Nutzung von Regenwasser als Löschwasser
Meist stehen bei dem Thema Klimawandel eher die Temperaturen im Vordergrund. Doch der Blick muss sich auch immer mehr auf den Niederschlag richten, denn extremer Starkregen, wie die letzten Jahre aufzeigten, können enorme Schäden verursachen.
Der Niederschlag ist die entscheidende Quelle für das Auffüllen der Wasservorräte in der Natur. In der Landschaft wird der größte Anteil des Regens von den Böden und Pflanzen aufgenommen und verdunstet oder gelangt zur Tiefenversickerung. Für Deutschland mit seinen ca. 357 000 km² erfolgt dies auf etwa 50 % landwirtschaftlich genutzter und 30 % bewaldeter Fläche. Während es bei diesen Flächen kaum zu Problemen kommt, stellen die durch Gebäude (ca. 7 %) und Verkehrsflächen (ca. 5 %) versiegelten Böden die Städte- und TGA-Planer vor neue Herausforderungen, denn nur noch ein geringer Anteil des Regenwassers gelangt hier zur Versickerung. Und täglich kommen um die 80 ha hinzu. Die Folgen sind über die Ufer tretende Fluss- und Bachläufe, überschwemmte Straßen sowie überflutete Kellergeschosse und Unterführungen. Aber wohin mit dem Wasser? Abhilfe können neue Denkansätze zur Regenwasserbewirtschaftung geben.
Wandel der Regenwasserbewirtschaftung
„Die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung hat sich als ‚Mittel der Wahl‘ für die Anpassung bestehender Entwässerungssysteme an die Herausforderungen des Klimawandels herausgestellt. Eine simple Vergrößerung der Kanalnetze führt dagegen zu enormen Kosten und verlagert die Probleme nur“, so ein Statement von Harald Sommer von der Ingenieurgesellschaft Prof. Sieker mbH auf einer Medienveranstaltung zum Thema „Regenwasserbewirtschaftung im Klimawandel“. Ergänzend führt er an, dass trotz erheblicher Investitionen noch immer etwa 30–40 Mal im Jahr ungereinigtes Abwasser in die Gewässer gelänge. Diese Tatsache führt zur Verunreinigung von Grundwasser und steht im Widerspruch zum Gesetz zur „Ordnung des Wasserhaushalts“ (Wasserhaushaltsgesetz – WHG). Denn nach § 1 WHG ist der Zweck dieses Gesetzes, „durch eine nachhaltige Gewässerbewirtschaftung die Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts, als Lebensgrundlage des Menschen, als Lebensraum für Tiere und Pflanzen sowie als nutzbares Gut zu schützen.“ Anwendung findet dieses Gesetz u. a. in oberirdischen und Küstengewässer sowie beim Grundwasser.
„Jedes Fallrohr zum Kanal“ war früher die Devise, so Dipl.-Ing. Martin Lienhard, Leiter der Technischen Abteilung der Mall GmbH, auf der Veranstaltung. Doch in den letzten 20 Jahren setzte ein grundlegender Wandel im Umgang mit dem Regenwasser ein und neue Vorgaben wurden geschaffen. So regelt die im Mai 2008 erschienene und aktualisierte Fassung der Norm DIN 1986–100 (Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Bestimmungen) in Verbindung mit DIN EN 752 (Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden) und DIN EN 12056 (Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden) neue Anforderungen und Lösungsansätze im Bereich der Regenentwässerung und schuf ein kompaktes Regelwerk für die Planung und Ausführung von Entwässerungsanlagen in Deutschland. Doch auch das WHG, dessen Neufassung am 01. März 2010 in Kraft trat, regelt den Umgang mit dem Regenwasser. In ihm sind u. a. die Grundlagen der Bewirtschaftung von Gewässern und auch die Abwasserbeseitigung geregelt.
War es lange Zeit Usus, Regenwasser undifferenziert aus versiegelten Flächen abzuleiten, so bemüht man sich bei der modernen Regenwassernutzung, den natürlichen Kreislauf des Wassers auch in urbanisierten Gebieten möglichst zu erhalten. So eignen sich Flächenbefestigungen aus versickerungsfähigen Betonsystemen, der zunehmenden Flächenversiegelung entgegenzutreten. Aber auch Regenwassernutzungsanlagen können hier zum Einsatz kommen. Im Sinne der Nachhaltigkeit sollte Regenwasser in allen Bereich Verwendung finden, in denen keine Trinkwasserqualität verlangt wird. Darunter fallen Toilettenspülung, Waschmaschine, Bewässerung und gewerbliche Zwecke. Außerdem verringert die Nutzung des Regenwassers die Abwassermenge in den Regionen, in denen eine Mischkanalisation vorliegt, was in ca. 80 % der deutschen Kommunen der Fall ist.
Zur Befüllung der Regenwasserspeicher fließt das Dachablauf-Regenwasser über ein Zuleitungssystem und einem vorgeschalteten Filter zu einem speziellen Regenwassertank. Dieser muss kühl (18 °C) und dunkel gelagert sein, um Wachstum von Algen und Bakterien zu verhindern, wobei sich unterirdische Zisternen im Erdreich besonders eignen. Wie auch bei der Grauwassernutzung ist hier auf eine strikte Trennung vom Trink- und Regenwassersystem zu achten. Zudem muss die Regenwassernutzungsanlage mit ihren Schutzvorrichtungen nach DIN EN 13564 (Rückstauverschlüsse für Gebäude) zweimal pro Jahr sorgfältig gewartet und gereinigt werden.
Nutzungsmöglichkeiten
Das aufgefangene Regenwasser kann vielfältig Verwendung finden, u. a. zur Kühlung, denn im Vergleich zur Kühlung mit Trinkwasser bietet Regenwasser dabei den Vorteil, dass es Energie spart und ressourcenschonend ist. Zudem sind bei der Regenwassernutzung für die adiabate Abluftkühlung weitere Synergien zu erzielen, da Regenwasser einen geringen Salz- und Kalkgehalt aufweist.
Eine weitere Methode der nachhaltigen Regenwasserbewirtschaftung ist die Nutzung als Löschwasser, denn Löschwasser-Rückhaltung stellt einen Teil eines ganzheitlichen Brandschutz- und Sicherheitskonzepts dar. Hierfür wird das Regenwasser von der Auffangfläche über eine Regenwassersammelleitung mit Filter in einen unterirdischen, überdeckten Speicher mit einer oder mehreren Löschwasserentnahmestellen geleitet.
Über die speziellen Anforderungen an die Einzelkomponenten geben die „Richtlinien für Löschwasser-Rückhalteanlagen – Anforderungen und Prüfmethoden für Bauteile und Systeme“ (VDS 2564) Auskunft. Dabei erfolgt die Bemessung der Regenrückhaltebecken entweder mittels statischer Niederschlagsdaten und dem einfachen Verfahren nach DWA-A 117 (Bemessung von Regenrückhalteräumen) für kleine und einfach strukturierte Entwässerungssysteme oder mittels Niederschlagsabfluss-Langzeit-Simulation.
Von einer Löschwasser-Rückhaltung profitiert auch der Neubau des SOS-Kinderdorfs auf der Lehrter Straße in Berlin.
Verbaut wurde hier der Mall-Löschwasserbehälter LW 150 mit einem Nenninhalt von 150,00 m³, der zukünftig die Sprinkler des Neubaus versorgt. Dieser Löschwasserbehälter nach DIN 14230 („Unterirdische Löschwasserbehälter“), der wegen seiner Größe in Einzelteilen zur Baustelle transportiert und vor Ort zusammengesetzt wurde, wird gemäß unter den zu berücksichtigen bau-, wasser- und gefahrengutrechtlichen Vorschriften im Erdreich eingebracht. Zu den Einzelkomponenten dieses 11 500 x 6 000 mm großen und 3 550 mm hohen Löschwasserbehälters gehören u. a. ein Edelstahl-Saugrohr DN 125, ein Edelstahl-Lüftungsrohr DN 100 sowie ein Notüberlauf DN 200. Ein solches dezentrales System bietet nicht nur den Vorteil, dass in einem Brandfall eine vom Trinkwassernetz unabhängige Versorgung mit Löschwasser möglich ist, sondern, so das Unternehmen, dass bei Neubauten auch reduzierte Querschnitte der Trinkwasserversorgung ermöglicht werden.
Dass diese Maßnahmen ankommen, machte Markus Böll, Pressesprecher der Mall GmbH, an einer im März 2015 durchgeführten bundesweit repräsentativen Planerumfrage zur dezentralen Regenwasserbewirtschaftung deutlich. Von den 1 900 befragten Architekten, Ingenieuren und Behörden sehen 80 % die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung positiv. 90 % der Teilnehmer haben nur gute Erfahrungen mit dem dezentralen Umgang mit Regenwasser gemacht, die im Kern aus praktischen Maßnahmen zur Versickerung und Rückhaltung, Nutzung und Behandlung von Regenwasser bestehen. 97 % erwarten eine gleichbleibende bzw. verstärkte Nachfrage der Regenwasserbewirtschaftung in den nächsten Jahren, denn die Themen der Zukunft sind Starkregen, Regenwasserversickerung und -behandlung sowie die Gestaltung des urbanen Stadtklimas.