Nationale Wasserstrategie: Mehr Bewusstsein für die Ressource Wasser
Überhitzte Innenstädte, verschmutzte Gewässer: Deutschland hat Nachholbedarf wenn es um die Ressource Wasser geht. Jetzt hat das Bundesumweltministerium (BMU) einen Vorschlag für eine Nationale Wasserstrategie vorgelegt. In den kommenden Monaten soll er weiter diskutiert und abgestimmt werden.
Im Gegensatz zur Kreislaufführung von Kühl- und Prozesswasser in der produzierenden Wirtschaft steht die Kreislaufführung von genutztem Trinkwasser oder die Bewirtschaftung von Regenwasser in Gebäuden, Städten und Gemeinden erst am Anfang. Intelligente Systeme, die zum Beispiel Gebäudekühlung, Brauchwasserbereitstellung, Bewässerung von Gärten sowie Dach- und Fassadenbegrünungen kombinieren, sind umsetzbar und sinnvoll, die Stadt-, Quartiers- und Gebäudeplaner wie auch die Versorgungstechniker greifen aber nicht zu. Der Entwurf einer Nationalen Wasserstrategie, den Umweltministerin Svenja Schulze Anfang Juni vorlegte, spricht klare Worte. Auch, dass es so nicht weitergehen kann und nicht weitergehen wird. Einfach deshalb, weil Klimawandel, Flächenversiegelung, Kohleausstieg und damit das Gebot zur Energieeffizienz ein Wassermanagement zukünftig zur Pflicht macht.
Verantwortungsbewusster Umgang mit der Ressource Wasser
Die Auswirkungen des eigenen Verhaltens und des Konsums auf die Belastung der Gewässer – durch die Verwendung und Entsorgung von schadstoffhaltigen Produkten (Medikamente, PSM, Biozide, behandelte Materialien) – und die Strapazierung der verfügbaren Wasserressourcen durch den unbekümmerten Verbrauch wasserintensiv hergestellter Güter, sind vielen Menschen nicht bekannt. Der Wert des Wassers in seiner Gesamtheit muss daher im gesellschaftlichen und politischen Bewusstsein präsenter werden. Dies setzt transparente Information über die Wirkungen des eigenen Verhaltens und Konsums voraus. Daraus folgt: Die Gewässer müssen so bewirtschaftet werden, dass ihre Funktionsfähigkeit und Widerstandskraft verbessert, wiederhergestellt und die Versorgung langfristig gesichert werden. Die Auswirkungen des Klimawandels und die Erfordernisse zum Schutz der Biodiversität sind zu berücksichtigen. Zu den Details gehören, dass
- es über effiziente Techniken gelingt, vom Menschen verursachte Belastungen von Gewässern auf ein geringfügiges Maß zu reduzieren;
- das Vorsorgeprinzip und das Verursacherprinzip in allen wasserabhängigen Sektoren konsequent im Mittelpunkt des Handelns stehen;
- eine nachhaltige Nutzung von Energie und Ressourcen gewährleistet ist;
- Gewässer als vielfältige Lebensräume in einem naturnahen Zustand entwickelt werden sowie erhalten bleiben und der Wasserhaushalt so gering wie möglich beeinträchtigt ist;
- Übernutzungen der Wasserressourcen vermieden werden, auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen des Klimawandels und
- Vorsorge für Mensch und Umwelt getroffen wird, einschließlich der Vermeidung von Schäden durch Extremereignisse.
Recht auf Sanitärversorgung
Svenja Schulze: „Die Nationale Wasserstrategie soll dazu beitragen, uns besser auf die anstehenden Veränderungen einzustellen – etwa, wenn aus regenreichen Regionen regenarme werden. Sie soll außerdem den besonderen Wert des Wassers stärker ins Bewusstsein der Gesellschaft rücken. Es geht außerdem darum, wie wir in Deutschland zu einem nachhaltigen Umgang mit Wasser und Gewässern in anderen Ländern beitragen können und zur Verwirklichung des Menschenrechts auf sauberes Wasser und Sanitärversorgung.“ Im Nationalen Wasserdialog, den das BMU und das Umweltbundesamt (UBA) zwischen Oktober 2018 und Oktober 2020 durchgeführt haben, wurden die vielfältigen Herausforderungen für die Wasserwirtschaft mit Fachleuten der betroffenen Sektoren diskutiert, strategische Ziele formuliert und erste Ideen für Lösungen entwickelt. Der Dialogprozess verdeutlichte den Bedarf einer Nationalen Wasserstrategie und lieferte wichtige Impulse für die Erarbeitung der Strategie.
Es sind Forschungsstrukturen (Reallabore) geplant, die es ermöglichen, neuartige Konzepte – wie die wassersensible Stadt und die Nutzung neuartiger Sanitärsysteme (NASS) – in der Praxis und großflächig umzusetzen und eine breite gesellschaftliche und wirtschaftliche Akzeptanz dafür zu schaffen. Forschung in diesem Bereich soll Wassermengen und verschiedene Wasserqualitäten berücksichtigen, um Risiken für alle (inklusive Umwelt und Gesundheit) zu reduzieren und somit perspektivisch den Weg für eine Umsetzung zu ebnen.
Aktionsprogramm Wasser: Was betrifft die TGA?
Der Entwurf umfasst 57 Vorschläge, in der Vorlage als Aktionen bezeichnet. Sie konzentrieren sich auf den Zeitraum bis 2030. Untergliedert sind sie in Vorhaben, die in den nächsten fünf Jahren begonnen (kurzfristig) werden sollten, und solchen, die darauf aufbauend eher für die zweite Hälfte des Jahrzehnts (mittelfristig) angedacht sind. Den TGA-Bereich berühren unter anderem folgende Punkte:
- 1. Kommunikationsstrategie „Wasser“ – Konzeption und Umsetzung einer langjährigen Kommunikationsstrategie zum Thema Wasser im Rahmen der UN-Wasserdekade. Diese Strategie soll auf verschiedene Zielgruppen (Kinder, Erwachsene, Landwirte, Gewerbetreibende) ausgerichtet werden. Folgende Inhalte sollen darin einfließen: Gewässerverschmutzung durch Stoffe (Nitrat, Mikroplastik und Arzneimittel), Wert von Ökosystemen, Wert von sauberem Trinkwasser (Gesundheit), Wert einer funktionierenden Wasserversorgung, Wichtigkeit der Abwasserentsorgung, Anpassung an den Klimawandel (Wassernutzung), Konsum und Wasserverbrauch, Naturschutz, Regenwasserversickerung. Die Kommunikationsstrategie wird im Rahmen von Medienpartnerschaften und Werbung für den Zeitraum von zumindest zehn Jahren umgesetzt.
- 7. Schaffung eines Forschungs- und Demonstrationsfelds für innovative Wasser- und Abwassertechnik. Ziel ist der Aufbau eines auf Dauer angelegten Demonstrationsstandorts für innovative Wasser- und Abwassertechnik unter Praxisbedingungen und intensiver wissenschaftlicher Begleitung, wie auch in Kombination mit einem Schulungszentrum für die Aus- und Weiterbildung. Das Forschungs- und Demonstrationsfeld soll eine Plattform für Start-ups und wissenschaftliche Kooperationen zur Überführung innovativer Entwicklungen in die praktische Anwendung schaffen. Die Aus- und Weiterbildung auch ausländischer Fachleute soll über innovative Konzepte international verbreitet und damit auch eine wichtige Voraussetzung für künftige Kooperationen und Exporte geschaffen werden.
- 9. Wasserfußabdruck. Die Methodik und die Maßeinheit des Wasserfußabdrucks werden einer breiten Öffentlichkeit als einheitliche Kennzeichnung des Wassereinsatzes bekannt gemacht und als Orientierung genutzt. Dies dient auch dazu, den Wasserfußabdruck Deutschlands in der Welt zu reduzieren.
- 12. Wasserwirtschaftliche (technische) Regelwerke klimafit machen. Innovative und zukunftsweisende Lösungen werden gefördert. Die regelsetzenden Institutionen werden darin unterstützt, gute Beispiele als anerkannten Stand der Technik zu etablieren.
- 19. Hilfestellung zur Sektorkopplung Wasser erarbeiten. Auf der Grundlage bestehender Forschungsergebnisse und Pilotprojekte werden Hilfestellungen für Infrastrukturbetreiber entwickelt („zeigen, was machbar ist“), um die Schaffung von sektorgekoppelten, klimaneutralen und ressourceneffizienten Wasser- und Abwassersystemen zu unterstützen. Dies umfasst technische, rechtliche, finanzielle und organisatorische Aspekte.
- 20. Stärkung der Wasserwiederverwendung. Die Wasserwiederverwendung wird vor allem in Städten und Regionen mit anhaltender sommerlicher Trockenheit als Klimaanpassungsmaßnahme relevant werden. Es werden gemeinsam Leitplanken und Anwendungsvorschriften für die Nutzung von aufbereitetem Abwasser (zusätzlich zur Umsetzung der EU VO 2020/741 für die Bewässerung in der Landwirtschaft / Umsetzung der EU VO) entwickelt. Weiterhin werden Leitlinien für die Wasserwiederverwendung und -mehrfachnutzung (beispielsweise von Niederschlagswasser) in der kommunalen Bauleitplanung und in den Wasserversorgungskonzepten für Stadtteile und Industrieanlagen entwickelt.
- 29. Mikrobiologische Gesundheitsgefahren erkennen (Pandemievorsorge). Durch den Aufbau eines Abwassermonitorings sollen Gesundheitsgefahren durch Krankheitserreger (Bakterien, Viren) für die Bevölkerung frühzeitig detektiert werden.
- 43. Leitbild der „wassersensiblen Stadt“ weiterentwickeln und in Umsetzung bringen. Das Leitbild der „wassersensiblen Stadt“ (Schwammstadt) wird praxisnah und umsetzbar weiterentwickelt, um den nachhaltigen Umgang mit Niederschlagswasser in Städten zu stärken (Versickerung, Verdunstung, Speicherung sowie Umgang mit Starkregen) und Anpassungsmöglichkeiten an Trockenheit und Hitze in Städten zu erschließen. Technische Ansätze, soziale Akzeptanz und mögliche Risiken für Umwelt und Gesundheit sollen dabei weiter geklärt und Musterempfehlungen erarbeitet werden. Die unterschiedlichen Bereiche, wie das kommunale Flächenmanagement, Bau- und Wasserrecht, Finanzierung- und Haftungsfragen sowie bestehende technischen Regeln sollen zusammengeführt und Anpassungsbedarfe identifiziert werden.
Mit Schwammstadt ist ein Konzept gemeint, dass den Niederschlag wie ein Schwamm aussaugt und nach dem Regen- oder Starkregenereignis dosiert an die Umwelt abgibt. Instrumente dieser Art der Regenwasserbewirtschaftung sind etwa die Gebäudebegrünung, Regenwassernutzung, Versickerungsanlagen, Entsiegelung, Teiche und auch klassische Regenspeicher. Sie entlasten zum einen die Kanalisation und tragen so zum Gewässerschutz bei. Zum anderen verbessern respektive erhalten sie das Stadtklima, die Freiraumqualität und die Artenvielfalt. Stadtklima: Zu den Extremereignissen zählt außer dem Starkregen auch das vermehrte Auftreten von sogenannten urbanen Hitzeinseln (Urban heat islands/effect) und langanhaltenden Trockenheiten. So heizen sich in stark versiegelten Bereichen einer Stadt die Glas-, Stahl- und Betonfassaden auf. Eine mögliche Kühlung durch verdunstendes Wasser wird durch die sofortige Ableitung des fallenden Niederschlags verhindert. Eine Begrünung von Oberflächen (Dächern, Fassaden, Straßenzügen) fördert die Verdunstungskühlung und wirkt der Entstehung von Hitzeinseln entgegen. Darüber hinaus verbessert generell die verzögerte und gedrosselte Ableitung eines Teils des Niederschlags unter anderem über die erhöhte Verdunstung der Dach- und Fassadenbiotope das Stadtklima.
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