Baupraxis: Ohne Anordnung keine Bezahlung?
Grundsätzlich erhält ein Auftragnehmer keine Vergütung, wenn er eigenmächtig vom Vertrag abweicht oder über den Vertrag hinaus Leistungen erbringt (Paragraf 2 Absatz 8 Nr. 1 Satz 1 VOB/B). In Ausnahmefällen kann ein Anspruch jedoch berechtigt sein.
Im konkreten Beispiel hatte das Oberlandesgericht Köln (Beschluss vom 27. 5. 2021 – 16 U 192/20) über einen Fall zu entscheiden, der ungewöhnliche Leistungen zum Gegenstand hatte, aber verallgemeinerungsfähig ist: Die Beklagte hatte den Kläger auf der Basis der VOB/B mit Baumpflegearbeiten (Kronenpflege) beauftragt. Die Leistung ist erbracht und abgenommen worden. Der Kläger macht einen Nachtrag für Leistungen der Kronenauslichtung geltend. Ein Mitarbeiter der Beklagten habe die Auslichtung mit den Worten „Ich muss von unten die Kronenspitze sehen können, und alle Äste dazwischen müssen raus“ zusätzlich beauftragt. Da die Beklagte den Nachtrag nicht vergüten will, klagt der Kläger diesen Betrag ein. Das OLG Köln hat entschieden, dass dem Kläger keine Vergütung für die Nachtragsleistung zustehe. Das OLG kommt durch Auslegung des Vertrages zu dem Ergebnis, dass die angeblichen Zusatzleistungen bereits vom vereinbarten Leistungssoll umfasst gewesen seien. Das Gericht setzt sich aber darüber hinaus mit der Frage auseinander, ob ein Vergütungsanspruch bestünde, wenn es sich tatsächlich um eine zusätzliche Leistung gehandelt hätte.
Anordnung des Auftraggebers notwendig
Der Anspruch auf Zusatzvergütung setzt grundsätzlich eine Anordnung des Auftraggebers voraus. Das Gericht legt die Erklärung des Mitarbeiters der Beklagten aus und meint nachvollziehbar, aus dieser Aussage könne schon dem Wortlaut nach kein Auftrag über zusätzliche Leistungen abgeleitet werden. Vielmehr ergebe sich daraus, dass der Mitarbeiter die bisherigen Leistungen des Klägers als mangelhaft ansehe und ihn auffordere, diese Mängel zu beseitigen. Zudem scheitert eine Beauftragung durch den Mitarbeiter daran, dass er nicht bevollmächtigt sei, Zusatzleistungen zu beauftragen. Der Kläger meint, er habe von einer Bevollmächtigung ausgehen dürfen, da der Mitarbeiter von Anfang an als Bauleiter aufgetreten sei und Mängel gerügt und Nachbesserungsarbeiten überwacht habe. Daraus ergibt sich jedoch, wie das Gericht darlegt, nur eine Vollmacht für Handlungen, die zur technischen Abwicklung des Vertrages erforderlich sind. Entsprechendes gilt auch für einen externen Ingenieur als Objektüberwacher: Dieser ist regelmäßig nicht bevollmächtigt, Leistungsänderungen und Zusatzleistungen anzuordnen.
Abweichende Leistungen abgenommen?
Nach Paragraf 2 Absatz 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B kann der Auftragnehmer für eine auftragslos erbrachte Leistung eine Vergütung beanspruchen, wenn der Auftraggeber die Leistung nachträglich anerkannt hat. Der Kläger sieht in der erfolgten Abnahme ein solches Anerkenntnis. Das Gericht bewertet das anders: Die bloße Hinnahme der Leistung, ohne nach deren Beendigung dagegen zu protestieren, stelle kein Anerkenntnis dar. Im Einzelfall kann eine Abnahme durchaus als Anerkenntnis zu werten sein. Voraussetzung ist aber, dass dem Auftraggeber zum Zeitpunkt der Abnahme überhaupt bewusst ist, dass der Auftragnehmer vom Vertrag abweichende oder darüber hinausgehende Leistungen erbracht hat. Das war hier nicht der Fall.
Anders kann es sich verhalten, wenn der Auftragnehmer spätestens bei der Abnahme ausdrücklich auf die abweichend vom Vertrag oder darüber hinausgehend ausgeführte Leistung hinweist. Auch die Tatsache, dass zusätzliche Leistungen im Abnahmeprotokoll ausdrücklich aufgeführt werden und die Mängelliste Mängel aus diesen Zusatzleistungen enthält, kann ein Anerkenntnis darstellen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch ein gemeinsames Aufmaß kein Anerkenntnis einer nicht beauftragten Leistung darstellt (wobei es zudem auch regelmäßig an der Vollmacht des Mitarbeiters/Objektüberwaches fehlt). Ebenso liegt in der Leistung einer Abschlagszahlung aufgrund von deren vorläufiger Natur regelmäßig kein Anerkenntnis, dass die bezahlten Leistungen vergütungspflichtig sind.
Vergütungsanspruch, wenn Leistung notwendig
Nicht selten lässt sich ein Vergütungsanspruch für nicht vereinbarte Leistungen aus Paragraf 2 Absatz 8 Nr. 2 Satz 2 VOB/B ableiten. Die Regelung ist dem Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag im BGB nachgebildet. Wenn ein Auftragnehmer eigenmächtig vom Vertrag abweicht, diese Abweichung aber notwendig ist, um das vereinbarte Leistungsziel zu erreichen, und dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entspricht, besteht ein Vergütungsanspruch. Diese Regelung geht davon aus, dass der Auftraggeber, obwohl er die geänderte oder zusätzliche Leistung nicht gefordert hat, dennoch eine Vergütung leisten muss, wenn die Leistung anders nicht mangelfrei hätte ausgeführt werden können, und er, wenn er darüber informiert worden wäre, ebenso entschieden hätte.
Im vorliegenden Fall scheiterte ein Anspruch des Klägers nach dieser Regelung daran, dass er nach seinem eigenen Vortrag eine weitere Auslichtung der Kronen nicht für erforderlich gehalten und die Leistung nur ausgeführt hat, weil der Mitarbeiter des Auftraggebers die behauptete Äußerung getätigt habe. Mangels Notwendigkeit der Leistung kann der Kläger keine Vergütung beanspruchen.