Nachträgliche Leistungsänderungen: Was ist bei der Vergütung zu beachten?
Wenn ein Auftraggeber nachträglich eine geänderte Leistung (Paragraf 2 Abs. 5 VOB/B) anordnet, stellt sich die Frage, wie dies zu vergüten ist. Mangels Einigung muss eine ergänzende Vertragsauslegung vorgenommen werden.
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 8. 8. 2019 (VII ZR 34/18) entgegen der bis dahin ganz herrschenden Ansicht entschieden, dass eine Preisanpassung bei Massenmehrungen nicht aufgrund einer vorkalkulatorischen Preisfortschreibung unter Berücksichtigung der ursprünglichen Kalkulation und der sich ergebenden Mehr- und Minderkosten zu ermitteln sei, sondern mangels anderweitiger Einigung der Parteien die tatsächlichen Kosten der zehn Prozent überschreitenden Massenmehrung zuzüglich angemessener Zuschläge für Allgemeine Geschäftskosten und Gewinn maßgeblich seien. Der BGH gelangt zu diesem Ergebnis über eine ergänzende Vertragsauslegung. Paragraf 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B enthalte keine Regelung zur Höhe der Anpassung der Vergütung. Unter redlichen Vertragsparteien würde ein Maßstab gewählt, der bei keiner Partei zu einer Besser- oder Schlechterstellung führe: Weder solle der Auftragnehmer eine unauskömmliche Vergütung fortschreiben müssen, noch solle der Auftraggeber durch einen üppig kalkulierten Preis belastet werden.
Preisanpassung problemlos aufgrund der Urkalkulation möglich?
Zwischenzeitlich haben Instanzgerichte diese Rechtsprechung auch auf Preisanpassungsansprüche nach Paragraf 2 Abs. 5 VOB/B (KG, Urteil vom 10. 7. 2018 – 21 U 30/17 –; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. 12. 2019 – 5 U 52/19 –; OLG Frankfurt, Urteil vom 21. 9. 2020 – 29 U 171/19 –) und Paragraf 2 Abs. 6 VOB/B (KG, Urteil vom 27. 8. 2019 – 21 U 160/18 –) übertragen. Davon abweichend vertritt das OLG Schleswig (Urteil vom 17. 12. 2020 – 7 U 21/18 –) eine andere Ansicht. Vertraglich vereinbart waren in dem zu entscheidenden Fall unter anderem punktuelle Baggerarbeiten an einer Wasserstraße zur Abtragung von Erdablagerungen, die sich durch die Strömung und die Schifffahrt an bestimmten Stellen absetzen. Nachträglich hatte der Auftraggeber angeordnet, dass die gesamte Fahrrinne um 20 Zentimeter vertieft werden sollte, was Flächenbaggerungen erforderlich machte. Der Auftragnehmer forderte eine Zulage zum ursprünglichen Einheitspreis. Dadurch änderten sich die Grundlagen der Preisermittlung. Der Auftraggeber wollte nur die tatsächlichen Kosten vergüten.
Das OLG Schleswig geht davon aus, dass auch Paragraf 2 Abs. 5 VOB/B keine Regelung über die Preisanpassung enthält, wendet aber nicht die Grundsätze des BGH auf diese Konstellation an. Das OLG nimmt ebenfalls eine Auslegung vor: Maßstab ist, was die Parteien vereinbart hätten wenn sie den im Vertrag nicht geregelten Fall bedacht hätten. Nach der Ansicht des Gerichtes kommt bei der Höhe der Nachtragsvergütung wegen geänderter Leistungen den vorkalkulatorischen Kostenansätzen in der Urkalkulation indizielle Bedeutung zu, wenn sie Anhaltspunkte für die Vergütungshöhe erkennen lässt. Im vorliegenden Fall hatten die Parteien Preise für unterschiedliche Arten von Baggerleistungen vereinbart, die zum Teil mit der geänderten Leistung vergleichbar sind. Das Gericht vertritt die Meinung, dass in einem solchen Fall eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass die Parteien sich an diesen Preisabreden orientiert hätten, wenn sie vorher bedacht hätten, dass die nunmehr geänderte Leistung anfallen würde. Im Leistungsverzeichnis gibt es eine Position für Flächenbaggerungen, und das Gericht gelangt im Weg der ergänzenden Vertragsauslegung zu der Überzeugung, dass der dort vereinbarte Preis auch für die fragliche Position nach Änderung vereinbart worden wäre. Das Gericht sieht offenbar einen Unterschied zu dem Fall der Massenmehrung darin, dass dort nur die eine Position als Anhaltspunkt zur Verfügung steht, während in dem nunmehr entschiedenen Fall eine Reihe von Positionen mehr oder weniger vergleichbar ist und daher als Orientierung dienen können. Die kalkulierten Kosten stellen in diesem Fall ein Hilfsmittel für die Ermittlung des „neuen Preises“ im Sinne des Paragrafen 2 Abs. 5 VOB/B dar. Besonderheiten der Nachtragsleistung, die über die herangezogenen Vergleichspositionen nicht abgebildet sind, können gesondert – auch im Wege der richterlichen Schätzung – berücksichtigt werden. Wie der BGH geht auch das OLG Schleswig davon aus, dass eine Einigung der Parteien über die Vergütung für einen Nachtrag vorrangig ist und eine anderweitige Ermittlung zur Preisanpassung über eine ergänzende Vertragsauslegung überflüssig macht.
Verschiedene Urteile zu Änderungsleistungen
Es erscheint fraglich, ob sich angesichts der breiten zitierten Rechtsprechung die Ansicht des OLG Schleswig generell durchsetzen wird. Angesichts des identischen Wortlauts in Paragraf 2 Abs. 3 Nr. 2 und Paragraf 2 Abs. 5 VOB/B („ein neuer Preis [ist] unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu vereinbaren“) liegt es nahe, die Rechtsprechung des BGB, so wie es die Instanzgerichte überwiegend getan haben, auch auf Änderungsleistungen anzuwenden. Allerdings hat die Auslegung einer Vereinbarung immer auf den Einzelfall bezogen zu geschehen. Gibt es tatsächlich vergleichbare Positionen im Vertrag, kann eine Auslegung wie sie das OLG Schleswig vorgenommen hat im konkreten Fall zutreffend sein. Im Zweifel wird es auf die tatsächlichen Kosten ankommen.
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