Partikelarme Luft in der Tablettenfabrik
In der Pharmaindustrie sind die Anforderungen an die Raumluft besonders hoch: Je höher die Reinraumklasse, desto weniger Partikel dürfen in der Luft enthalten sein. Daher kommen in der Solids-Launch-Fabrik von Boehringer Ingelheim sechs Lüftungsgeräte zum Einsatz. Sie sind nicht nur smart eingebunden, sondern verbessern auch die Energiebilanz.
Boehringer Ingelheim zählt weltweit zu den 20 führenden Pharmaunternehmen. Rund 52.000 Menschen arbeiten für das Unternehmen rund um den Globus. Der Stammsitz im rheinland-pfälzischen Ingelheim ist der weltweit größte Produktionsstandort. Alle neuen Wirkstoffe und Arzneimittel während der Markteinführungsphase werden dort produziert – Tabletten (Solida) in der neuen Solids-Launch-Fabrik SOL. Auf einer Grundfläche von 2.800 Quadratmetern entstand auf drei Etagen einer der modernsten Betriebe des Unternehmens. Investitionsvolumen: 90 Millionen Euro. Im Untergeschoss befinden sich Technik- und Lagerräume sowie Umkleiden; im Obergeschoss weitere Technik-, Büro- und Sozialräume.
Im Erdgeschoss liegt der Kern der neuen Fabrik: die Produktion. Auf zwei Produktionslinien für kleinere und mittlere Chargengrößen kann unter anderem für klinische Studien und die Markteinführung produziert werden. Das Besondere: Die Solids-Launch-Fabrik ist als Smart Factory konzipiert. Alle Maschinen und Anlagen sind vollständig digital vernetzt und nahezu alle Prozesse steuern sich selbst.
Regelmäßige Luftwechsel für partikelarme Luft
Für die Produktion neuer Arzneimittel braucht es aber nicht nur die Expertise eines Spezialisten und intelligent arbeitende Maschinen, sondern auch ein hygienisch reines Produktionsumfeld. Sechs Lüftungsgeräte (Zu- und Abluft) der BerlinerLuft. Technik GmbH sorgen in Ingelheim für partikelarme Luft in den Produktionsräumen der smarten Tablettenfabrik. Sie arbeiten mit einem Gesamtvolumenstrom von 324.000 m3/h. Zwei Zuluftanlagen mit jeweils 67.500 m3/h Gesamtvolumenstrom liefern partikelarme Luft für den Reinraum. Eine kleinere Zuluftanlage mit 30.000 m3/h Gesamtvolumenstrom versorgt den unklassifizierten Bereich außerhalb des Reinraums, wie Büroräume oder Flur. . „Es war eines unserer größten Projekte im Pharmabereich als Systemlieferant“, berichtet der Gebietsverkaufsleiter Süd Klimatechnik, Uwe Speidel.
„In der Pharmaindustrie ist das Thema ‚Luftqualität‘ natürlich essenziell. Je höher die Reinraumklasse, desto weniger Partikel dürfen in der Luft enthalten sein“, verdeutlicht Hans-Peter Berg, Teilprojektleiter für TGA (SOL) und Gewerkeverantwortlicher in Raumlufttechnik bei Boehringer Ingelheim. Der Pharmahersteller fertigt in seiner Solids-Launch-Fabrik in Reinheitsklasse ISO 8 beziehungsweise Reinraumklasse D. Entsprechende Anforderungen mussten auch die Lüftungsgeräte erfüllen. Die Reinraumklasse D schreibt einen sechsfachen Mindestluftwechsel pro Stunde vor. „Im Betrieb fahren wir allerdings einen höheren Luftwechsel“, erklärt Hans-Peter Berg. Besonders praktisch und energieeffizient: In arbeitsfreier Zeit wird der Luftwechsel reduziert. „In der Solids-Launch-Fabrik arbeiten wir im Einschichtbetrieb in einer Fünf-Tage-Woche. Sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuhause, senken wir den Luftwechsel ab. Das spart Strom sowie Kühl- und Heizenergie“, so Berg weiter. Der Luftvolumenstrom jedes einzelnen Produktionsraumes lässt sich über die Gebäudeleittechnik einstellen.
Wärmerückgewinnung für effizienten Betrieb
Die Zuluftanlagen für die Smart Factory wurden in Hygieneausführung gefertigt. Unter anderem sind dabei Böden und Klappen in Edelstahl ausgeführt. Außerdem arbeiten die Zuluftanlagen mit 100 Prozent Außenluft. „In der Pharmaindustrie ist das der Standard. Seit Covid-19 nimmt die Anfrage nach Lüftungsanlagen mit 100 Prozent Außenluftzufuhr aber auch in anderen Bereichen zu“, berichtet Uwe Speidel.
Eine weitere Anforderung an die Lüftungsanlagen war die Reduzierung des Energieverbrauchs durch ein Wärmerückgewinnungssystem. „Wir mussten einen Wirkungsgrad von größer oder gleich 70 Prozent erreichen – das war die Vorgabe von Boehringer Ingelheim. Klar, denn jedes Prozent Wirkungsgrad weniger kostet später viel Geld. Ein hoher Wirkungsgrad ist nicht nur kosten-, sondern auch umweltschonend“, so Uwe Speidel. Die raumlufttechnischen Anlagen wurden daher mit einem EcoCond-System ausgestattet. EcoCond und EcoCond+ sind Wärmerückgewinnungssysteme zum Heizen und Kühlen. Die Betriebsweise des Systems senke nachweislich, so der Hersteller, die Lebenszykluskosten raumlufttechnischer Anlagen. Durch die Trennung der Luftströme sind eine Stoff- und Brandübertragung im Brandfall ausgeschlossen. Damit eignet sich das System besonders für den Einsatz in Anlagen, in denen keine Keime, Gerüche, Feuchtigkeit, Schadstoffe und sonstige Kontaminationen übertragen werden dürfen. Das gilt ebenso für Umgebungen mit aggressiven Medien oder Prozessabwärme.
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