Kein Öl und Erdgas für Neubauten schon ab 2024?
Die Bundesregierung, vertreten durch Robert Habecks Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und Steffi Lemkes Umweltministerium, gibt Gas, was den Umbau der Energieversorgung angeht. Das schon vor dem Ukraine-Krieg angekündigte Osterpaket mit einer massiven Novellierung des GEG wird derzeit an die neue Lage durch weitere Bestimmungen in Richtung Versorgungssicherheit angepasst.
Im Osterpaket enthalten sind die vollständige Dekarbonisierung des Stromsektors bis 2035 durch den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Verbesserung der geltenden Rahmenbedingungen. Die laufen auf eine Verdoppelung und Verdreifachung des Ausbaus von Windenergie und Photovoltaik in den nächsten Jahren hinaus. Instrumente dafür sind eine Vergütungserhöhung für Dach-PV und die ohnehin schon beschlossene Streichung der EEG-Umlage ab Juli dieses Jahres. Ebenfalls im Gespräch ist das Vorziehen des Aus für Heizöl im Neubau schon ab Ende 2024 und ebenfalls ein Stopp für fossiles Erdgas im Neubau. Zu den weiteren Maßnahmen gehören: Wasserstoffhochlauf, Novelle des Windenergie-auf-See-Gesetzes, LNG-Terminal in Brunsbüttel.
Abhängigkeit vom Gas reduzieren
Neben der Reduzierung der Abhängigkeit und dem Ausbau der Erneuerbaren ist die Reduktion des Gasverbrauchs extrem wichtig. Das Bundeswirtschaftsministerium erarbeitet für das Osterpaket eine konsequente Strategie für eine Reduktion des Gasverbrauchs, etwa über Heizungsoptimierung und Gebäudedämmung, die Umstellung der Wärmeversorgung auf Wärmepumpen – mit entsprechender Förderung –, über Wärmenetze, Biomasse und Hybridsysteme. Grundhaltung der Ministerien: In bestimmten Bereichen, wie zum Beispiel im Gebäudeneubau, hat fossiles Gas schon jetzt nichts mehr zu suchen.
Neue Anlandemöglichkeiten für Flüssiggas
Um neue Importmöglichkeiten zu schaffen und die Unabhängigkeit von Russland überhaupt erreichen zu können, ist eine neue Infrastruktur nötig – perspektivisch für Wasserstoff, kurz-bis mittelfristig aber auch noch für Gas. Daher setzt die Bundesregierung auf eigene LNG-Anlandepunkte in Deutschland einschließlich der notwendigen Infrastrukturanbindung. Sie treibt die Errichtung voran. In diesem Zusammenhang wurde am 4. März 2022 von KfW, Gasunie und RWE ein Memorandum of Understanding zur gemeinsamen Errichtung eines Terminals für den Import von Flüssigerdgas (LNG) am Standort Brunsbüttel unterzeichnet. Das Terminal schafft mit einer jährlichen Regasifizierungs-Kapazität von acht Milliarden Kubikmeter eine direkte Möglichkeit, Erdgas für den deutschen Markt aus Regionen zu beziehen, die durch Gasleitungen nicht zu erreichen sind, wie etwa Katar. Perspektivisch ist vorgesehen, das Terminal für den Import von grünen Wasserstoffderivaten wie Ammoniak umzurüsten.
Atomkraft bleibt keine Alternative
Kommt angesichts einer Erdgasverknappung eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke (AKW) infrage? Beide genannten Ministerien haben gemeinsam geprüft, ob und inwiefern eine Verlängerung zur Energiesicherheit beiträgt. Das Fazit ist, dass eine Verlängerung der Laufzeiten nur einen sehr begrenzten Beitrag zur Lösung des Problems leisten könnte und dies nur zu sehr hohen wirtschaftlichen Kosten. Die hohe Abhängigkeit von Gas aus Russland besteht vor allem im Bereich der Wärmeerzeugung und der Industrie. Hier spielen Atomkraftwerke aber keine Rolle. Im Strombereich decken die drei sich noch am Netz befindlichen AKW Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 mit insgesamt 4.300 Megawatt Leistung (brutto) im Durchschnitt rund 30 Terawattstunden pro Jahr ab – das sind nur etwa fünf Prozent der deutschen Stromproduktion. Und sie würden nicht Strom aus Gaskraftwerken, sondern vor allem Strom aus Kohlekraftwerken ersetzen, mithin in der aktuellen Gaskrise kaum einen Beitrag zur Erhöhung der Unabhängigkeit von russischen Gasimporten leisten. Denn eben aufgrund der aktuellen Krise ist Gas sehr teuer. Damit stehen Gaskraftwerke als letzte Kraftwerke in der sogenannten Merit Order, also der Einsatzreihenfolge der Kraftwerke – sie kommen derzeit selten zum Einsatz.
Die zusätzliche Inbetriebnahme abgeschalteter AKWs verbessert damit auch nicht die Versorgungssituation. Sie würde aber auch aus einem anderen Grund nicht kurzfristig zu einer Entspannung beitragen können, da das Atomenergiegesetz ihre Wiederindienststellung der eines neuen AKW gleichstellt. Das Gesetz verlangt Sicherheitsvorkehrungen nach dem neu eingeführten ERP-Standard (Druckwasserreaktoren). Der beschränkt das Risikogebiet einer Kernschmelze auf die unmittelbare Reaktorumgebung. Diesen Standard erfüllt hierzulande keins der abgeschalteten Kernkraftwerke. Das Atomenergiegesetz müsste deshalb geändert werden, das heißt, sämtliche parlamentarischen Instanzen passieren (Zweidrittel-Mehrheit), Bürger- und Umweltschutzbewegungen standhalten.
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