Ermittlung des Mindestsatzes im Vergleich zum vereinbarten Honorar
Eine den Mindestsatz unterschreitende Honorarvereinbarung ist unwirksam; an ihre Stelle tritt der Mindestsatz. Zur Feststellung einer etwaigen Unterschreitung muss das vereinbarte Honorar mit dem konkret zu ermittelnden Mindestsatz verglichen werden.
Mit einem derartigen Fall hatte sich das OLG Köln (Urteil vom 29.12.2016 –16 U 49/12 –) zu befassen und hat einige wichtige Aussagen dazu getroffen.
Dem Rechtsstreit zugrunde lag ein Architektenvertrag aus dem Jahr 2004 über den Umbau einer Schule, in dem die Parteien unter anderem einen Umbauzuschlag von 6 % und anrechenbare Kosten der Bausubstanz von 0 Euro vereinbarten. Ebenfalls vereinbart war die Honorarzone IV. Der klagende Architekt beansprucht ein höheres als das vereinbarte Honorar, weil die Bausubstanz zwingend zu berücksichtigen sei und ein Mindestumbauzuschlag von 20 % geschuldet werde.
HOAI gibt Rahmen vor
Eine Honorarvereinbarung ist nur im Rahmen der durch die HOAI vorgegebenen Mindest- und Höchstsätze wirksam, § 4 Abs. 1 HOAI 1996 (= § 7 Abs. 1 HOAI 2013), wenn nicht Umstände gegeben sind, die eine Mindestsatzunterschreitung ausnahmsweise zulassen; derartige Umstände waren im entschiedenen Fall nicht vorgetragen und nicht ersichtlich. Allerdings kann der Planer nach Treu und Glauben wegen widersprüchlichen Verhaltens daran gehindert sein, die Honorarvereinbarung nachträglich in Frage zu stellen. Das Gericht konzediert dem Auftraggeber, dass er als öffentlicher Auftraggeber mit Bauaufgaben vertraut und zudem fachkundig beraten gewesen sei, trotzdem aber auf die Wirksamkeit der Honorarvereinbarung habe vertrauen dürfen, da die Honorarvereinbarung keine offenkundige Mindestsatzunterschreitung enthalten habe, da der Auftraggeber auf der Grundlage einer vertretbaren Rechtsauffassung die Vereinbarung habe für wirksam erachten dürfen. Er habe sich aber nicht auf die Wirksamkeit in einer Weise eingerichtet, die eine Nachforderung als unzumutbar erscheinen lasse. Insbesondere habe der Auftraggeber nicht konkret darstellen können, an welcher Stelle er Einsparungen vorgenommen hätte, wenn er die Unwirksamkeit der Honorarabrede erkannt hätte.
Um eine etwaige Mindestsatzunterschreitung erkennen zu können, ist das vereinbarte Honorar mit einem streng nach den Mindestsätzen der HOAI ermittelten Honorar zu vergleichen. Dabei sind alle Honorarparameter zu berücksichtigen. Nur auf der Grundlage eines oder einzelner Parameter (hier Umbauzuschlag und anrechenbare Bausubstanz) ist eine Entscheidung nicht möglich, weil der zu niedrige Ansatz bei einzelnen Honorarparametern durch andere Vereinbarungen wieder ausgeglichen werden kann. Maßgeblich ist das insgesamt (möglicherweise auf fehlerhafter Grundlage) vereinbarte Honorar; hält sich dieses in den durch die HOAI gezogenen Grenzen, ist die Honorarvereinbarung wirksam.
Spielraum bei der Einordnung
Das Gericht gelangt zu der Einschätzung, dass die Schule zutreffend in Honorarzone III statt wie vereinbart Honorarzone IV einzuordnen sei. Maßgeblich ist die objektiv richtige Honorarzone; ein Ermessen der Parteien besteht nicht, da es sonst in ihrer Hand liege, eine Mindestsatzunterschreitung herbeizuführen. Allerdings enthalten die für die Einordnung des Objekts in die Honorarzone vorgegebenen Bewertungsmerkmale Bewertungsspielräume. Das Gericht geht davon aus, dass bei der Ermittlung des Mindestsatzes stets die Beurteilungsspielräume der HOAI nach unten auszunutzen seien.
Zwar ergebe sich aus der Objektliste, dass Schulbauten regelmäßig in Honorarzone IV einzuordnen seien. Gerade bei Umbauten könne aber diese pauschale Bewertung nicht indiziell sein. Vielmehr sei eine Einordnung anhand der Bewertungsmerkmale mit einer Punktbewertung vorzunehmen. In dieser Frage kommen allerdings der gerichtlich bestellte und ein Privatgutachter zu unterschiedlichen Bewertungen, die zu einer Einordnung in verschiedene Honorarzonen führte. Das Gericht stellt fest, dass es bei der Architektur zahlreiche verschiedene Versuche gebe, die Punktbewertung (6 und 9 Punkte) auf fünf Honorarzonen zu verteilen. Keines der Systeme wird von der HOAI vorgegeben. Daraus folgt für das Gericht, dass beide von den Sachverständigen vorgenommene Zuordnungen HOAI-konform seien. Unter dieser Voraussetzung sei bei Inanspruchnahme der durch die HOAI gegebenen Bewertungsspielräume die niedrigere Einordnung für die Ermittlung des Mindestsatzes maßgeblich, hier Honorarzone III.
Das Gericht vertritt weiter unter Heranziehung der amtlichen Begründung zu verschiedenen Fassungen der HOAI die Ansicht, dass bereits unter Geltung der HOAI 1996 der Umbauzuschlag nicht mindestsatzrelevant gewesen sei, sondern auch bei Vorhaben ab durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad ein Zuschlag unter 20 % habe wirksam vereinbart werden können. Das widerspricht der ganz herrschenden Meinung zu dieser Fassung der HOAI. Für die HOAI 2009 ist das umstritten, für die HOAI 2013 geht die ganz überwiegende Ansicht davon aus, dass der Umbauzuschlag der freien Vereinbarung unterliegt.
Dagegen folgt das Gericht der Ansicht des Architekten, dass die anrechenbare Bausubstanz trotz der nicht eindeutigen Formulierung in § 10 Abs. 3a HOAI 1996 (ähnlich § 4 Abs. 3 HOAI 2013, die HOAI 2009 kannte die Anrechnung der mitverarbeiteten Bausubstanz nicht) zwingend zu berücksichtigen und daher mindestsatzrelevant ist.
In diesem Punkt unterschreitet die Honorarvereinbarung der Parteien den Mindestsatz, was aber im konkreten Fall durch die Einordnung in die höhere Honorarzone und die Vereinbarung eines Umbauzuschlags ausgeglichen wird, so dass der Kläger keine über das vereinbarte Honorar hinausgehende Vergütung beanspruchen konnte.
Dr. Reinhard Voppel Rechtsanwaltskanzlei Osenbrück, Bubert, Kirsten, Voppel Bild: Foto Stephan Behrla/Nöhrbaß GbR