Coronaviren: Vorsprung durch Nachweis im Abwasser
Mehrere Tage bevor die ersten Krankheitssymptome auftreten, sind Coronaviren bereits im Abwasser nachweisbar. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) arbeiten Forschende deshalb an der Entwicklung eines deutschlandweiten Frühwarnsystems.
Mit Hilfe eines bundesweiten Abwasser-Monitorings könne man die Fallzahlen schneller erheben, das Infektionsgeschehen präziser abbilden sowie neue COVID-19-Varianten und deren Verbreitung früher erkennen, so die Forschenden des KIT. Das Institut koordiniert den Projektverbund „Systematische Überwachung von SARS-CoV-2 im Abwasser“, der derzeit prüft, ob und wie in Deutschland ein abwasserbasiertes COVID-19-Frühwarnsystem umgesetzt werden könnte. Weitere Partner des von der Europäischen Union mit rund 3,7 Millionen Euro geförderten Vorhabens sind die Technische Universität Darmstadt, das Umweltbundesamt und das Robert Koch-Institut.
Abwasserkontrolle: Regelmäßige Probennahme an 20 Standorten
„Dieses ressortübergreifende Forschungsvorhaben bietet die Chance, das wissenschaftliche Know-how und bisherige Erfahrungen im Abwassermonitoring deutschlandweit zu bündeln und bei der Eindämmung der COVID-19-Pandemie systematisch zu nutzen“, sagt Dr. Verena Höckele, Projektkoordinatorin beim Projektträger Karlsruhe (PTKA) am KIT. In das im Februar 2022 gestartete und ein Jahr laufende Pilotprojekt steigen sukzessive bundesweit 20 Standorte ein. An diesen werden zweimal pro Woche und über einen Zeitraum von jeweils 24 Stunden Mischwasserproben aus dem Zulauf der Kläranlagen entnommen, aufbereitet und mittels eines PCR-Tests analysiert. Anschließend sollen die Ergebnisse mit den Pandemiedaten der örtlichen Gesundheitsämter verknüpft werden und nach Möglichkeit in die pandemische Lagebeurteilung einfließen.
Corona-Nachweis: Bisher keine bundesweite Analyse
„Das Verfahren, die Häufigkeit und Dynamik von SARS-CoV-2 Viren über das kommunale Abwasser zu bestimmen, wurde in Deutschland bereits im Zuge einzelner Forschungsprojekte erfolgreich erprobt“, so Professor Harald Horn, Leiter des Bereichs Wasserchemie und Wassertechnologie am Engler-Bunte-Institut des KIT. Es könne nicht nur dazu beitragen, die Dunkelziffer von Infizierten besser abzuschätzen, sondern auch die Verbreitung von Varianten und Mutationen schneller zu erkennen als es durch die Testung einzelner Personen möglich sei, ist Horn überzeugt. Auch an der Technischen Universität Berlin forscht man derzeit im Projekt „PrePat“ dazu, wie Wasserversorger und lokale Behörden zuverlässig vorhersagen können, wie weit und wie schnell sich Bakterien und Viren in einem Wassereinzugsgebiet ausbreiten (die HLH berichtete).
Im Rahmen des Karlsruher Projekts wollen die Forschenden nun auf Basis vergleichbarer Ergebnisse analysieren, welche Methoden sich für ein flächendeckendes Monitoring eignen könnten und welche Daten hierfür erhoben werden müssen, um Coronaviren im komplex zusammengesetzten Abwasser nachweisen zu können. Dies zeigt sich aktuell bei der Erfassung der Omikron-Variante, deren Virenfragmente vorwiegend über die oberen Atemwege ausgeschieden werden und im Vergleich zur Delta-Variante nur zu einem Drittel ins Abwasser gelangen. Eine besondere Herausforderung für die Forschenden ist deshalb, die Qualität der Probenentnahme, der Laboranalyse und der Datenauswertung weiter zu verbessern. Am Ende der Pilotphase steht die Entscheidung, ob für Deutschland ein flächendeckendes Abwassermonitoring oder eher ein repräsentatives Monitoring empfohlen werden soll. Ein solches flächendeckendes Frühwarnsystem gegen COVID-19, das sich perspektivisch auch für andere Krankheitserreger wie zum Beispiel Polio oder Grippeviren eignen würde, ist bereits in den Niederlanden, Kanada und Australien im Einsatz.
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