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Deutsche Wärmekonferenz 25.03.2022, 09:14 Uhr

Branche präsentiert Handlungsleitfaden für die Wärmewende

Seit 2007 kommen auf der Deutschen Wärmekonferenz Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Medien zusammen, um aktuelle Themen und Herausforderungen für den Energie- und Wärmemarkt zu diskutieren. In diesem Jahr stand am Ende ein flammender Appell der Branche: Nur wenn man heute alle Register ziehe, seien die Klimaziele 2045 zu erreichen.

Rund 200 Teilnehmende aus Politik und Wirtschaft diskutierten im Rahmen der Deutschen Wärmekonferenz im Berliner Futurium über Szenarien für die Energie- und Wärmewende. Foto: imago/Zoonar

Rund 200 Teilnehmende aus Politik und Wirtschaft diskutierten im Rahmen der Deutschen Wärmekonferenz im Berliner Futurium über Szenarien für die Energie- und Wärmewende.

Foto: imago/Zoonar

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag das Thema Klimaschutz zur zentralen Aufgabe erklärt. Bis 2030 sollen die Emissionen um 65 % gegenüber 1990 reduziert werden, 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Dem Wärmesektor, dem größten Energieverbrauchssektor Deutschlands, kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Allein hier möchte die Politik den Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 auf 50 % erhöhen. Aktuell liegt er bei 15 %. Wie die Wärmewende und damit die Energiewende erfolgreich gelingen kann, war deshalb die zentrale Fragestellung der Deutschen Wärmekonferenz in Berlin. Gemeinsam hatten der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH), der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) und der Großhandelsverband DG Haustechnik in Kooperation mit der Messe Frankfurt ins Futurium am Alexanderufer eingeladen, um mit der Bundespolitik Strategien und Lösungsansätze zu diskutieren, die die Erreichung der ambitionierten Klimaziele ermöglichen.

BDH fordert: Alle technologischen Lösungen für die Wärmewende mit einbeziehen

Im Rahmen der Konferenz, die auch inhaltlich unter dem Eindruck des Angriff-Kriegs Russlands gegen die Ukraine stand, legte der BDH ein Strategiepapier mit dem Titel „Zielbild Wärmemarkt 2045“ vor. Unter dem Motto „alle Register ziehen“ stehen dabei vier Punkte im Mittelpunkt: die Beschleunigung der Heizungsmodernisierung, der Ausbau und die Einbindung erneuerbarer Energien, die Dekarbonisierung der Energieträger im Wärmemarkt und die Steigerung der energetischen Sanierungsrate. „Angesichts der aktuellen Entwicklungen muss der Ausbau der erneuerbaren Energien inklusive Biomethan und Holzenergie sowie der Markthochlauf von Wasserstoff noch schneller organisiert werden als bisher geplant“, forderte BDH-Präsident Uwe Glock. Dabei gelte es alle technologischen Lösungen einzubeziehen, die einen Beitrag zur Erreichung der klimapolitischen Ziele im Wärme- und Gebäudesektor ermöglichen. Nur so werde die Wärmewende unter Berücksichtigung der Heterogenität der Gebäude und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einem Realitätscheck standhalten. Die Verengung des Lösungsraums auf nur wenige Technologien drohe hingegen den gerade realisierten Marktaufschwung bei den Wärmeerzeugern auszubremsen.

Im Rahmen eines EU-Panels diskutierte die Deutsche Wärmekonferenz auch die europäische Situation. „Was für den deutschen Wärmemarkt gilt, muss sich auch in Europa spiegeln“, forderte MdEP Dr. Markus Pieper. Nicht nur Deutschland, auch die EU als Gesamtes müsse die Modernisierung veralteter Wärmeerzeuger zur Reduktion der Emissionen im Gebäudesektor beschleunigen. „Dies geht unter anderem über die verstärkte Nutzung der erneuerbaren Energien im Wärmemarkt“, so der Europapolitiker.

Fehlende Handwerker: Kein Personal für die Wärmewende

Auch der andauernde Fachkräftemangel zählte zu den viel diskutierten Themen. In den nächsten zehn Jahren scheiden nach aktuellen Branchenzahlen rund 30 % der heute Beschäftigten ruhestandsbedingt aus dem Erwerbsleben aus. Davon werden die rund 49 000 SHK-Betriebe aufgrund der demografischen Entwicklung aber nur etwa die Hälfte durch Neueinstellungen ersetzen können. Um die ehrgeizigen Klimaschutzziele im Wärmemarkt zu erreichen, müsse aber zwangsläufig die Modernisierungsrate der Heizungen weiter gesteigert werden, so der Präsident des ZVSHK, Michael Hilpert. Ohne ausreichende personelle Kapazitäten im Heizungsbauerhandwerk sei das in dem angestrebten knappen Zeitraum bis 2030 nicht zu schaffen. „Entscheidend ist für uns der Faktor Zeit. Wir unterstützen die Klimaziele der Bundesregierung. Wir schaffen auch deren Umsetzung im Wärmemarkt. Aber die zeitlichen Fristen hierfür müssen sich an dem Machbaren orientieren, das heißt an den verfügbaren Fachkräften“, forderte Hilpert. So rechnet der ZVSHK mit rund 60 000 zusätzlich benötigten Monteuren, um – wie von der Politik gefordert – bis 2030 sechs Millionen Wärmepumpen in Deutschland zu installieren. „Das Heizungsbauerhandwerk ist hochqualifiziert und in der Lage, die zunehmend komplexer werdenden heiztechnischen Systeme kompetent einzubauen und zu warten“, betonte Hilpert. „Aber bei den gesteigerten Anforderungen seitens der Politik brauchen wir als Klimahandwerk auch konkrete Hilfe der Politik, den gesteigerten Fachkräftebedarf zu decken.“ Der ZVSHK erwartet hierzu analog zu der seit Jahren stattfindenden Hochschulförderung Unterstützung der Politik bei der Ausbildungsförderung und Weiterqualifizierung von Fachkräften – etwa durch ein neu zu schaffendes Kompetenzzentrum für Klimahandwerke.

Fördermittel maßgebliches Werkzeug für eine Wärmewende

Ein weiteres Thema der Deutschen Wärmekonferenz: die Fördermöglichkeiten. Einigkeit bestand, dass die Förderkulisse in den vergangenen zwei Jahren zu einer dynamischen Marktentwicklung bei der Heizungsmodernisierung geführt habe. Nach über zwei Dekaden ohne signifikantes Wachstum wurden im Jahr 2021 knapp 930 000 neue Anlagen installiert. Damit kommt man erstmalig in den Bereich von einer Million Anlagen, die zur Erreichung der Klimaziele im Gebäude benötigt werden. Allerdings, so BDH, ZVSHK und DG Haustechnik, müsse diese Entwicklung durch die Verstetigung der Rahmenbedingungen noch weiter ausgebaut werden. Daher forderten die Verbände die Politik auf, die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) finanziell abzusichern und verlässlich fortzusetzen.

 

 

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Von BDH / Marc Daniel Schmelzer