Bauvertrag: Wenn Kampfmittel den Zeitplan sprengen
In Deutschland gibt es viele Bereiche, die im Zweiten Weltkrieg Schauplatz von Kampfhandlungen waren. Dort verbliebene Kampfmittel, insbesondere Blindgänger, sind bei weitem nicht vollständig erfasst, geschweige denn geräumt.
Die VOB/C sieht in DIN 18 299, 0.1.18 vor, dass Bestandteil der Leistungsbeschreibung eine Bestätigung sein soll, dass die im jeweiligen Bundesland geltenden Anforderungen zu Erkundungs- und gegebenenfalls Räumungsmaßnahmen hinsichtlich Kampfmitteln erfüllt wurden. Es ist Sache des Auftraggebers, dafür Sorge zu tragen, dass Kampfmittelfreiheit besteht. Diese Frage ist dem Baugrundrisiko zuzurechnen, das regelmäßig der Auftraggeber als derjenige zu tragen hat, der die Baumaßnahme auf dem bestimmten Grundstück vorsieht. Er ist zugleich im ordnungsrechtlichen Sinne Zustandsstörer im Hinblick auf etwaige Kampfmittel.
Diese Regelung soll Auftraggeber zwingen, im Vorfeld eine Kampfmitteluntersuchung durchzuführen. Dies bedeutet zunächst, dass der Auftraggeber sich darüber zu informieren hat, ob ein Kampfmittelverdacht besteht. Dies hat bei der im jeweiligen Bundesland damit betrauten Behörde zu geschehen, die nach Auswertung entsprechender Unterlagen eine Bescheinigung über die Kampfmittelfreiheit ausstellt. Diese Bescheinigung steht immer unter dem Vorbehalt, dass damit eine Garantie für eine Kampfmittelfreiheit nicht gegeben ist. Der Auftragnehmer kann – auch im Sinne arbeitsschutzrechtlicher Vorschriften – bei Vorlage einer solchen Bescheinigung grundsätzlich von Kampfmittelfreiheit ausgehen. Mit einer solchen Bescheinigung erfüllt auch der Auftraggeber seine Verpflichtung im Sinne der DIN 18 299, 0.1.18.
Kampfmittelfreiheit oft nicht bestätigt
In vielen Fällen wird eine entsprechende Bescheinigung aber nicht erteilt, weil nach Auswertung der vorhandenen Unterlagen der Verdacht von Kampfmitteln im Baugrund besteht. Dann müssen zusätzliche Sondierungen erfolgen und gegebenenfalls Beräumungen vorgenommen werden. Dies ist Sache des Auftraggebers. Wenn die Bescheinigung über die Kampfmittelfreiheit von der zuständigen Behörde nicht erteilt wird, kann eine Bestätigung im Sinne von DIN 18 299, 0.1.18 nur aufgrund weiterer Maßnahmen erteilt werden. Eine Eigenbestätigung des Auftraggebers genügt nicht. Das gilt auch, wenn der Auftraggeber selbst die zuständige Ordnungsbehörde ist. Die Bestätigung muss von einem konzessionierten beziehungsweise beauftragten Spezialunternehmen ausgestellt werden.
Werden – gegebenenfalls trotz erfolgter Bescheinigung oder Bestätigung – dennoch Kampfmittel gefunden, handelt es sich um eine im Risikobereich des Auftraggebers liegende Behinderung des Auftragnehmers nach Paragraf 6 Abs. 2 Nr. 1a VOB/B. Der Auftragnehmer kann aus diesem Umstand einen Anspruch auf Bauzeitverlängerung und gegebenenfalls Anspruch auf Mehrvergütung/Schadensersatz geltend machen.
Was tun, wenn Kampfmittel gefunden werden?
Für den Fall, dass unvermutete Hindernisse angetroffen werden, trifft etwa DIN 18 300, 3.1.6 entsprechende Regelungen: Grundsätzlich ist der Tatbestand dem Auftraggeber mitzuteilen. Auftragnehmer und Auftraggeber legen gemeinsam die erforderlichen Leistungen fest. Ist zu vermuten, dass es sich bei den Hindernissen um Kampfmittel handelt, sind die Arbeiten sofort einzustellen. Der Auftragnehmer muss die nach Landesrecht zuständige Stelle sowie den Auftraggeber benachrichtigen. Zudem sind unverzüglich notwendige Sicherungsleistungen zu erbringen. Diese, und die danach erforderlichen Leistungen, sind ausdrücklich „Besondere Leistungen“, also gesondert zu vergüten. In der Mitteilung an den Auftraggeber dürfte zugleich eine Behinderungsanzeige und eine Bedenkenanmeldung zu sehen sein.
Es ist Sache des Architekten oder Ingenieurs, den Auftraggeber über die Kampfmittelproblematik zu beraten. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 18.5.2021 – 24 U 48/20. In dem entschiedenen Fall war das Objekt bereits errichtet, als die zuständige Behörde eine Kampfmitteluntersuchung forderte. Der Auftraggeber beanspruchte nun von seinem Planer Schadensersatz für die Mehrkosten, die aus der nachträglichen Kampfmittelsondierung entstanden. Das Gericht geht davon aus, dass der (Objekt-)Planer spätestens im Rahmen der Leistungen der Leistungsphase 2 verpflichtet gewesen sei, den Auftraggeber über die Kampfmittelproblematik zu beraten und die Stellung eines Antrags auf Kampfmittelüberprüfung anzuregen. Meines Erachtens dürfte diese Frage bereits zu den Leistungen der Leistungsphase 1 – Beraten zum gesamten Leistungsbedarf – gehören. Der Planer kann sich nicht darauf berufe, dass aufgrund der Baugenehmigung oder eines Baugrundgutachtens die Kampfmittelfrage geklärt sei.
Nach der allgemeinen Abgrenzung zwischen Grund- und Besonderen Leistungen handelt es sich bei Leistungen im Zusammenhang mit Kampfmitteln jedenfalls nicht ohne weiteres um Grundleistungen, da diese nicht im Allgemeinen zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Auftrags erforderlich sind (Paragraf 3 Absatz 1 HOAI 2021). Die Planung, Ausschreibung und Überwachung eines Bauvorhabens erfordert nicht per se eine Kampfmitteluntersuchung. Diese ist vielmehr nur (ausnahmsweise) dann erforderlich, wenn ein Kampfmittelverdacht besteht. Auch wenn das in bestimmten Bereichen (vor allem in Großstädten) nicht selten der Fall ist, ist es eben nicht der Regelfall, den die HOAI für Grundleistungen voraussetzt. Dementsprechend wird vertreten, dass die Stellung des Antrags auf Kampfmittelüberprüfung als „Besondere Leistung“ einzuordnen sei (Zahn, IBR 2022, 193).