Gebäudesektor: Seit Jahren zu wenig energetische Sanierungen
Der Gebäudesektor in Deutschland hat seine Reduktionsziele beim Ausstoß von Treibhausgasen im vergangenen Jahr deutlich verfehlt. Der Grund dafür ist einer aktuellen Studie zufolge simpel: Seit Jahren wird viel zu wenig in die energetische Gebäudesanierung investiert.
Auf den ersten Blick scheinen die Zahlen eindeutig: Wie eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) in Kooperation mit dem Baudienstleister Heinze GmbH zeigt, investierten Immobilieneigentümer in Deutschland im vergangenen Jahr rund 67 Milliarden Euro in energetische Sanierungen. Das sind rund 40 Prozent mehr als im Jahr 2011. Die Crux: Real, wenn man also die über die Zeit gestiegenen Preise berücksichtigt, waren die Investitionen aber in jedem der vergangenen elf Jahre geringer als 2011 – zuletzt um 13 Prozent. Daher fällt das Fazit von Martin Gornig, stellvertretender Leiter der Abteilung Unternehmen und Märkte im DIW Berlin und gemeinsam mit Katrin Klarhöfer von der Heinze GmbH Autor der Studie, eindeutig aus: „Das Niveau der energetischen Sanierungen reicht nicht aus, um das Potenzial der Energieeinsparungen im Gebäudesektor auszuschöpfen“, so der Ökonom.
Höhere Ausgaben – inflationsbereinigt weniger Invest
Für ihre Studie haben Gornig und Klarhöfer Daten aus der Bauvolumenrechnung des DIW Berlin mit dem von der Heinze GmbH erhobenen Modernisierungsvolumen kombiniert, für das auch repräsentative Umfragen unter Mietenden herangezogen werden. Damit lassen sich erstmals konkrete Aussagen über Art und Umfang realer energetischer Sanierungen treffen, die nicht aus der amtlichen Statistik ablesbar sind. Den Berechnungen zufolge flossen in die Dämmung von Dach, Keller und Außenwänden aller Gebäude in Deutschland – neben Wohngebäuden also beispielsweise auch Gewerbeimmobilien – im Jahr 2022 gut 20 Milliarden Euro. In die Erneuerung von Fenstern und Außentüren wurde im vergangenen Jahr ähnlich viel investiert. Für neue Heizungsanlagen und Klimatechnik gaben die Immobilieneigentümer sogar fast 25 Milliarden Euro aus. Inflationsbereinigt investierten sie jedoch in allen drei Bereichen zwischen zehn und 20 Prozent weniger als im Jahr 2011. Bei Nichtwohngebäuden waren die Rückgänge in den Bereichen Fenster und Türen sowie Heizungsanlagen noch deutlich stärker als bei Wohngebäuden.
Neubauten binden Personal
Grundsätzlich haben sich die Investitionen in energetische Gebäudesanierungen der Erhebung zufolge deutlich schlechter entwickelt als andere Baubereiche, allen voran der Neubau – dessen Volumen lag im vergangenen Jahr rund 40 Prozent über dem des Jahres 2011. „Darin liegt auch eine Ursache der Misere bei den energetischen Sanierungen“, erläutert Studien-Co-Autorin Katrin Klarhöfer: „Es fehlte in der Bauwirtschaft in den vergangenen Jahren schlicht an Kapazitäten – und der Neubau war für die Unternehmen im Zweifel lukrativer.“ Genau darin könne aber auch eine Chance für die kommenden Jahre liegen, so Klarhöfer: Da wegen der hohen Baupreise und der Wirtschaftsflaute deutlich weniger neu gebaut wird, verbleiben mehr Kapazitäten für energetische Sanierungen. Auch die deutlich gestiegenen Energiepreise erhöhen die Anreize für Eigentümer, solche Investitionen vorzunehmen.
Enge Abstimmung zwischen Produzenten, Baufirmen und Investoren
Dennoch, so resümieren die Studienverfassenden, bleibe die Herausforderung „gewaltig“. Um die Sanierungs- und CO2-Reduktionsziele zu erreichen, müsse sich die Sanierungsrate innerhalb kurzer Zeit vervielfachen. Auch die Kapazitätsengpässe in der Bauwirtschaft blieben trotz der Flaute im Wohnungsbau ein Problem. „Es muss dringend verhindert werden, dass staatliche Fördermittel, wie sie beispielsweise demnächst im Klima- und Transformationsfonds bereitgestellt werden, schlicht in steigenden Preisen verpuffen“, so Gornig. „Dafür brauchen wir einen koordinierten Ausbau der Produktions- und Installationskapazitäten.“ Im Sinne einer konzertierten Aktion befürwortet er eine enge Abstimmung zwischen Produzenten, Baufirmen sowie öffentlichen und privaten Investoren. Die Einrichtung einer entsprechenden Koordinierungsstelle könne helfen, Fördermittel effizient zu verteilen und auf diese Weise die Kapazitäten in der Sanierungsbranche zu erhöhen.