Energetische Bewertung der Luftkonditionierung
Wenn man bei einem technischen Prozess, wie der Luftkonditionierung, nicht nur den Verbrauch an Energie, sondern auch deren optimale Ausnutzung in Erfahrung bringen möchte, gelingt dies, wie im Folgenden gezeigt wird, mit Hilfe einer Exergiebilanz.
Der Leistungsanteil, welcher bei einem technischen Prozess anteilig aus der mit einem bestimmten Stoffstrom maximal möglichen Leistung zur Erbringung einer bestimmten Nutzarbeit zur Verfügung steht, wird üblicherweise mit dem Wirkungsgrad festgestellt. Dabei bleibt unberücksichtigt, um welche Energieform es sich handelt, wenn z. B. bei der Kraft-Wärme-Kopplung als Wirkungsgrad die Summe aus der gewonnenen elektrischen Energie und der bei dem Prozess nutzbaren Wärme zu der eingesetzten Brennstoffenergie ins Verhältnis gesetzt werden. Tatsächlich kann aber mit der elektrischen Energie weiter Arbeit geleistet werden, während die Wärme arbeitstechnisch praktisch nutzlos geworden ist. Für technische Prozesse ist es deshalb von Bedeutung, inwieweit diese so ablaufen können, dass eine möglichst große Arbeitsfähigkeit erhalten bleibt.
Thermodynamischer Gütegrad
Einen Bewertungsmaßstab für den bei einem Energieumsatz unabdingbar auftretenden Verlust stellt die Arbeit dar, welche man theoretisch maximal gewinnen kann, wenn ein, mit der Temperatur t stationär strömender Stoff, wie bei einem Carnot-Prozess reversibel mit der Umgebung, deren Temperatur t0 beträgt, ins Gleichgewicht gebracht wird und die sich dann aus der Beziehung
Lmax = Q ù (T – T0)/T (1)
ergibt.
Man bezeichnet diese Arbeitsfähigkeit als Exergie und den Anteil, der zu keiner Arbeit mehr taugt, als Anergie.
Bei einem realen thermischen Prozess hat man, mit Festlegung einer Kontrollgrenze, innerhalb welcher die Energiebilanz durchgeführt werden soll, zwischen der abgeführten Exergie Eab und der zugeführten Exergie Ezu zu unterscheiden und definiert mit dem Verhältnis
j = Eab/Ezu (2)
den thermodynamischen Gütegrad. Bei mehreren Verfahrensschritten ergibt sich dann aus dem Verhältnis der Summen der abgeführten zu den zugeführten Exergieanteilen der Gesamtgütegrad
jges = ∑Eab/∑Ezu (3).
Die thermodynamische Qualität eines Prozesses, wie z. B. die Luftkonditionierung lässt sich nunmehr feststellen, wenn man dazu den zu behandelnden Anlagenbereich als Kontrollraum eingrenzt und für diesen dann eine Exergiebilanz vornimmt.
Mollier – h,x – Diagramm
Um dies für die so festgelegte Luftaufbereitung zu tun, ist es hilfreich die dabei schrittweise stattfindenden thermodynamischen Veränderungen des Luftzustands in einem Mollier – h,x – Diagramm darzustellen, in dem, für einen bestimmten Luftdruck, der hier mit p = 1 bar angenommen wird, alle maßgebenden Zustandsgrößen enthalten sind.
Luftaufbereitung mit rekuperativer Wärmerückgewinnung und Befeuchtung mit Wasser (t0 = 0 °C, lAU = 0,5 YW = 0,7) Bild: Lillich
Dieses basiert auf der Beziehung
h = cLùt + xù(cDùt + r) (4),
welche die Abhängigkeit der Enthalpie h der feuchten Luft von der Temperatur t und dem Feuchtegehalt x angibt. Für die praktische Betrachtung raumlufttechnischer Vorgänge genügt es, wie von Mollier vorgenommen, für die spezifische Wärmekapazität der trockenen Luft mit cL = 1 kJ/kg,K, für die des Dampfes mit cD = 1,86 kJ/kg,K und für die Verdampfungswärme mit r = 2 500 kJ/kg zu rechnen.
Bei der entsprechend der Darstellung im zweiten Bild stattfindenden, im dritten Bild schrittweise eingetragenen Luftkonditionierung, wird die Außenluft zunächst über eine rekuperativ arbeitende Wärmerückgewinnung vom Zustand 11 auf den Zustand 12 gebracht, um dann durch Beimischung von Umluft den Zustand 13 zu erreichen, dann folgt, zur Vorbereitung der Luftbefeuchtung mit einem Wäscher, eine Luftvorerwärmung auf den Zustand 14, mit anschließender, etwa adiabatisch stattfindender Befeuchtung auf den Zustand 15 und danach die Nachwärmung bis zum geforderten Eintrittszustand 16 der Zuluft. Entsprechend lassen sich die Zustandsänderungen bei einer regenerativen Energierückgewinnung und dem Einsatz eines Dampfbefeuchters, bei dem eine Vorwärmung entfällt, in das h,x – Diagramm eintragen.
Die für die Einhaltung einer bestimmten Raumkondition maßgebende Richtungslinie, auf welcher der Zuluftzustand liegen muss, lässt sich anhand der im Raum anfallenden Wärme QR und Feuchtigkeit WR, deren Enthalpie h0 beträgt und den Enthalpie- und Feuchtewerte der Raum- und Zuluft, welchen die aus dem zweiten Bild zu entnehmenden Indexe zugeordnet sind, in der Form
Dh/Dx = (h21 – h16)/(x21 – x16)
= QR/WR + h0 (5)
finden. Die natürlich zur Verfügung stehende Zuluft muss nun so konditioniert sein, dass ihr Zustand auf der Richtungslinie liegt, wobei auch noch das Kriterium gilt, dass für das Wohlbefinden der sich im Raum befindenden Personen eine bestimmte Mindestfrischluftmenge vorzuhalten ist.
Bezogen auf die jeweils gewählte Kontrollgrenze, lässt sich der Gütegrad des vorbeschriebenen Luftaufbereitungsprozesses schrittweise und insgesamt bestimmen, wobei Hilfsaggregate mit einbezogen oder, wie dies, zur Vereinfachung im weiteren geschieht, ausgespart sein können. Man kann dazu die Zahlenwerte direkt aus dem h, x – Diagramm entnehmen oder diese rechnerisch ermitteln.
Energierückgewinnung
Der Energieaustausch zwischen zwei Luftströmen kann mittels einer rekuperativen Wärmeübertragung stattfinden oder mit zusätzlicher Feuchteübertragung, also regenerativ erfolgen.
Für den praktischen Fall, dass die Außen- und Fortluftströme mAU = mFO gleich sind, gilt die Rückwärmezahl
YW = (t12 – t11)/(t21 – t11)
= (t21 – t22)/(t21 – t11) (6).
Bei dem regenerativen Enthalpiewandler ist zusätzlich die Rückfeuchtezahl
YF = (x12 – x11)/(x21– x11)
= (x21 – x22)/(x12 – x11) (7)
zu berücksichtigen. Mit den bekannten Temperatur- und Feuchtewerten der Luftströme beim Eintritt in die Wärmerückgewinnung lassen sich mittels Gl. (6) und Gl. (7) die entsprechenden Zustandsgrößen nach der Wärmerückgewinnung ermitteln und damit unter Verwendung von Gl. (4) die maßgebenden Enthalpiewerte berechnen. Dabei ist zu beachten, dass beim Erreichen der Sättigungsgrenze die weitere Zustandsänderung längs der Sättigungslinie verläuft, auf welcher dann, mit entsprechender Zuordnung der Temperatur und Feuchte, auch der Zustandspunkt nach der Wärmerückgewinnung liegt.
Wenn man noch den Außenluftanteil lAU = mAU/mL einführt, ergibt sich, bei einem Luftstrom mL und einer Umgebungstemperatur t0, bei der eingetragenen Kontrollgrenze für die abgeführte Exergie
Eab = lAUùmLù(h12 – h11)ù(T12 – T0)/T12
= QWRGù(T12 – T0)/T12 (8a)
und für die zugeführte Exergie
Ezu = (l – lAU)ù(h21 – h22)ù(T21 – T0)/T21
= QWRGù(T21 – T0)/T21 (8b).
Damit kann mit Gl. (2) der Gütegrad
jWRG = [(T12 – T0)/(T21 – T0)]ùT21/T12 (9)
bestimmt werden.
Luftmischung
Werden die Außenluft mAU und die Umluft mUM zur Luftmenge mL = mAU + mUM gemischt, ergeben sich aus deren Temperatur- und Feuchtebilanzen die Zustandsgrößen der Mischluft. Bei der in Bild 5 eingetragenen Kontrollgrenze gilt für die abgeführte Exergie
Eab = lAUùmLù(h13 – h12) ù(T13 – T0)/T13 (10a)
und für die zugeführte Exergie
Ezu = (1 – lAU)ù(h21 – h13)ù(T21 – T0)/T21 (10b)
und damit nach Gl. (2) für den Gütegrad
jM = [lAU/(1 – lAU)]ù[(h13 – h12)/(h21– h13)]ù
ù[(T13 – T0)/(T21 – T0)]ù T21/T13 (11).
Lufterwärmung
Betrachtet man mit der im fünften Bild eingetragenen Kontrollgrenze einen Lufterhitzer nur in Bezug auf den in diesem stattfindenden Wärmeaustausch, in dem durch Zufuhr der Wärme QL, die Luft von der Temperatur t13 auf die Temperatur t14 gebracht wird, gilt mit Gl. (1) für die abgeführte Exergie
Eab = QL ù (T14 – T0)/T14 (12a).
Die über das Heizmedium mit der Wärme QH und der Temperatur tH zugeführte Exergie beträgt entsprechend
Ezu = QH ù (TH – T0)/TH (12b),
so dass sich mit Gl. (2) der Gütegrad in der Form
jLE = QL/QHù[(T14–T0)/(TH–T0)]ùTH/T14 (13)
darstellen lässt. Das darin enthaltene Wärmeverhältnis entspricht dann dem Wirkungsgrad h = QL/QH. Für einen solchen von h = 1 ist der Gütegrad jLE im nächsten Bild abgebildet.
Man sieht daraus, dass sich z. B. bei einem Betrieb mit tH = 60 °C und t14 = 30 °C ein Gütegrad von jLE = 0,55 ergibt, der deutlich unter dem Wirkungsungsgrad liegt, welcher somit eine falsche energetische Bewertung liefert.
Die maßgebendere Exergiebilanz für eine Lufterwärmung erhält man, wenn bei der Festlegung der Kontrollgrenze die Wärmeerzeugung mit einbezogen wird. Für die abgeführte Exergie gilt dabei weiterhin Gl. (12a). Um die Luft für eine nachfolgende Befeuchtung mit Wasser vorzuwärmen, muss, unter Berücksichtigung eines Wirkungsgrad h mit der Brennstoffmenge mB die Exergie
Ezu = HuùmB = QL/h = mLù(h14–h13)/h (14)
zugeführt werden. Der mit der Vorwärmung zu erreichende Luftzustand hängt von jenem ab, welcher nach der Luftbefeuchtung im Wäscher vorhanden sein soll. Mit Gl. (12a) und Gl. (14) ergibt sich für den Gütegrad, Gl. (2), dann die Beziehung
jLEges = hù(T14 – T0)/T14 (15).
Das Ergebnis ist in Abhängigkeit von der Lufttemperatur für verschiedene Umgebungstemperaturen im folgenden Bild dargestellt.
Gesamtgütegrad einer Lufterwärmung (h = 0,85) Bild: Lillich
Man erkennt daraus, wie viel Arbeitsfähigkeit bei der Lufterwärmung, im Gegensatz zu dem mit h = 0,85 angesetzten Wirkungsgrad, tatsächlich verloren geht. Die vorstehenden Ausführungen gelten, unter Verwendung von t16 anstelle von t14, auch für die Nachwärmung.
Luftbefeuchtung
Um, ausgehend von dem Feuchtegehalt x13 = x14, eine zur Einhaltung eines verlangten Raumluftzustands notwendige Zuluftfeuchte x15 = x16 zu erreichen, muss der Luftmenge mL die Feuchtemenge mF , deren Enthalpie h0 beträgt, zugeführt werden. Anhand der Enthalpie- und Feuchtebilanzen lassen sich dann die Beziehung
Dh/Dx = (h15 – h14)/(x15 – x14) = h0 (16).
ableiten und daraus die einzelnen Zustandsgrößen explizit darstellen.
Bei der Befeuchtung im Wäscher wird bei der Verdunstung die sensible Wärme der Luft in latente umgewandelt. Deren Zustandsänderung verläuft, schwach ansteigend, längs der Enthalpielinie, bei niederen Wassertemperaturen praktisch adiabat. Es findet damit auch kein Exergieumsatz statt und die Definition eines Gütegrads macht hier keinen Sinn.
Bei der Dampfbefeuchtung gilt für die abgeführte Exergie
Eab = QLù(T15 – T0)/T15
= mLù(x15–x13)ù h0ù(T15–T0)/T15 (17a)
und, wenn man die Dampferzeugung außerhalb der Kontrollgrenze lässt, für die zugeführte Exergie
Ezu = QDù(TD – T0)/TD
= mLù(x15–x13)ùh0ù(TD–T0)/TD (17b),
so dass der Gütegrad
jD = QL/QDù[(T15–T0)/(TD–T0)]ùTD/T15 (18)
beträgt. Wenn man die Kontrollgrenze so legt, dass die Dampferzeugung mit eingeschlossen ist, wird bei einem Wirkungsgrad h die zugeführte Exergie
Ezu = mBùHu = mDùh0/h
= mLù(x15–x14)ù h0/h (19)
und man erhält für den Gütegrad
jFD = h x (T15 – T0)/T15 (20),
wobei Gl. (18) und Gl. (20) formal mit den für einen Lufterhitzer abgeleiteten Gl. (13) und Gl. (15) übereinstimmen und damit auch die damit verbundenen Darstellungen.
Fallbeispiel
Wenn man von bekannten Umgebungs- und Raumbedingungen ausgeht, lassen sich für eine Luftkonditionierung, wie sie z. B. oben im zweiten Bild dargestellt ist, die sich dabei schrittweise einstellenden Luftzustände berechnen oder mit Hilfe des Mollier – h,x – Diagramms grafisch bestimmen und damit der thermodynamische Gütegrad für die einzelnen Aufbereitungsstufen und insgesamt ermitteln.
Je nachdem wie die Wärmerückgewinnung und die Luftbefeuchtung erfolgen und der Außenluftanteil gewählt wird, erhält man dann beispielsweise mit den in der untenstehenden Tabelle vorgegebenen Luftzuständen die in den folgenden Bildern in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur t0 und dem Außenluftanteil lAU eingetragenen Gütegrade des Gesamtprozesses.
Daraus ist zu entnehmen, dass, abgesehen von einem Betrieb mit Wäscher und großem Außenluftanteil, sowie Bezug auf eine hohe Umgebungstemperatur, die regenerative Wärmerückgewinnung energetisch wertvoller ist, als das rekuperative Verfahren. Das gleiche gilt für die Befeuchtung mit Wasser gegenüber einer solchen mit Dampf. Dies wird auch mit dem folgenden Bild bestätigt, in welchem für die Umgebungstemperatur t0 = 0 °C die Gütegrade der verschiedenen Alternativen, wieder in Abhängigkeit vom Außenluftanteil lAU enthalten sind.
Immer liegen die Zahlenwerte des Gütegrads weit unter dem, bei den vorgenommenen Betrachtungen mit h = 0,85 zu Grunde gelegten Wirkungsgrad.
Zusammenfassung
Für die energetische Bewertung eines technischen Prozesses, wie er z. B. bei der Luftkonditionierung stattfindet,. genügt es zur Beurteilung, mit welcher energetischen Qualität dieser abläuft, nicht, wenn man mit Hilfe des Wirkungsgrades einen einfachen Vergleich von genutzter und eingesetzter Energie vornimmt. Es muss stattdessen die durch die Arbeitsfähigkeit eines Stoffes bestimmte Exergie herangezogen werden. Dazu ist eine Kontrollgrenze festzulegen, innerhalb der die Energieumsetzung stattfindet und dann die dabei aus diesem abgeführte Exergie mit der zugeführten Exergie als thermodynamischer Gütegrad ins Verhältnis zu setzen.
Literatur:
Bosnjakovic ,F. : Technische Thermodynamik, II. Teil, 3. Auflage, Verlag Theodor Steinkopff, Dresden und Leipzig, 1960.
Häussler, W.: Das Mollier – ix – Diagramm, Verlag Theodor Steinkopff, Dresden und Leipzig, 1960.
Prof. Dr.-Ing. Karl Heinz Lillich war an der Fachhochschule Gießen-Friedberg im Fachbereich Energie- und Wärmetechnik zuständig für Heiztechnik; als Beratender Ingenieur war er von der Industrie- und Handelskammer Darmstadt öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik.