Infrastruktur: Sind Gasleitungen bereit für Wasserstoff?
Kann die existierende Gas-Infrastruktur auch für den Transport von Wasserstoff genutzt werden? Forschende kommen zu einem eindeutigen Ergebnis.
Parallel zu einer verstärkten Elektrifizierung der Wärmeversorgung diskutieren Politik und Experten nach wie vor die Rolle, die der Energieträger Wasserstoff im Zuge einer fortschreitenden Dekarbonisierung übernehmen könnte. Während H2 zunächst vorrangig als Alternative für den industriellen Sektor gehandelt wurde, präsentieren nun zunehmend mehr Hersteller Geräte für das Eigenheim-Segment, die „H2-ready“ sind. Die Frage, wie der Wasserstoff zur Verbrauchstelle gelangt, blieb bisher allerdings weitgehend unbeantwortet. Der geläufigste Vorschlag: Man könne die vorhandene Gasinfrastruktur dafür nutzen. Doch sind die Rohre überhaupt für den Transport von Wasserstoff geeignet?
Bestehendes Versorgungsnetzwerk eingehend analysiert
Ein vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) beauftragtes Forschungsprojekt liefert nun erste Antworten auf diese Frage. Für das Projekt „SyWeSt H2“ (Stichprobenhafte Überprüfung von Stahlwerkstoffen für Gasleitungen und Anlagen zur Bewertung auf Wasserstofftauglichkeit) haben Mitarbeitende des Fernleitungsnetzbetreibers Open Grid Europe und der Materialprüfungsanstalt der Universität Stuttgart einen repräsentativen Querschnitt der in deutschen (und teilweise auch europäischen) Rohrleitungen verbauten Stähle extremen Betriebs- und Alterungseinflüssen unter Wasserstoff ausgesetzt und technisch geprüft. Proben der in deutschen Leitungen verbauten Stähle wurden umfassenden Messmethoden unterzogen, die gegenüber bisherigen Studien weitere Variablen wie zum Beispiel den Einfluss des Wasserstoffdrucks berücksichtigen. Dadurch sind genauere Lebensdauerprognosen sowie eine längere Prognostizierung der Betriebszeiten von Rohrleitungen möglich. Das Ergebnis: Die im deutschen Gasnetz verbauten Stahlrohrleitungen sind für den Transport von Wasserstoff geeignet. Sie weisen keine Unterschiede in Bezug auf die grundsätzliche Eignung für den Transport von Wasserstoff gegenüber Erdgas auf. Sowohl betriebsbedingte Alterung als auch die geforderte Bruchzähigkeit entsprechen den Erwartungen an eine Dekaden-überdauernde, sichere Verfügbarkeit.
Investition von 30 Milliarden Euro nötig
„Die Forschungsergebnisse sind wegweisend in die Wasserstoff-Zukunft. Von den drei Herausforderungen entlang der Wertschöpfungskette – Erzeugung, Transport und Nutzbarmachung – ist der Transport nun grundsätzlich gelöst“, so Professor Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW. In Leitungsnetzen werden die Rohre auch weiterhin genutzt werden können, und nur einzelne Einbauteile oder Stationselemente müssten ertüchtigt oder ausgetauscht werden. Der DVGW beziffert die Kosten für die Umrüstung des über 550 000 Kilometer langen deutschen Gasnetzes auf rund 30 Milliarden Euro. „Das ist volkswirtschaftlich sinnvoll, denn wir können auf eine bestehende Infrastruktur mit einem über viele Jahrzehnte getätigten Investitionsvolumen in Höhe von rund 300 Milliarden Euro zurückgreifen“, sagt Linke.