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Viren in Innenräumen 02.10.2024, 09:09 Uhr

Studie zu chemischen Eigenschaften von Aerosolpartikeln veröffentlicht

Welche Auswirkungen klimatische Randbedingungen wie Temperatur oder Luftfeuchtigkeit auf die Lebensfähigkeit von Viren haben, wurde bereits in zahlreichen Studien untersucht. Über den Einfluss der chemischen Zusammensetzung von Tröpfchen und Aerosolen auf Ausbreitung und Überlebensfähigkeit ist hingegen nur wenig bekannt. Eine neue Studie liefert dazu nun wertvolle Erkenntnisse.

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Foto: Panthermedia / gualtiero boffi

Im Rahmen der Kampagne „Mindestfeuchte 40 %“ des Fachverbandes Gebäude-Klima e.V. hat Dr. Ajit Ahlawat die Ergebnisse seiner Studie „Impact of Chemical Properties of Human Respiratory Droplets and Aerosol Particles on Airborne Viruses’ Viability and Indoor Transmission” vorgestellt. Im Interview berichtet der Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) über die wichtigsten Erkenntnisse.

Dr. Ajit Ahlawat hat im Bereich Aerosol-Instrumentierung am CSIR-National Physical Laboratory, Indien, promoviert. Seit Februar 2019 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig.

Foto: Jyoti Kadian

Herr Ahlawat, es besteht ein Zusammenhang zwischen den chemischen Eigenschaften von Aerosolpartikeln bei der Virusausbreitung und dem Überleben des Virus im Innenraum. Darüber haben Sie umfangreiche Forschungsarbeiten durchgeführt. Wie kam es dazu?

Dr. Ajit Ahlawat: Die Motivation für diese Arbeiten setzt sich aus verschiedenen Gedanken zusammen. Einerseits ist bekannt, dass Atemwegsviren in erster Linie durch Aerosole übertragen werden. Das Verstehen der chemischen Eigenschaften von Aerosolen und deren Rolle beim Überleben von Viren kann Einblicke in die Übertragungsdynamik dieser Krankheiten geben. Für die öffentliche Gesundheit ist es von größter Bedeutung zu verstehen, wie sich derartige Viren in Innenräumen verbreiten, da Menschen einen Großteil ihrer Zeit in Innenräumen verbringen und diese daher zentrale Brennpunkte der Virenübertragung sind.

Weiterhin kann die Untersuchung der chemischen Eigenschaften von Aerosolpartikeln bei der Entwicklung wirksamer Strategien zur Eindämmung unterstützen. Durch die Ermittlung der Bedingungen, unter denen Viren in Innenräumen besser oder schlechter überleben, können Richtlinien zur Verringerung des Übertragungsrisikos erstellt werden. Und schlussendlich kann die Untersuchung der Beziehung zwischen Aerosolchemie und Virusverbreitung zur langfristigen Pandemievorsorge beitragen.

Das Interesse, das zu diesen Forschungsarbeiten geführt hat, resultiert also aus der dringenden Notwendigkeit, die öffentliche Gesundheit zu schützen, wirksame Strategien zur Eindämmung zu entwickeln, das Verständnis für die Übertragung von Atemwegsviren zu verbessern und auf zukünftige Pandemien vorbereitet zu sein.

Welche physikalischen und chemischen Eigenschaften von Tröpfchen in der Atemluft charakterisieren deren Verhalten?

Ahlawat: Das Verstehen der physikalischen und chemischen Eigenschaften der Tröpfchen und Aerosole ist von entscheidender Bedeutung, um ihr Verhalten und den Beitrag zur Übertragung von Infektionen besser verstehen zu können. Zu den physikalischen Eigenschaften zählen insbesondere die Größenverteilung und die Flugbahn. Tröpfchen und Aerosole in der Atemluft sind unterschiedlich groß. Das Spektrum reicht in der Regel von Partikeln in Nanometergröße bis zu größeren Tröpfchen im Mikrometerbereich. Es ist wichtig, die Größenverteilung der Tröpfchen zu kennen. Sie beeinflusst, wie sich die Partikel durch die Luft bewegen. Kleine Tröpfchen und Aerosole schweben länger in der Luft, während sich größere Tröpfchen schneller absetzen. Luftströmungsmuster und Turbulenzen in der Umgebung beeinflussen die Flugbahn eines Atemtropfens. Hier spielen insbesondere die Raumbelüftung und die Bewegung von Personen eine entscheidende Rolle.

Zu den chemischen Eigenschaften zählen die chemische Zusammensetzung, der pH-Wert sowie die Oberflächenspannung. Die Tröpfchen der Atemluft setzen sich aus verschiedenen Komponenten wie Wasser, Salze, Proteine, Schleim und potenzielle Erreger zusammen. Ihre Zusammensetzung kann das Verhalten und die Stabilität der Tröpfchen beeinflussen. Der pH-Wert von Tröpfchen und Aerosolen, die über die Atemwege ausgestoßen werden, kann je nach ihrer Zusammensetzung und der relativen Luftfeuchtigkeit in Innenräumen variieren. Änderungen des pH-Wertes können sich auf die Stabilität von Viren und anderen Mikroorganismen in den Tröpfchen auswirken. Auch die Oberflächenspannung spielt für das Entstehen und die Stabilität der Tropfen eine Rolle. Eine geringere Oberflächenspannung kann zu kleineren Tröpfchen führen und deren Verhalten in der Luft beeinflussen.

Dem Einfluss des pH-Wertes kommt Ihre besondere Aufmerksamkeit zu. Lässt sich hieraus tatsächlich ein Einfluss auf die Lebensfähigkeit des Virus in Aerosolpartikeln ableiten? Wie ist der Einfluss im Zusammenhang mit der relativen Luftfeuchte im Raum zu bewerten?

Ahlawat: Der Einfluss des pH-Wertes stand im Mittelpunkt der Untersuchungen, da er bei der Betrachtung der Lebensfähigkeit von Viren in Aerosolpartikeln der am wenigsten erforschte Parameter ist. Der pH-Wert und die relative Luftfeuchte haben einen großen Einfluss auf die Lebensfähigkeit von behüllten Viren.

Um den Zusammenhang zwischen relativer Luftfeuchte und pH-Wert zu erklären, wurden bei den Untersuchungen drei verschiedene Randbedingungen betrachtet. Die Innentemperatur beträgt in allen drei Fällen 20 °C (tinnen = 20 °C). Im ersten Fall kommt es bei einer niedrigen Außentemperatur (taußen < 4 °C) und einer niedrigen relativen Feuchte im Raum (relative Luftfeuchte < 40 Prozent) zu einer raschen Verdunstung der ausgeatmeten Tröpfchen und infolgedessen zum Absinken des pH-Wertes. Aufgrund der schnellen Verdunstung trocknet das Partikel vollständig aus. Somit könnte die vollständige Trockenheit die umhüllten Viren tatsächlich vor den hohen Konzentrationen gelöster Salze und dem niedrigen pH-Wert schützen. Das bedeutet, dass trotz der sauren Umgebung keine Chance besteht, dass die umhüllten Viren inaktiviert werden. Die schnelle Bildung der organischen Schicht auf der Oberfläche verhindert eine Inaktivierung. Normalerweise führt ein plötzlicher Anstieg der Salzkonzentration und/oder der Expositionszeit, in der sich die Salzkonzentration erhöht und der pH-Wert verringert, mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Schädigung des Virus. Erreger, die in einer gelartigen oder glasartigen Struktur eingekapselt sind, können jedoch vor oxidativen Schäden oder Wirkungen von gelösten Stoffen geschützt sein.

Im zweiten Fall (tinnen = 20 °C, relative Luftfeuchte 40 bis 60 Prozent) findet eine kontinuierliche Verdunstung statt und der pH-Wert sinkt kontinuierlich, sodass genügend Zeit bleibt, die Konzentration der gelösten Stoffe (unter sauren Bedingungen) zu erhöhen, und dadurch das Virus zu inaktivieren.

Der dritte Fall (tinnen = 20 °C, relative Luftfeuchte größer 80 Prozent) zeigt eine langsame Verdunstung unter feuchteren Bedingungen, das heißt mehr als 80 Prozent relative Luftfeuchte mit etwas höheren pH-Werten um 6 oder mehr. Bei hoher relativer Luftfeuchte werden die Virionen aufgrund des flüssigkeitsähnlichen Zustands der Aerosolpartikel und -tröpfchen freigesetzt. Der Desinfektionsprozess kann dadurch langsamer ablaufen. Dies führt zu einem geringen Grad der Virusinaktivierung.

Ändern sich die chemischen Eigenschaften der Tröpfchen in Abhängigkeit von Luftfeuchtigkeit im Raum?

Ahlawat: Ja, die chemischen Eigenschaften der Tröpfchen ändern sich in Abhängigkeit von der Luftfeuchte. Vor allem im Winter sinkt die Luftfeuchtigkeit in Innenräumen auf unter 30 Prozent. Aufgrund der niedrigen relativen Luftfeuchte verdampfen die Tröpfchen rascher. Je mehr Wasser aus den Tröpfchen verdunstet, desto höher ist die Konzentration an weniger flüchtigen gelösten Stoffen wie Salzen und organischen Verbindungen.

Das Verringern der relativen Luftfeuchte würde auch die Konzentration der freien H+-Ionen in einem Aerosolpartikel erhöhen und den pH-Wert senken. Dadurch verändert sich die Struktur der eingebetteten Glykoproteine in den Membranen der umhüllten Viren. Diese Glykoproteine sind für das Anheften des Virus und den anschließenden Eintritt in die Wirtszellen unerlässlich. Die Veränderungen des pH-Wertes nach der Verdunstung sind abhängig von den Wechselwirkungen zwischen den verschieden gelösten Stoffen, von den Puffereffekten der Proteine, vom Einfluss der chemischen Zusammensetzung der Umgebung sowie der Heterogenität in der räumlichen Verteilung der verschiedenen gelösten Stoffe in einem Aerosolpartikel. Diese Zusammenhänge sind weitaus komplizierter als in früheren Studien angenommen.

Warum können Viren in organischen Verbindungen überleben? Und was bedeutet dies im Zusammenhang mit schlecht belüfteten Räumen?

Ahlawat: In den verdampfenden virenhaltigen Tröpfchen mit höherem organischen Anteil steigt bei gleicher relativer Luftfeuchte die Konzentration der gelösten Stoffe langsamer an als in Tröpfchen mit höherem anorganischem Anteil. Verursacht wird der langsame Anstieg der Konzentration gelöster Stoffe durch die längere Zeit, die benötigt wird, um ihre Konzentration auf ein Niveau anzuheben, das die Inaktivierung von Viren und Aerosolpartikeln und Tröpfchen bewirken kann. In Tröpfchen und Aerosolpartikeln mit höherem organischen Gehalt kann eine Schicht oder eine dicke gelartige Hülle auf den Aerosolen verlängertes Überleben der darin enthaltenen Viren verursachen.

In Räumen mit trockener Luft werden kleine virenhaltige Tröpfchen in kurzer Zeit verdampft und schrumpfen zu kleineren Partikeln, die sich schnell verteilen. In schlecht belüfteten Innenräumen bleiben die Aerosolpartikel länger in der Luft. Höhere Konzentrationen von organischen Bestandteilen in Tröpfchen und Aerosolpartikeln können die Lebensdauer der Viren in den Aerosolpartikeln erhöhen und so in schlecht belüfteten Räumen die Übertragung von Viren beeinflussen.

Von Das Interview führte Dr.-Ing. Claudia Kandzia, Technische Referentin beim FGK, Fachverband Gebäude-Klima e.V., Ludwigsburg.