Ausschreibungen: Wann dürfen Angebote ausgeschlossen werden?
Öffentliche Auftraggeber sind zur Ausschreibung von Leistungen verpflichtet. Dennoch können Sie Angebote von Bietern unter bestimmten Voraussetzungen ausschließen.
Zwei Entscheidungen werfen Licht auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Ausschluss möglich ist, und können eine Hilfestellung bei der Entscheidung sein. Das BayObLG (Beschluss vom 29.5.2024 – Verg 16/23) hatte über einen Ausschluss nach Paragraf 124 Absatz 1 Nr. 3 GWB zu entscheiden, der Paragraf 16 Absatz 2 Nr. 3 VOB/A und Paragraf 6e EU Absatz 6 Nr. 3 VOB/A entspricht: Danach kann ein Angebot ausgeschlossen werden, wenn der Unternehmer im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen hat, die dessen Integrität in Frage stellt. Es muss sich um erhebliche Rechtsverstöße handeln, die geeignet sind, die Zuverlässigkeit des Bieters grundlegend in Frage zu stellen. Solche Verstöße müssen schuldhaft erfolgt sein und erhebliche Folgen gehabt haben. Nicht jede nicht ordnungsgemäße, ungenaue oder mangelhafte Erfüllung eines Vertrags ist daher als schwere Verfehlung anzusehen. Vielmehr müssen aufgrund des Fehlverhaltens berechtigte Zweifel an der Integrität des Unternehmens bestehen. Auch Vertragsverletzungen können darunter fallen. Schließlich muss die Verfehlung „nachweislich“ begangen worden sein. Eine rechtskräftige Feststellung ist nicht erforderlich. Der Nachweis kann insbesondere durch schriftlich fixierte Zeugenaussagen, sonstige Aufzeichnungen, Belege, Schriftstücke oder andere objektivierte Anhaltspunkte für die fraglichen Verfehlungen geführt werden. Bloße Vermutungen oder Verdachtsmomente genügen nicht. Weder der Auftraggeber noch die Nachprüfungsinstanzen müssen allerdings eine umfangreiche Beweisaufnahme durch Zeugenaussagen oder Sachverständigengutachten durchführen, weil das dem Interesse an einer zügigen Vergabe widersprechen würde. Wie weit der Auftraggeber gehen muss, ist allerdings nicht unumstritten.
Ausschluss bei „mangelhafter Erfüllung“ möglich
Wichtig ist zum einen die Schwere der Verstöße, die derart beschaffen sein muss, dass aus Sicht des Auftraggebers (dies ist eine nur eingeschränkt überprüfbare Prognoseentscheidung) die Integrität des Bieters nicht mehr bejaht werden kann. Zum anderen müssen objektivierbare Nachweise vorgelegt werden können.
Nach Paragraf 124 Absatz 1 Nr. 7 GWB (vgl. Paragraf 6e EU Absatz 6 Nr. 7 VOB/A) kann ein Unternehmen ausgeschlossen werden, das bei einem früheren öffentlichen Auftrag eine wesentliche Anforderung erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat, wenn dies zur Kündigung, zu Schadensersatz oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat. Dazu hat die Vergabekammer des Bundes (Beschl. v. 29.2.2024 – VK 1–12/24) Stellung genommen.
Der Begriff der mangelhaften Erfüllung ist nicht im zivilrechtlichen Sinne eines Mangels zu verstehen, sondern umfassend im Sinn einer nicht vertragsgerechten Erfüllung. Erfasst werden nicht nur Verstöße gegen vertragliche Hauptpflichten, sondern auch gegen Nebenpflichten (zum Beispiel mangelnde Besetzung der Baustelle, Fernbleiben von Jour-Fixen, Fernbleiben von Monteuren von der Baustelle). Erheblich ist eine Pflichtverletzung, wenn sie den Auftraggeber in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht deutlich belastet. Die aus dem Verhalten des Auftragnehmers resultierende Verzögerung des Bauablaufs und die aus der daraufhin erfolgten Kündigung sich ergebende weitere Verzögerung und finanzielle Belastung (Kosten der Ersatzvornahme) belegen eine erhebliche Pflichtverletzung. Die vertraglichen Anforderungen, die mangelhaft erfüllt worden sind, müssen wesentlich sein. Darunter wird insbesondere ein Leistungsausfall verstanden, aber auch der Verstoß gegen wesentliche Nebenpflichten (etwa auch Verstöße gegen die Verpflichtung zur Vertraulichkeit oder gegen wesentliche Sicherheitsauflagen) wird als hinreichend anerkannt.
Pflichtverletzung muss Konsequenzen gehabt haben
Die Pflichtverletzung muss zur Kündigung, zu Schadensersatz oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt haben; bloß – auch gravierende – Pflichtverletzungen genügen nicht. Als vergleichbare Rechtsfolge werden auch der Rücktritt vom Vertrag, die Ersatzvornahme nach erfolgloser Fristsetzung oder eine Minderung der Vergütung oder das Verlangen nach umfangreichen Nachbesserungen angesehen. Die Rechtsfolge muss nicht gerichtlich bestätigt worden sein. Es genügt, dass etwa die Kündigung klaglos hingenommen worden ist. Aber auch die Tatsache, dass der Bieter die Kündigung nicht hingenommen oder gar dagegen geklagt hat, soll einen Ausschluss nicht hindern. Der Ausgang des Prozesses muss nicht abgewartet werden.
Der Auftraggeber muss eine Ermessensentscheidung treffen und gleichzeitig eine Prognose darüber vornehmen, ob trotz des Vorliegens des Ausschlussgrundes zukünftig eine sorgfältige, ordnungsgemäße und gesetzestreue Auftragsdurchführung zu erwarten ist. Bereits die Schlechterfüllung im Rahmen des zurückliegenden Bauvorhabens für sich genommen, kann die Annahme einer ungünstigen Prognose mit Blick auf zukünftige Auftragsdurchführungen rechtfertigen. Das gilt erst recht, wenn der Bieter das Verhalten im Vergabeverfahren in Abrede stellt.
Vor einer Ausschlussentscheidung – sei es nach Paragraf 124 Absatz 1 Nr. 3 oder Nr. 7 GWB – ist der Auftraggeber gehalten, den Bieter zu dem geplanten Ausschluss anzuhören und ihm die Möglichkeit zu geben, die Vorwürfe zu entkräften beziehungsweise Selbstreinigungsmaßnahmen vorzutragen.
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