Hochschule simuliert Transportnetz für Wasserstoff
Er gilt als wertvoller Energieträger für das Gelingen der Energiewende: Allerdings sind zahlreiche Fragen zu den potenziellen Transportwegen von Wasserstoff bis dato ungeklärt. Ein Forschungsvorhaben an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg soll dringend benötigte Antworten liefern.
In drei „Wasserstoff-Leitprojekten“ will die Bundesregierung die für die Marktdurchdringung des Energieträgers benötigte Technologie weiterentwickeln. Ein wichtiger Punkt hierbei: die Transport-Infrastruktur. Sie soll im Wesentlichen aus umgewidmeten Erdgasleitungen bestehen. Im Projekt „MechaMod“, das zum Forschungsverbund „Systemanalyse“ des Leitprojekts „TransHyDE“ gehört, beschreibt und simuliert die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) das Verhalten wichtiger Anlagen in kommenden Wasserstoffnetzen und ihre Kopplung mit Stromnetzen.
Wie müsste eine funktionierende Infrastruktur für den Transport von Wasserstoff aussehen?
Rund 511.000 Kilometer lang ist aktuell das Rohrleitungsnetz, das nach Vorstellung der Bundesregierung künftig bundesweit Wasserstoff zu Kraftwerken, Unternehmen und weiteren Verbrauchern bringen soll. Eine zentrale Frage ist jedoch bisher ungeklärt: Ist dieses Erdgasnetz überhaupt für den Transport von Wasserstoff geeignet? Auf der Suche nach Antworten simuliert das Team der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg deshalb, wie die Netzinfrastruktur sich über die Jahre deutschlandweit beziehungsweise lokal entwickeln wird. „Wir beschreiben in Simulationen, welche Konsequenzen die Durchleitung in verschiedenen dynamischen Szenarien hat, vor allem hinsichtlich regionaler Kapazitäten, Qualität und sicherer Versorgung“, berichtet Projektleiterin Professor Dr. Tanja Clees, die dem Direktorium des Instituts für Technik, Ressourcenschonung und Energieeffizienz (TREE) der H-BRS angehört.
Der Schwerpunkt des Projekts „MechaMod“ liegt auf physikalisch-chemischen Detailmodellierungen für alle mechatronischen Anlagen des Netzes – von den Elektrolyseuren (in denen Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird) über die Verdichterstationen und Regler bis hin zu möglicherweise umgerüsteten Gas- und Dampfkraftwerken. Auch mögliche Brennstoffzellenkraftwerke, die es in Deutschland bislang nicht gibt, sind Teil der Simulationen. In diesen wird aus Wasserstoff und Sauerstoff Wasser erzeugt, und die dabei entstehende Energie in Form von Strom und Wärme genutzt. Bei ihren Simulationen kann die Hochschule bereits auf Erfahrungen mit Wasserstoff in der Industrie aufbauen. Beispielsweise verbindet ein 240 Kilometer langes Wasserstoffnetz seit Langem die Chemiestandorte in Dormagen und Leverkusen mit dem Ruhrgebiet.
Im Rahmen des auf vier Jahre angelegten Projekts werden unterschiedliche Szenarien berechnet, in denen mehrere Fragen eine Rolle spielen: Wieviel Wärme entsteht bei der Elektrolyse? In welcher Qualität wird der Wasserstoff in die Pipelines geschickt? Gibt es bei der Durchleitung weitere Verunreinigungen? Welchen Einfluss hat die Zusammensetzung des Gases auf Anlagen und Druckabfall? Wie reagieren Gas- und Stromnetz miteinander? „Wir wollen das Verhalten des Wasserstoffs sauber beschreiben und damit die Grundlage für weitere Forschungen legen“, sagt Clees. Das Team baue auch Softwaremodule, die anschließend den Projektpartnern als Fundament für deren Untersuchungen dienen sollen.
Herausforderung: Umrüstung bei laufendem Betrieb
„Das Leitungsnetz kann nicht so einfach im laufenden Betrieb auf Wasserstoff umgerüstet werden, wie es aktuell in Teilen Deutschlands bei der Umstellung von niederkalorischem Erdgas aus den Niederlanden auf hochkalorisches Erdgas aus Norwegen oder Russland der Fall ist“, sagt Clees. Klar sei aber, dass das ganze Energietransportsystem in den nächsten Jahren umgebaut werde. Konkret heiße das: 2019 sei ein Energiebedarf für Industrie und Haushalte in Höhe eines Heizwertes von 900 Terawattstunden mit Erdgas gedeckt worden. Bis zum Jahr 2050 soll ein prognostizierter Bedarf von mehr als 1.000 Terawattstunden jeweils zur Hälfte mit Wasserstoff und synthetischem Methan oder Biomethan gedeckt werden. Dafür müsse das Fernleitungssystem aufgespalten werden, so Clees.
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