Objektüberwacher und Zusatzaufträge: Was ist erlaubt?
Was darf er und was nicht? Immer wieder haben sich Gerichte mit der Frage zu befassen, ob von einem Objektüberwacher beauftragte Nachtragsleistungen vom Auftraggeber zu vergüten sind.
Grundsätzlich ist – aus der von der Rechtsprechung entwickelten originären Vollmacht heraus – der Objektüberwacher nicht zur Erteilung von Zusatzaufträgen und Änderungsanordnungen oder zur Anordnung von Stundenlohnarbeiten bevollmächtigt (vergleiche etwa OLG Köln, Beschluss vom 27.5.2021 – 16 U 192/20; OLG Frankfurt, Urteil vom 18.9.2020 – 29 U 99/17).
Etwas anderes gilt, wenn der Auftraggeber den Auftragnehmer entsprechend bevollmächtigt. Es ist allerdings sorgfältig auf den Umfang der erteilten Vollmacht zu achten. So war in einem vom Bundesgerichtshof (Urteil vom 7.3.2002 – VII ZR 1/00) entschiedenen Fall im Vertrag mit dem Unternehmer geregelt: „Als Bevollmächtigter des Bauherrn gilt der Bauleiter. Er ist berechtigt, Anordnungen zu treffen, die zur vertraglichen Durchführung der Leistung erforderlich sind.“ Der Architekt („Bauleiter“ im Sinne des Vertrages) hatte Anordnungen getroffen, die der Auftraggeber später nicht gegen sich gelten ließ. Der Bundesgerichtshof entschied, dass die dem Architekten erteilte Vollmacht nur die üblicherweise zur Erfüllung der Bauausführung erforderlichen rechtsgeschäftlichen Erklärungen, nicht hingegen die Befugnis, den Vertrag in wesentlichen Punkten zu ändern, umfasse. Auch die Anordnung von Nachträgen wäre von dieser Vollmacht wohl nicht umfasst.
Wenn man freie Hand lässt …
Allerdings kann sich, wenn eine Person wie ein Vertreter auftritt und für den Geschäftsverkehr der Rechtsschein einer Vertretung entsteht, daraus eine Rechtsscheinvollmacht ergeben. Dies gilt, wenn der angeblich Vertretene entweder in Kenntnis des Handelns des angeblichen Vertreters dieses duldet (Duldungsvollmacht) oder zwar keine Kenntnis hat, aber diese Kenntnis hätte haben können, wenn er sich wie ein ordentlicher Kaufmann um seine Geschäfte gekümmert hätte (Anscheinsvollmacht).
Das OLG Oldenburg (Urteil vom 8.11.2022 – U 10/22) hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem der Auftraggeber einen vom Objektüberwacher erteilten Zusatzauftrag nicht bezahlen wollte. Eine Anscheinsvollmacht wird angenommen, wenn der Auftraggeber dem Planer allein die Vertragsverhandlungen mit dem Auftragnehmer überlässt oder dieser bereits den Vertrag verhandelt und unterzeichnet hat oder in anderer Weise dem Architekten völlig freie Hand bei der Durchführung des Bauvorhabens lässt, ohne sich selbst um den Bau zu kümmern. In dem zu entscheidenden Fall ergab sich zwar aus dem Vertrag mit dem Bauunternehmer, dass der Auftraggeber selbst die Beauftragung hätte vornehmen müssen. Der Planer hatte aber den Vertrag alleine ausgehandelt und sämtliche technischen und vertraglichen Fragen mit dem Auftragnehmer alleine geklärt. Der Auftragnehmer hatte niemals Kontakt mit dem Auftraggeber gehabt, sondern stets nur mit dem Planer. Unter diesen Umständen hat das Gericht ungeachtet der vertraglichen Regelung eine Anscheinsvollmacht angenommen. Darauf sollte man sich aber generell – auch als Planer – nicht verlassen und im Zweifel auf eine ausdrückliche Bevollmächtigung drängen. Möchte der Auftraggeber eine solche nicht erteilen, muss er bei sämtlichen Nachtragsfragen und Stundenlohnarbeiten beteiligt werden und selbst entscheiden.
Entscheidungsbefugnis klar regeln
Statt einer umfassenden kommt auch eine eingeschränkte Vollmacht in Frage: „Der Ingenieur ist bevollmächtigt, Änderungen der Leistung oder Zusatzleistungen jeweils bis zu einem Betrag von … netto anzuordnen.“ Dann wird der Auftraggeber von den vielen „alltäglichen“ Entscheidungen entlastet und kann sich auf die wirtschaftlich relevanten Nachträge konzentrieren.
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass der Bauunternehmer auf der Grundlage von Anordnungen des Planers Nachtragsleistungen ausführt. Wenn der Planer nicht bevollmächtigt ist und auch keine Rechtsscheinvollmacht vorliegt, scheidet eine unmittelbare Verpflichtung des Auftraggebers zur Zahlung der Nachtragsvergütung aus.
Abhilfe schafft die Geschäftsführung ohne Auftrag, Paragrafen 677 ff., 683 BGB. Wer, ohne dazu beauftragt zu sein, das Geschäft eines anderen führt, hat einen Anspruch auf Ersatz der hierfür getätigten Aufwendungen, wenn die Übernahme des Geschäfts dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Wenn also der Objektüberwacher eine Änderungsleistung anordnet, die diesen Voraussetzungen entspricht, ist er zwar rechtlich insoweit Auftraggeber des Bauunternehmers, kann aber Ersatz der geschuldeten Nachtragsvergütung vom Auftraggeber beanspruchen (praktisch wird dies abgekürzt, da der Bauunternehmer in der Regel die Nachtragsleistung beim Auftraggeber in Rechnung stellt).
Dasselbe gilt übrigens auch für den Bauunternehmer, Paragraf 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B, der seinerseits auf das BGB verweist. Führt der Bauunternehmer eine nicht beauftragte Leistung auf Anordnung des Planers oder auch eigenmächtig aus, kann er deren Vergütung verlangen, wenn sie dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entspricht.
In einem Fall des OLG München (Urteil vom 10.9.2013 – 9 U 1685/12 Bau) war im Vertrag mit dem Planer die Vollmacht für die Erteilung von Nachtragsaufträgen ausdrücklich ausgeschlossen. Dennoch hat das Gericht eine Vergütung für die Nachtragsleistungen zuerkannt, die technisch zwingend notwendig waren, da deren Ausführung im Interesse des Auftraggebers läge und dem mutmaßlichen Willen (eine mangelfreie und nutzbare Leistung zu erhalten) entspräche.
Ebenfalls interessant: