Künstliche Intelligenz für optimierte RLT-Anlagen
Lüftungsanlagen in großen Gebäuden sind häufig überdimensioniert und somit ineffizient. Künstliche Intelligenz soll helfen diese Anlagen zukünftig sparsamer zu machen.
Lüftungsanlagen gehören zu den großen Energieverbrauchern in Gebäuden. Sie wärmen und kühlen die Luft oder entfeuchten sie. Ventilatoren schieben die Luftmassen durch ein weit verzweigtes System aus Kanälen und sorgen dafür, dass verbrauchte Luft nach draußen und frische hineingelangt. All das kostet viel Strom – und zudem häufig mehr Energie als nötig. Wirtschaftsinformatiker der Universität Rostock arbeiten deshalb zusammen mit der mittelständischen Lüftungstechnik-Firma „Dr. Diestel“ seit zwei Jahren daran, raumlufttechnische Anlagen (RLT) mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) sparsamer zu machen – durch eine perfektionierte Planung und ein neuartiges Überwachungssystem.
Energiefresser: Überdimensionierung und unentdeckte Fehler
Das RLT-Anlagen in Einkaufszentren, Krankenhäusern oder Produktionshallen häufig mehr Strom als nötig verbrauchen hat vor allem zwei Gründe. Erstens sind viele Anlagen überdimensioniert und haben mehr Leistung als es die Größe des Gebäudes erfordert. Zweitens bleiben Fehlfunktionen häufig unentdeckt, was zu höherem Stromverbrauch führen kann. Bei Ventilatoren etwa können Lager verschleißen, wodurch sich die Reibung erhöht. Anderswo fallen Wärmetauscher aus, die die Raumwärme aus der Abluft zurückgewinnen. Da die Anlagen kein Signal geben, bleibt ein solcher Defekt häufig bis zur nächsten Wartung unentdeckt.
Messfühler schaffen Transparenz
Hier setzt das Verbundprojekt KIDiRA (KI-basierte Diagnoseassistenz für die Energieoptimierung von RLT-Anlagen) an. Mithilfe von KI soll die Planung und Dimensionierung von Lüftungsanlagen optimiert und der Zustand der Anlagen konsequent überwacht werden. Dazu haben Wirtschaftsinformatiker der Universität Rostock und Fachleute der Rostocker Lüftungstechnik-Firma „Dr. Diestel“ RLT-Anlagen mit zusätzlichen Messfühlern ausgestattet. Sie erfassen beispielsweise das Luftvolumen in den Kanälen. Die Daten werden in einer Cloud gesammelt und anschließend mit verschiedenen KI-Methoden ausgewertet.
KI für das große Ganze
„Die KI-Verfahren sind sehr gut darin, in einer großen Menge an Daten bestimmte Muster zu erkennen“, erläutert Projektleiter Professor Kurt Sandkuhl vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik. „Wir wollen die KI dazu bringen, aus den vielen Sensordaten auf Schwachstellen und Defekte in einer Anlage zu schließen.“ Die große Herausforderung bestehe heute darin, dass in großen Liegenschaften viele verschiedene Anlagenkomponenten von unterschiedlichen Herstellern verbaut werden. Hinzu komme, dass es in großen Gebäudekomplexen oft mehrere Lüftungsanlagen gibt – auch weil die Liegenschaften häufig über viele Jahre durch Anbauten gewachsen sind. Diese komplexen Bauten nachträglich mit einer Gebäudeleittechnik auszustatten, um sie zentral zu überwachen, sei schwierig und sprenge meist den finanziellen Rahmen, so Sandkuhl. Weil Bauteile verschiedener Produzenten mit verschiedensten Datenschnittstellen verwendet werden, sei es außerdem sehr kompliziert Betriebsdaten umfassend zu sammeln.
„Erstaunlicherweise haben viele Besitzer von Gebäuden die RLT-Anlagen und deren Energieverbrauch gar nicht auf der Rechnung“, weiß Kurt Sandkuhl. „Die Betreiber von Einkaufszentren nicht, weil sie die Kosten auf die Mieter umlegen. Kliniken oder produzierende Betriebe suchen Einsparpotenziale oftmals zunächst woanders.“ Ziel von KIDiRA sei es deshalb, ein RLT-Überwachungssystem zu entwickeln, das mithilfe der KI automatisch signalisiert, wenn eine Anlage nicht effizient betrieben wird. Unabhängig von den regulären Wartungsintervallen könne der Service dann auf Basis der Daten aktiv werden und den Betrieb der Anlage optimieren.
KI unterstützt bei der Planung
Auch die Überdimensionierung einer Anlage könne durch den Einsatz von KI verhindert werden. Im Rahmen des Verbundprojekts werden dazu aktuell Tausende Daten aus verschiedenen Gebäuden gesammelt. Daraus soll die KI lernen, wie sich der Lüftungsbedarf im Laufe eines Jahres verändert und wie sich eine Anlage im Detail verhält. Ziel sei es, dass die KI bei neuen Bauvorhaben oder Renovierungen das RLT-Anlagendesign selbstständig optimiert.