Dekarbonisierung: Neue Chancen durch Nutzung von Aquiferspeichern
Die saisonale Wärme- und Kältespeicherung in unterirdischen Gesteinsschichten könne maßgeblich zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors beitragen, so das Ergebnis einer aktuellen Studie des Karlsruher Instituts für Technologie.
Unlängst erfolgte die nächste Rüge: Deutschland hinkt bei der Erreichung der auf europäischer Ebene beschlossenen Klimaschutzziele weiter hinterher. Vor allem der Gebäudesektor ist von den von der Europäischen Union für 2030 definierten Vorgaben noch weit entfernt. Derzeit entfallen mehr als 30 % des bundesweiten Endenergieverbrauchs auf das Heizen und Kühlen von Gebäuden. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben deshalb untersucht, welche Chancen die vermehrte Einbeziehung thermischer Aquiferspeicher für die Dekarbonisierung dieses Sektors eröffnen könnte. In ihrer im Oktober 2022 in der Zeitschrift Geothermal Energy veröffentlichten Studie attestieren sie der Nutzung der natürlichen Reservoire ein hohes Potenzial für das Erreichen einer emissionsärmeren Energieversorgung.
Bedarfsgerechte Zwischenspeicherung
Wasserführende Schichten im Untergrund besitzen demnach eine hohe Fähigkeit, thermische Energie zu speichern. Das umgebende Gestein wirkt isolierend. Durch Bohrungen erschlossen könnte beispielsweise Wärme aus Solarthermieanlagen oder Abwärme aus Industrieanlagen unter der Erde gespeichert, und das erwärmte Wasser bei Bedarf wieder nach oben gepumpt werden, beispielsweise um Wärmenetze oder Wärmepumpen zu versorgen, so die Karlsruher. Als besonders effizient hätten sich oberflächennahe Niedertemperatur-Aquiferspeicher (engl. Low-Temperature Aquifer Thermal Energy Storage – LT-ATES) erwiesen. Hier sei die Temperatur des Wassers nicht viel höher als die der Umgebung, sodass während der Speicherung nur wenig Wärme verloren gehe.
Mehr als die Hälfe der Fläche in Deutschland geeignet
Forschende am Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) und in der Nachwuchsgruppe Nachhaltige Geoenergie des KIT haben zudem untersucht, welche Regionen in Deutschland sich für Niedertemperatur-Aquiferspeicher eignen. „Zu den Kriterien für einen effizienten LT-ATES-Betrieb gehören geeignete hydrogeologische Gegebenheiten wie die Produktivität der Grundwasserressourcen und die Grundwasserströmungsgeschwindigkeit“, erläutert Ruben Stemmle, Mitglied der Forschungsgruppe Ingenieurgeologie am AGW und Erstautor der Studie. Wichtig sei auch ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Heiz- und Kühlenergiebedarf. Dieses lasse sich annäherungsweise über das Verhältnis von Heiz- und Kühlgradtagen ermitteln. In einer räumlichen Studie hat das Forschungsteam die hydrogeologischen und klimatischen Kriterien kombiniert.
Dabei zeigte sich, dass 54 % der Fläche in Deutschland – perspektivisch bis zum Jahr 2050 betrachtet – sehr gut oder gut für Niedertemperatur-Aquiferspeicher geeignet sind. Die Potenziale konzentrieren sich im Wesentlichen auf das Norddeutsche Becken, den Oberrheingraben und das Süddeutsche Molassebecken.
Darüber hinaus prognostiziert das Forschungsteam, dass die sehr gut oder gut geeigneten Flächen für den Zeitraum 2071 bis 2100 voraussichtlich weiter um 13 % wachsen. Dies sei vor allem durch einen relativ starken Zuwachs bei den sehr gut geeigneten Flächen bedingt und zurückzuführen auf einen steigenden Kühlbedarf – hervorgerufen durch den Klimawandel. In Wasserschutzgebieten sind Aquiferspeicher hingegen nur eingeschränkt und in Einzelfällen zulässig. Dadurch fallen elf Prozent der technisch sehr gut oder gut geeigneten Flächen weg. „Alles in allem zeigt unsere Studie jedoch, dass Deutschland ein großes Potenzial für die saisonale Wärme- und Kältespeicherung in Aquiferen besitzt“, fasst Stemmle zusammen.
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