Handwerk: Stundensätze massiv gestiegen
Aufgrund der wachsenden Inflation sehen sich immer mehr Handwerksbetriebe dazu gezwungen ihre Preiskalkulation anzupassen. In Kombination mit einem weiter zunehmenden Fachkräftemangel und vollen Auftragsbüchern lässt diese Entwicklung eine Wärmewende allerdings in weite Ferne rücken.
Verbraucher, die einen Handwerker suchen, müssen sich im Moment nicht nur auf lange Wartezeiten einstellen, sondern auch tief in die Tasche greifen. Eine aktuelle Umfrage belegt: 93 % der deutschen Handwerksbetriebe haben seit Januar 2021 ihre Stundensätze teils drastisch angehoben, mehr als die Hälfte davon im laufenden Kalenderjahr. Nach Angaben der Befragten beträgt das durchschnittliche Honorar für eine Meister-/Technikerstunde derzeit 61 Euro, für eine Gesellenstunde werden 53 Euro veranschlagt.
Initiiert wurde die Erhebung von einer Unternehmensgruppe, die mit der Taifun Software GmbH (Hannover), der M-Soft Organisationsberatung GmbH (Dissen), P Software & Service (Eckernförde) sowie der extragroup GmbH (Münster) mehrere Software-Anbieter für Handwerksbetriebe unter ihrem Dach vereint. Von Ende April bis Mitte Mai 2022 wurden für den „Preisatlas Handwerk“ 680 Handwerksunternehmen online um ihre Einschätzung gebeten.
Preiserhöhungen in allen Gewerken
Der Druck, die Preise zu erhöhen, scheint in den vergangenen Monaten zudem zusätzlich gestiegen zu sein: Während 2021 nur 51 % der befragten Betriebe ihre Stundensätze erhöht haben, waren es allein in den ersten vier Monaten diesen Jahres bereits 68 %. 30 % geben sogar an, in beiden Jahren aufgeschlagen zu haben. Unterschiede zwischen den einzelnen Gewerken gibt es nach der Erhebung kaum: So haben unter den Elektrotechnikern etwa 88 % der Betriebe ihre Stundensätze erhöht, im Bereich Sanitär-Heizung-Klima waren es 93 %, unter Tischlern und Schreinern 94 %.
Stundensätze: Deutliche Unterschiede zwischen Ost und West
Zwischen den einzelnen Bundesländern zeigen sich hingegen starke Unterschiede. So kostet eine Meisterstunde in Hamburg im Schnitt 72 Euro, während Handwerker in Sachsen lediglich 50 Euro veranschlagen. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Gesellenstunden: Hier ist erneut Hamburg mit 62 Euro am teuersten, Sachsen mit 42 Euro am günstigsten. Teuerstes Flächenland ist Schleswig-Holstein, wo für die Meisterstunde im Schnitt 64 Euro und für die Gesellenstunde 58 Euro aufgerufen werden. Auch ein klares Ost-West-Gefälle ist erkennbar: In den sechs ostdeutschen Bundesländern kostet die Arbeitszeit von Handwerksmeistern durchschnittlich 14 % weniger als im Westen, die von Gesellen 13 % weniger.
Ungünstige Konstellation: Bauboom trifft auf Fachkräftemangel
„Wir sehen im Markt aktuell eine Preisanpassung, die angesichts der allgemein grassierenden Rekordinflation wenig verwunderlich ist“, sagt Dominik Hartmann, CEO der Unternehmensgruppe, die die Umfrage in Auftrag gegeben hat. Doch auch andere Faktoren spielen seiner Meinung nach eine Rolle: „Der Bauboom ebbt nicht ab, gleichzeitig werden für die Umsetzung der Energiewende Tausende Fachkräfte benötigt. Handwerksbetriebe sehen sich deshalb mit einer enormen Nachfrage konfrontiert und müssten eigentlich dringend zusätzliches Personal einstellen.“ Neue Leute seien aber nur schwer zu finden, so Hartmann. Auf diese Weise entstehe ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, das wahrscheinlich jeder Verbraucher kenne, der in jüngerer Zeit versucht hat, kurzfristig einen Handwerkertermin zu ergattern.
Betriebe steigern Attraktivität durch Benefits
Besonders groß sind Fachkräftemangel und Nachwuchsprobleme unter Dachdeckern und Zimmerern, wo 75 % der Betriebe im Rahmen der Befragung angeben, aktuell offene Stellen zu haben. In anderen Gewerken ergibt sich ein ähnliches Bild, insgesamt suchen derzeit zwei Drittel (67 %) aller befragten Handwerksbetriebe nach neuen Mitarbeitern. Um im sich Wettbewerb um neue Kolleginnen und Kollegen erfolgreicher zu positionieren, bieten mittlerweile viele Unternehmen Benefits und Zusatzleistungen an. Dazu zählen hochwertige Werkzeuge und Kleidung (77 %), Weihnachts- und Urlaubsgeld (71 %), die Möglichkeit, den Firmenwagen privat zu nutzen (63 %), betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen (62 %) oder ein Firmenhandy (52 %). Knapp jeder zehnte Betrieb (acht Prozent) lockt sogar mit einer Vier-Tage-Woche.
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