Anforderungen an Sanitärräume für Moslems
Rund fünf Millionen Menschen mit moslemischen Glauben leben Schätzungen zufolge in Deutschland. Viele von ihnen haben spezielle Anforderungen an ihre Sanitärräume. Diese sind jedoch nur wenig bekannt und reichen von der Möglichkeit zur rituellen Waschung an der Toilette bis hin zum Waschtisch.
Bereits am 30. Oktober 1961 wurde in Bad Godesberg ein Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei unterzeichnet – nach Italien (1955), Griechenland (1960) und Spanien (1960). Seitdem ist die Anzahl von Moslems, und nicht nur die türkischer Herkunft, auf rund fünf Millionen angestiegen. Obwohl sie damit einen bedeutsamen Anteil an der Gesamtbevölkerung darstellen, war bislang wenig über deren Ansprüche an die Ausstattung von Sanitärräumen bekannt. Dies ändert sich jetzt durch die Flüchtlinge. Da sie sich in großer Zahl in staatlicher Obhut statt in einzelnen Wohnungen befinden, wird nun die Fachöffentlichkeit mit einem bis dahin weitgehend unbekannten Problem konfrontiert: den religiös notwendigen Waschungen und deren Auswirkungen auf die Gestaltung von Sanitärräumen.
Moslems nutzen Toiletten und Waschtische anders
Es ist seit Jahrhunderten eine religiöse Pflicht für Gläubige, sich vor dem Gebet umfassend zu waschen. Aus ihren Heimatländern kennen Moslems einfache Hygieneduschen oder kostengünstige Dusch-WCs. Doch deren direkten Anschluss an die Trinkwasserinstallation lehnen die Gesundheitsämter mit Verweis auf die DIN EN 1717 ab. Auch die gängigen Rohrunterbrecher oder Systemtrenner sind keine ausreichende Absicherung dieser Einrichtungen gegen die Trinkwasserinstallation.
Unkritisch sind die Waschungen der Füße im Waschbecken, soweit dieses gut befestigt ist. Alternativ könnten sie niedriger hängen als bei uns üblich, um deren mechanische Belastung zu minimieren.
Regelverstöße und Verantwortlichkeiten im Wohnungsbau
Fachhandwerker oder Vermieter wurden bislang nur selten mit religiös bedingten Hygieneduschen und Dusch-WCs in Wohnungen konfrontiert, weil viele der nicht regelkonformen Anschlüsse in Eigeninitiative erfolgten. Denn diese Produkte werden nur selten vom Großhandel geführt. Daher haben sich viele der hier lebenden Moslems ihre Hygienedusche oder auch ein einfaches Dusch-WC aus der Heimat mitgebracht. In vielen Wohnungen und Häusern sind solche Einrichtungen über Schläuche direkt mit der Trinkwasserinstallation verbunden – oft unter dem Waschtisch. Aus diesen nicht fachgerechten Anschlüssen kann man niemandem einen Vorwurf machen – denn außerhalb von Fachkreisen kennt kaum jemand die DIN EN 1717. Dennoch ist der Vermieter gemäß Paragraf 17 (6) auch dafür verantwortlich, dass die Trinkwasserinstallation mit entsprechenden Sicherungseinrichtungen gegen „nichttrinkwasserführende“ Bauteile oder Bereiche abgesichert ist. Einen „Bestandschutz“ gibt es dabei nicht, da auch im Betrieb die allgemein anerkannten Regeln der Technik einzuhalten sind (TrinkwV, Paragraf17 (1)).
Man muss aber auch deutlich sagen, dass einerseits ein direkter Anschluss dieser Einrichtungen zwar ein Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik ist, aber andererseits (noch?) keine bedeutsamen Auffälligkeiten in der Fachöffentlichkeit bekannt geworden sind.
Bidets, Dusch-WCs oder Hygieneduschen?
Für alle drei Lösungen gibt es gute technisch-wirtschaftliche Gründe. Fest steht jedoch, dass Bidets in moslemischen Ländern nahezu unbekannt sind. Weiterhin benötigen Bidets deutlich mehr Platz als die anderen beiden Lösungen und sind daher für kleine Badezimmer oder Toilettenanlagen kaum geeignet.
Dusch-WCs sind dagegen eine gute Alternative. Sie gibt es in einfacher Form in vielen moslemischen Ländern.
Gleiches gilt auch für einfache nachrüstbare Toilettensitze mit identischem Wirkprinzip. Für den gehobenen Wohnungsbau gibt es die komfortablen Dusch-WCs großer Anbieter mit Warmwasserangebot bis hin zum Trocknungsföhn.
Eine weitere Alternative sind Hygieneduschen, die mittels Schlauch an der Toilette genutzt werden können.
Allen Varianten ist gemeinsam, dass sie einen Wasseranschluss benötigen und gemäß DIN EN 1717 nach Kategorie 5 gegen die Trinkwasserinstallation abzusichern sind. Nur bei den komfortablen und teuren Dusch-WCs ist diese Absicherung in aller Regel bereits im Produkt integriert.
Gibt es Alternativen zum „Freien Auslauf“ der EN 1717?
Ein Wassergefäß oder eine Schale mit einer Schöpfkelle sind tendenziell durchaus ausreichend zur rituellen Reinigung. Gerade Wasserflaschen sieht man manchmal in Toiletten am Arbeitsplatz. Sie sind ein sicheres Indiz für moslemische Kollegen und keine Aufmerksamkeit des Arbeitgebers….
Zumindest im privaten Bereich sind dies Alternativen, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, am WC fließendes Wasser zur Verfügung zu haben. Für Toilettenanlagen sind die Lösungen selbstverständlich ungeeignet. Auch deshalb, weil sich darüber Möglichkeiten der gegenseitigen Ansteckung über Fäkalkeime ergeben könnten. Lokale Epidemien mit Noroviren können die Folge sein.
„Rohrunterbrecher Typ DC“ statt „Freiem Auslauf“?
Generell ist ein Rohrunterbrecher vom Typ DC ebenfalls zur Absicherung der Kategorie 5 geeignet, wenn nachgelagert der Wasserdruck dem atmosphärischen Druck entspricht (p = atm gemäß DIN EN 1717). Es darf also hinter diesem Rohrunterbrecher keine Absperrung mehr vorhanden sein – auch nicht bei einer Hygienedusche. Darauf weisen die DIN EN 1717 und die Hersteller auch deutlich hin! Weiterhin muss der Rohrunterbrecher mindestens 150 mm über dem maximalen Flüssigkeitsspiegel liegen. Dadurch wird das Ganze nicht mehr praktikabel, wenn man sich vorstellt, man hätte eine Hygienedusche ohne endständige Betätigung in der rechten Hand und müsste gleichzeitig mit der rechten Hand das Eckregulierventil aufdrehen. Daher könnte man sich einen solchen Rohrunterbrecher DC höchstens übergangsweise in Wohnungen mit einfachem Dusch-WC vorstellen, die heute über keine Absicherung verfügen. Man müsste dann aber noch im Einzelfall prüfen, wie die notwendige Anschlusshöhe sicherzustellen und die theoretisch mögliche Nachrüstung einer Hygienedusche mit Absperrung durch Informationsschriften und Kontrollen zu verhindern ist.
Bidet-Duschen und Dusch-WCs als normgerechte Lösungen für den Wohnungsbau
Jeder WC-Spülkasten verfügt selbstverständlich über eine Absicherung nach Kategorie 5 der DIN EN 1717. Es ist also naheliegend, einen solchen Spülkasten wieder deckenhoch zu hängen und mit einem zweiten Abgang zu versehen.
Das wirkt zwar altertümlich, ist jedoch der Zielgruppe von Zuhause bekannt und zudem sehr wirtschaftlich.
An diesem zusätzlichen Abgang des Spülkastens kann man eine Hygienedusche oder ein einfaches Dusch-WC direkt oder indirekt über ein kurzes Rohr mit Aufputz-Wandscheibe anschließen. Der anstehende geodätische Druck von ca. 0,2 bar ist mehr als ausreichend für die Nutzung einer Hygienedusche beziehungsweise eines Dusch-WC.
Schließt man diese Einrichtung indirekt an, kann man noch eine Absperrung zwischen Spülkasten und Hygienedusche/Dusch-WC installieren und den so anstehenden Wasserdruck einstellbar gestalten – das geht am einfachsten über ein handelsübliches Eckregulierventil.
Aufputz- oder Unterputzspülkästen mit Hygienedusche und Dusch-WC?
Dieses vorgenannte Installationsprinzip lässt sich für beide Varianten mit Aufputz- und Unterputzspülkästen gleichermaßen realisieren. In beiden Fällen benötigt man eine Fernauslösung des hoch hängenden Spülkastens. Auch dies kennt die Zielgruppe aus ihrer Heimat. Die Aufputzlösung ist deutlich kostengünstiger und problemlos nachrüstbar. Letztendlich geht es aber in den meisten Fällen weniger um die Ästhetik, sondern um eine auf die Situation und Anforderungen abgestimmte kostengünstige und funktionale Lösung.
Hygieneduschen immer rechts vom WC installieren
Die Hygienedusche beziehungsweise das Eckregulierventil für ein einfaches Dusch-WC sollte immer in Sitzrichtung rechts von der Toilette installiert sein. Denn jede der beiden Hände wird religiös eine klare Aufgabe zugewiesen. Die rechte Hand ist die saubere Hand, die linke ist die reinigende Hand. Somit wird die Hygienedusche auch mit rechts gehalten.
Waschtischhöhe verringern?
Sicherlich gibt es gute Gründe für die übliche Befestigungshöhe von 85 Zentimetern bei Waschtischen. Wenn diese gut befestigt sind (auch im Altbau), erfordern sie bei der Fußwaschung zwar eine hohe Gelenkigkeit. Es geht aber von ihnen keine erhöhte Unfall- und Verletzungsgefahr durch einen abbrechenden Waschtisch aus.
Dort aber, wo man den Komfort erhöhen möchte oder wie in Moscheen von regelmäßigen rituellen Waschungen der Füße ausgehen muss, könnte man die Waschtische auf ungefähr 60 Zentimeter Höhe hängen. Im gehobenen Wohnungsbau können auch höhenverstellbare Waschtische eine Alternative sein.
Chance für Vermieter
Ist man sich der wenigen Unterschiede im Sanitärraum bewusst, sind sie keine besondere technisch-wirtschaftliche Herausforderung für Investoren, Planer oder Fachhandwerker. Hygieneduschen und Dusch-WCs sind beim Großhandel genauso erhältlich wie der zugehörige Schell-Aufputz-Spülkasten, der als Besonderheit an der Unterkante über eine horizontale Dichtfläche für den Hygieneduschen-Abgang verfügt.
Das Thema wird jedoch die Wohnungswirtschaft noch über längere Zeit beschäftigen. Denn zum einen sind sie für die Trinkwasserbeschaffenheit in ihren Gebäuden verantwortlich, zum anderen sind Moslems zumindest regional eine interessante Mietergruppe – nicht zuletzt im anstehenden Wohnungsbauprogramm aufgrund der Flüchtlinge. Bietet man ihnen entsprechend ausgestattete bzw. vorgerüstete Wohnungen an, kann dies der ausschlaggebende Mietgrund sein.
Religiöse Gewohnheiten im Islam
Hygiene spielt seit Jahrhunderten eine sehr wichtige Rolle im Leben von Moslems. Sie ist unverzichtbarer Bestandteil des Alltags, um beispielsweise nach dem Toilettengang oder der Nacht die rituelle Reinheit vor dem nächsten Gebet wieder zu erlangen. Hinzu kommen Waschungen von Händen, Nase, Mund, Gesicht, Unterarmen, Kopf, Ohren, Nacken und Füßen. Dazu wird fließendes Wasser benötigt. Nur in Ausnahmefällen wie auf öffentlichen Toiletten behilft man sich mit kleinen Wassergefäßen.
Absicherung von Nicht-Trinkwasser gemäß DIN EN 1717
Gemäß DIN EN 1717 ist es notwendig, z. B. eine Hygienedusche oder ein Dusch-WC nach Kategorie 5 abzusichern. Kategorie 5 beschreibt „Flüssigkeit, die eine Gesundheitsgefährdung für Menschen durch die Anwesenheit von mikrobiellen oder viruellen Erregern übertragbarer Krankheiten darstellt“. Sie gilt auch für den Übergang von Trinkwasserinstallationen auf abwasserführende Einrichtungen. Jede Sanitärarmatur erfüllt sie, indem sich der Auslauf mindestens 20 mm über der Waschtischoberkante befindet. Erreicht wird dies beim Anschluss technischer Einrichtungen vor allem über einen freien Auslauf AA, AB oder AD in einen Vorlagebehälter, der dann meist über eine Pumpe für die notwendige Wasserversorgung im nachgelagerten Apparat verfügt. Dies kennt man beispielsweise von Zahnarztstühlen. Auch jeder WC-Spülkasten verfügt über einen freien Auslauf des Trinkwassers von mindestens 20 mm Höhe über der maximalen Stauhöhe des Wassers. Nur so kann sicher verhindert werden, dass bei einem Unterdruck im System kein bakterienhaltiges Wasser zurück in die Trinkwasserinstallation gelangen kann.
Zusammenfassung der Maßnahmen
- Anbringen von Erklärungen und Piktogrammen, dass man das Wasser in Deutschland bedenkenlos trinken und sogar für die Zubereitung von Babynahrung verwenden kann. Alternativ wird Flaschenwasser gekauft.
- Installation einiger Waschbecken auf 60 cm Höhe statt auf 85 cm Höhe. So lässt sich die Unfallgefahr durch herausbrechende Waschbecken während der Fußwaschungen reduzieren.
- Hygieneduschen anbieten – das verhindert unerwünschte und unsachgemäße „Eigeninstallationen“ in den Wohnungen. Vermieter bekommen das oftmals nicht mit. In Notunterkünften reduzieren Hygieneduschen den Papierbedarf deutlich, da nur noch getrocknet werden muss.
- Bereitstellung von Eimern in den Toiletten, sonst verschmutzen die Räume unnötig. Die Eimer dienen der Aufnahme von Papier. Zuwanderer sind das gewohnt, da in den Herkunftsländern oftmals kein Papier in das WC darf.
- Mit Piktogrammen z. B. die Nutzung von Duschen als Stehtoilette oder von Sitz-WCs als Steh-WC minimieren.
Dr. Peter Arens ist Hygienespezialist und Leiter Produktmanagement bei der Schell GmbH & Co.KG, Olpe.