Nationale Wasserstoffstrategie: Kernnetz soll bis 2032 entstehen
Bis Ende 2023 muss die Bundesregierung nach Energiewirtschaftsgesetz ein Konzept zum Aufbau des deutschen Wasserstoffnetzes vorlegen. Der Plan sieht eine kosteneffiziente Netzinfrastruktur vor, die mit dem Wasserstoffmarkt wächst und in den EU-Binnenmarkt eingebettet ist. Raumwärme spielt nur eine Nebenrolle.
Die Bundesregierung hat Mitte August die „Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie“ als Unterrichtung des Parlaments vorgelegt. Wesentliches Ziel der Fortschreibung ist es demnach, den Markthochlauf von Wasserstoff durch „konkrete und nachgeschärfte Maßnahmen“ weiter zu beschleunigen. Zur Planung und Realisierung eines Wasserstoffnetzes erarbeitete vornehmlich das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ein zweistufiges Konzept. Dieses umfasst im ersten Schritt den kurzfristigen Aufbau eines Kernnetzes als Grundgerüst der Infrastruktur, in einem zweiten Schritt den Übergang zu einer umfassenden und integrierten Versorgung. Das Kernnetz wird laut Plan bis 2032 deutschlandweit zentrale Wasserstoffquellen und -Einsatzorte über überregionale Korridore anbinden, beispielsweise große Industriezentren, Speicher, Kraftwerke und Importkorridore. Hierfür sind sowohl West-Ost- als auch Nord-Süd-Korridore wichtig. Es wird vor allem Transportleitungen umfassen – dies beinhaltet sowohl die Umrüstung von bestehenden Leitungen als auch den Neubau von Trassen.
Ein Zweistufenplan
Ziel der zweiten Stufe ist ein flächendeckendes, regionales Netz ausgerichtet am Wasserstoffbedarf der jeweiligen Region. Diese Planung wird sich an den bestehenden Netzentwicklungsprozessen aus dem Strom- und Erdgasbereich orientieren und über das Kernnetz hinaus weitere Wasserstoffverbraucher und -erzeuger sowie -speicher einbeziehen. Eine der Vorgaben besteht darin, mit dem Projekt die Importmöglichkeiten von Wasserstoff und die Einbindung von Elektrolyseuren zu verbessern, um einen erkennbaren Bedarf auch mit außerhalb der EU erzeugtem Wasserstoff und Wasserstoffderivaten abdecken zu können Hinsichtlich der industriellen Wasserstoffnachfrager sind für das Wasserstoff-Kernnetz insbesondere die Bereiche zu berücksichtigen, bei denen aus heutiger Sicht alternativ zur Wasserstoffnutzung keine sinnvolle Option zur Dekarbonisierung des Industrieprozesses besteht. Dies betrifft insbesondere Prozesse der Eisen- und Stahlindustrie, der Chemieindustrie, von Raffinerien und der Glasindustrie.
In den nächsten Monaten beabsichtigt das BMWK die Durchführung mehrerer Veranstaltungen zu den verschiedenen Wasserstoff-Importkorridoren. Das Produktionsvolumen in Finnland und Schweden etwa übersteigt den dortigen Bedarf. Für den Nordseeraum erstellt deshalb auf der Grundlage bilateraler Vereinbarungen das Ministerium derzeit eine Machbarkeitsstudie zu einer Lieferkette ab 2030 aus Norwegen. Im Rahmen der Wasserstoffpartnerschaft mit Dänemark soll ferner eine Pipeline ab 2028 den Betrieb aufnehmen. Ebenfalls führt Berlin Gespräche über mögliche Pipeline-Projekte im Ostseeraum. Dabei stehen aktuell drei mögliche Linien zur Diskussion: Erzeugung in Schweden und Finnland und Abtransport über eine Offshore-Pipeline mit Anlandung in Mecklenburg-Vorpommern. Diese Brücke gestattet, verschiedene Wasserstoff-Produktionsinseln in der Ostsee miteinander zu vernetzen. Alternativ: eine Onshore-Pipeline mit Transit über die Baltischen Staaten, Polen und Anlandung in Brandenburg. Eine weitere Offshore-Pipeline könnte die Dänische Wasserstoff-Produktionsinsel Bornholm an Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern koppeln.
Pilotprojekte für den Wärmemarkt
Zur Wärmeversorgung im Gebäudesektor trug die Bundesregierung dem Parlament vor: „Allgemein wird der Einsatz von Wasserstoff in der dezentralen Wärmeerzeugung nach derzeitigem Erkenntnisstand eine eher nachgeordnete Rolle spielen. Mit Blick auf die Nutzungskonkurrenz zwischen den Sektoren Industrie, Verkehr und Gebäuden ist davon auszugehen, dass in den Sektoren Industrie und Verkehr die Nachfrage nach Wasserstoff vermutlich auch bei relativ hohen oder steigenden Preisen konstant bleibt, während bei vielen Gebäuden und Quartieren Ausweichmöglichkeiten und Substitute bestehen. Ein direkter Wasserstoffeinsatz in der Raumwärme wird nach aktuellem Wissensstand außer in Pilotprojekten nur nach 2030 gesehen.“
Die Unterrichtung räumt jedoch ein: „Die Nutzung von Wasserstoff-Kesseln oder Wasserstoff-KWK-Anlagen kann in Gebäuden, an denen kein Wärmenetz anliegt und in denen sich Wärmepumpen nicht effizient betreiben lassen, aber eine notwendige Technologieoption darstellen, wenn in der Nachbarschaft ohnehin Wasserstoffgroßabnehmer anliegen und ein ausreichendes Wasserstoffangebot zu niedrigen Preisen zur Verfügung steht. In diesen voraussichtlich eher vereinzelten Fällen kann die Nutzung von hybriden Heizsystemen, bei denen durch Wasserstoff die Spitzenlasten abgedeckt werden, zur Entlastung des Stromsystems und Flexibilität des Gesamtsystems beitragen. Ob die Umrüstung von Erdgasverteilnetzen auf Wasserstoff und deren Betrieb für diese Nachfragemengen wirtschaftlich sinnvoll ist, ist zu prüfen.“
Kombination mit Biomethan
Entscheidungen zu derartigen Transformationspfaden „sollten unter Berücksichtigung der lokalen Randbedingungen, vorgelagerten Infrastrukturen, vor allem eine räumliche Nähe zum nationalen Wasserstoff-Backbone, und der erwarteten Wirtschaftlichkeit der Wärmeversorgung einschließlich der Verteilnetzumrüstung anhand noch zu bestimmender, wissenschaftlich fundierter Kriterien getroffen werden. Hierbei soll die kommunale Wärmeplanung zum Einsatz kommen, die als zentrales Planungsinstrument flächendeckend eingeführt werden soll. Für die Bereitstellung von Raumwärme ist im Einzelfall auch zu prüfen, ob Wasserstoffderivate in Kombination mit Biomethan für ausgewählte Gasnetze eine Dekarbonisierungsoption darstellen können.“