valve bietet gleich mehrere wichtige Vorteile: Es enthält nur eine Platine, auf der man alle wichtigen Schnittstellen findet, dazu ein Verbindungskabel und es besteht aus nur einem Gehäuse, das alle fünf Sensoren auf wenig Raum zusammenbringt, ohne dass für den OEM zusätzliche Dichtstellen gehandhabt werden müssen.

Eigene Prototypen-Fertigungslinie für Keramiktechnologie

Für das Smart Valve investierte das Unternehmen zusätzlich in eine Prototypen-Fertigungslinie für die Keramiktechnologie, die den Vorteil von kleinen benötigten Drehmomenten und hoher Dichte bietet. Die Aktoren wurden in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Getriebe-Designer entwickelt, evaluiert und optimiert. Um alle Anforderungen für die mechanische Konstruktion und Produktion zu erfüllen, investierte Allengra zusätzlich in eine neue Fräsmaschine mit direkter CAD/CAM-Anbindung und erweiterte seinen Maschinenpark um mehrere Kunststoff-Spritzgießmaschinen.

Regelventil auch für Gas und Luft geplant

Das Ultraschall-Regelventil kann mit einem Temperaturbereich von 5–100 °C und einem Druck von 0 bis 6 bar umgehen. Die Kommunikation kann über UART, PWM, über einen Impulsausgang und auf anderen Wegen funktionieren. Mit einer Lithium-Batterie wird die für mehrere Jahre geleistet. Das Smart Valve besteht fast vollständig aus Kunststoff (auf Wunsch auch aus Messing). Durch den Verzicht auf mechanische bewegende Teile in den Sensoren beeinflussen kleine Schwebeteilchen, Schmutz oder Sand weder die Langzeit-Stabilität noch die Genauigkeit der Messung. Das Regelventil eignet sich dazu sehr gut für den Einsatz in der Lebensmittelindustrie, da aufgrund der nicht vorhandenen Toträume die hygienischen Anforderungen leicht erfüllt werden können. Das Unternehmen plant für die kommenden Jahre die Entwicklung eines weiteren Regelventils, das nach dem gleichen Prinzip auch für Gas und Luft eingesetzt werden kann.

Fazit

Diese Applikation war noch vor wenigen Jahren nichts weiter als ein Traum. Die Synergien zwischen unseren innovativen Kunden und Partnern und unserem exzellenten Team haben die Realisierung ermöglicht. Mit der Einweihung unseres neuen Produktionsgebäudes 2017 kann Allengra auch die Serienreife für das Smart Valve garantieren.

Von Dipl.-Ing. Raul Junker

Dipl.-Ing. Raul Junker ist Gründer und Geschäftsführer der Allengra GmbH, Ravenstein bei Heilbronn.