„Erdgas keine geeignete Brückentechnologie“
Der geplante Ausbau der Erdgas-Infrastruktur stelle ein Risiko für die Energiewende dar, so das Ergebnis einer Studie unter Leitung von Professor Dr. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Folgen der Erdgasnutzung auf das Klima werden demnach weiterhin unterschätzt.
Der Ausbau der Erdgas-Infrastruktur gefährde die Energiewende, da Erdgas keine Brückentechnologie hin zu einem 100 % erneuerbaren Energiesystem im Sinne des Pariser Klimaabkommens sei, so der Tenor der in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature Energy veröffentlichten Studie „The expansion of natural gas infrastructure puts energy transitions at risk“. Verfasser sind neben Professor Dr. Claudia Kemfert Forschende der Leuphana Universität Lüneburg, der TU Berlin, der Ruhr-Universität Bochum sowie der Europa-Universität Flensburg. Die Beteiligten stellen dem Energieträger Gas eine vergleichbar schlechte Klimabilanz aus – ähnlich der von Kohle oder Öl. Politik und Wissenschaft empfehlen sie die aktuellen Annahmen über Erdgas zu überarbeiten.
Konsequente Dekarbonisierung nötig
Im Zuge des russischen Angriffskrieges stehe die Regierung in Deutschland vor der Herausforderung, die Energieabhängigkeit von Russland zu reduzieren und weiterhin eine bezahlbare und gesicherte Energieversorgung zu gewährleisten, die im Einklang mit den Klimazielen steht. Aktuell gehen die Bemühungen dahin, russisches Erdgas, dessen Lieferung gedrosselt und unsicher ist, durch den Aufbau neuer Gashandelsbeziehungen und neuer Infrastruktur auszugleichen. Allerdings, so Professor Dr. Claudia Kemfert, sei fossiles Erdgas weder sauber noch sicher. „Das zu lange Festhalten an fossilem Erdgas hat Deutschland in eine Energiekrise geführt, aus der jetzt nur entschlossenes Handeln für eine konsequente Dekarbonisierung führen kann, hin zu einer Vollversorgung aus erneuerbaren Energien.“
Methan-Emissionen bislang unterschätzt
In ihrer Studie hinterfragen die Forschenden weitverbreitete Annahmen zum Thema Erdgas. Während die Vorstellung des sauberen Energieträgers noch immer weit verbreitet ist, zeigen Forschungsergebnisse, dass die Folgen der Erdgasnutzung auf das Klima erheblich unterschätzt werden und Erdgas keinesfalls per se die bessere Alternative zur Kohle- und Ölnutzung darstellt, so das Ergebnis. „Das Problem ist nicht nur das bei der Verbrennung entstehende CO2, sondern das stark wirksame Treibhausgas Methan, das entlang der kompletten Wertschöpfungskette durch flüchtige Emissionen unverbrannt in die Atmosphäre entweicht“, so Fabian Präger vom Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik der TU Berlin. Diese Emissionen seien bislang nicht ausreichend berücksichtigt und unterschätzt.
Verfasser der Studie fordern konkrete Maßnahmen
Zudem stellen die Forschenden fest, dass ein Ausbau von Erdgas-Infrastruktur die Abhängigkeit von fossilen Energien zementiere („Lock-In Effekte“) und ökonomische Risiken berge, wenn eben diese fossilen Vermögenswerte im Zuge der Energiewende einen vorzeitigen Wertverlust erfahren. Die Forschenden schlagen daher fünf Maßnahmen vor, um die genannten Risiken zu vermeiden:
- Die Reduzierung von Methan-Emissionen entlang der kompletten Wertschöpfungskette in der bestehenden Erdgas-Infrastruktur
- Die Einbeziehung der neuesten Forschungserkenntnisse über die Treibhausgasemissionen in Zusammenhang mit Erdgas in allen Szenarien zur Energiewende und zur Klimaentwicklung
- Das Ersetzen des Narrativs der Brückentechnologie durch eindeutige und entschlossene Dekarbonisierungskriterien
- Kein Bau von neuer Erdgas-Infrastruktur und damit Vermeidung neuer fossiler Abhängigkeiten und Methanlecks
- Ernsthafte und strikte Einbeziehung klimabezogener Risiken bei der Planung von Energie-Infrastruktur
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