Ingenieurbüros und SHK-Handwerk: Zehntausende Stellen unbesetzt
Trotz voller Auftragsbücher wachsen die Sorgen auf deutschen Baustellen. Der Grund: Es fehlt massiv an Personal. Zehntausende offene Stellen in Planungsbüros und Handwerksbetrieben können derzeit nicht besetzt werden. Dies hat deutliche Effekte auf Wertschöpfung und Wärmewende.
Die gute Nachricht vorweg: Die Auftragsbücher sind gut gefüllt, die Auslastung hoch, solide Umsätze garantiert. Und dennoch stehen Planungsbüros und SHK-Betriebe vor mächtigen Herausforderungen: Nicht die auf den Baustellen durch die Pandemie verschärften Hygieneregeln oder die brüchigen Lieferketten bereiten der Branche die größten Sorgen, sondern der wachsende Fachkräftemangel. In knapp der Hälfte der deutschen Ingenieurbüros behindere er mittlerweile weiteres Wachstum, so der Verband Beratender Ingenieure (VBI). Zahlen nennt der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK): Weil offene Stellen nicht qualifiziert besetzt werden konnten, seien den Mitgliedsunternehmen im Jahr 2021 rund neun Milliarden Euro zusätzliche Umsatzleistung entgangen.
Planungsbüros: Ein Drittel der freien Stellen konnte 2021 nicht besetzt werden
Die Personalsituation in den bauplanenden Ingenieurbüros habe sich im vergangenen Jahr weiter verschärft, so der VBI. In einem Drittel der Unternehmen konnten freie Stellen aus Mangel an geeigneten Bewerberinnen oder Bewerbern überhaupt nicht besetzt werden. 41 % aller neueingestellten Beschäftigten kamen 2021 direkt von der Hochschule oder Universität. „Wir sehen mit großer Sorge, dass die Schere zwischen wachsenden Herausforderungen für die Baubranche und dem Mangel an fähigen Ingenieurinnen und Ingenieuren immer weiter aufgeht“, betont VBI-Präsident Jörg Thiele anlässlich der Vorstellung der VBI-Konjunkturumfrage in Berlin. „Wenn wir 400.000 neue Wohnungen jährlich bauen wollen, die lange vernachlässigten Brücken sanieren, die Schieneninfrastruktur ausbauen und Hochwasservorsorge betreiben wollen, müssen Politik und Baubranche gemeinsam Veränderungen anstoßen“, fordert Thiele. Der VBI schlage deshalb die Einrichtung eines „Runden Tischs Ingenieurnachwuchs“ vor, um schnell und systematisch mehr junge Leute für ein Ingenieurstudium zu gewinnen und auszubilden.
SHK-Handwerk zur Wärmepumpenkampagne: Bis 2030 fehlen jedes Jahr 60.000 Monteure
Auch dem Zentralverband Sanitär Heizung Klima bereitet der wachsende Fachkräftemangel Sorge. In der jüngsten Umfrage des Verbandes aus dem Winter 2021/22 haben die SHK-Betriebe 68.000 offene Stellen gemeldet, davon 41.000 an fehlendem technischen Personal. Mit Blick auf die von der Politik verfolgten Ziele der Klimaneutralität warnt ZVSHK-Präsident Michael Hilpert deshalb: „Es reicht nicht aus, wenn die Politik ehrgeizige Ziele benennt. Sie muss auch mit dafür sorgen, dass es genug qualifizierte Leute gibt, die diese Zielvorgaben umsetzen.“ Als Beispiel für die negativen Folgen des steigenden Fachkräftemangels im SHK-Handwerk verweist Hilpert auf die Pläne der Bundesregierung bis zum Jahr 2030 sechs Millionen Wärmepumpen installieren zu wollen: „Wir können jetzt schon sagen: In diesem knappen Zeitfenster fehlen unseren Betrieben allein dafür pro Jahr 60.000 Monteure.“ Neben der vom SHK-Handwerk getragenen und von der Branche umfänglich unterstützten Nachwuchswerbekampagne „Zeitzustarten“ verfolgt der ZVSHK eigene Projekte und Maßnahmen, um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken. Dazu zählen die Verbesserung der Produktivität auf der Baustelle und im Büro, die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland oder auch ein verbessertes betriebliches Gesundheitsmanagement, um Monteure länger im Beruf zu halten. Zudem stehen die Weiterbildung und Weiterqualifizierung der Beschäftigten ganz oben auf der Agenda der Verbandsorganisation. „Neue Heiztechnologien, wie etwa die Einbeziehung von Wasserstoff oder auch die immer smarter werdende Gebäudetechnik unter Einbindung elektrotechnischer Komponenten verlangen nach grundlegenden Schulungsmaßnahmen für die Beschäftigten und das konsequent über das ganze Berufsleben hinweg“, ergänzt Helmut Bramann, Hauptgeschäftsführer des ZVSHK. „Wir haben hierzu einiges an Vorschlägen entwickelt, mit denen wir in Kürze auf die Politik zugehen werden. Denn die Politik muss endlich sehen und begreifen, dass sie ihre Ziele nur erreichen wird, wenn sie dazu ausreichend Umsetzer im Markt hat.“
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