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Honorierung 01.09.2015, 00:00 Uhr

Planerhonorar und HOAI – wie groß ist der Beurteilungsspielraum?

Das Planungshonorar richtet sich nach der Parteivereinbarung, die wiederum an den Mindest- und Höchstsätzen der HOAI zu messen ist, Paragraf 7 Abs. 1 HOAI. Das Berechnungssystem der HOAI geht aus von den anrechenbaren Kosten, dem Leistungsbild, der Honorarzone und der Honorartafel bei Beachtung des erbrachten Leistungsumfangs. Diese Honorarparameter sind nach objektiven Gesichtspunkten zu ermitteln.

Bild: panthermedia.net/chika_milan

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Das OLG Hamm (Urteil vom 13.01.2015 – 24 U 136/12) hatte folgenden Fall zu entscheiden: Im Rahmen eines umfangreichen Rechtsstreits rechnet der beklagte Architekt mit einer Gegenforderung auf, die daraus resultiere, dass abweichend von der im Planungsvertrag zugrunde gelegten Honorarzone III tatsächlich die Honorarzone IV zutreffend sei. Statt des vereinbarten Mittelsatzes der Honorarzone III habe er daher Anspruch auf den Mittelsatz der Honorarzone IV.

Vergleichrechnung hilft bei der Einschätzung

Wenn objektiv die Honorarzone IV die zutreffende ist, ist diese einer fiktiven Vergleichsberechnung zugrunde zu legen, um zu prüfen, ob das vereinbarte Honorar den nach HOAI zutreffenden Mindestsatz erreicht. Maßstab ist allerdings ungeachtet der Vereinbarung zum Honorarsatz stets nur der Mindestsatz. Wenn die Honorarzone IV richtig ist, hat der Architekt daher nur Anspruch auf Erhöhung seines Honorars auf den Mindestsatz unter Zugrundelegung der Honorarzone IV, niemals dagegen auf Erhöhung auf den Mittelsatz.

Kernfrage war im übrigen, ob eine unzulässige Mindestsatzunterschreitung vorliege. Dazu hat das Gericht ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Sachverständige hat zur Bewertung des Objekts eine Punktebewertung vorgenommen, wie sie für Architektenleistungen, Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen vorgesehen ist. Wie die Punkte auf die fünf Honorarzonen verteilt werden, wird von verschiedenen Kommentatoren und Autoren unterschiedlich gehandhabt, ohne dass es allerdings zu gravierenden Unterschieden kommt. Der Sachverständige kommt nach einer eigenen Methode, die Mittelwerte aus den vertretenen Auffassungen bildet, zu einer Bewertung des streitgegenständlichen Objekts mit 27,0 Punkten. Die Honorarzone III reicht von 19 bis 26 Punkten, die Honorarzone IV von 27 bis 34 Punkten (Paragraf 35 Abs. 6 HOAI). Damit gelangt der Sachverständige zu einer Einordnung im unteren Bereich der Honorarzone IV.

Bewertungsspielraum in der HOAI?

Dennoch verneint das Gericht die Anwendung der Honorarzone IV, da sich die vertragliche Vereinbarung noch im Rahmen des den Parteien zustehenden Beurteilungsspielraums halte.

Das Gericht stützt sich dabei auf eine Entscheidung des BGH (BauR 2004, 354, 355), der vom Grundsatz ausgehend, dass es für die Einordnung in die zutreffende Honorarzone auf eine objektive Beurteilung der für die Bewertung maßgeblichen Kriterien ankomme, ausgeführt hat: „Soweit die Parteien im Rahmen des ihnen durch die HOAI eröffneten Beurteilungsspielraums eine vertretbare Festlegung der Honorarzone vorgesehen haben, ist dies vom Richter regelmäßig zu berücksichtigen.“

Der BGH sieht also einen Beurteilungsspielraum innerhalb der HOAI, obwohl er unmittelbar vorher von einer rein objektiven Betrachtungsweise ausgegangen ist. Nach dem Wortlaut der HOAI ist ein Beurteilungsspielraum allerdings nicht eröffnet. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass und welche Gesichtspunkte außerhalb der objektiven Ermittlung der Honorarzone nach den Vorgaben der HOAI eine Rolle spielen und einen Spielraum gewähren könnten.

Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass bereits die Punktebewertung selbst einen gewissen Beurteilungsspielraum bietet: Die Einschätzung des Bewerters entscheidet letztlich über die konkrete Punktevergabe und damit Einordnung des Objekts. Gerade in Fällen, die knapp an der Grenze der jeweiligen Honorarzone liegen, ist ein gewisser subjektiver Einschlag nicht zu verkennen. Auch wenn ein Bewerter mit nachvollziehbarer Begründung 26 Punkte vergibt, kann ein anderer Bewerter möglicherweise mit ebenso guter Begründung zu einer Bewertung mit 27 Punkten und damit zur Einordnung in eine andere Honorarzone gelangen.

Verschiedene Bewertungen sind vertretbar

In diesem Sinne wird die Entscheidung des BGH auch verstanden: Zwar handelt es sich um einen grundsätzlich objektiven Honorarparameter, doch gibt es im Grenzbereich (zum Teil wird eine Abweichung von bis zu zwei Punkten akzeptiert) Fälle, in denen eine Vereinbarung vertretbar sein kann, auch wenn eine andere Bewertung ebenfalls vertretbar ist. Dann entscheidet nicht der „Zufall“, zu welchem Ergebnis die Einschätzung eines Sachverständigen gelangt, sondern es bleibt bei der vertraglichen Vereinbarung, die jedenfalls nicht als eindeutiger Verstoß gegen die HOAI angesehen werden kann.

Danach hat das Gericht dem Beklagten die Berufung auf die Honorarzone IV versagt.

In der Literatur wird zum Teil jeglicher Beurteilungsspielraum verneint und eine rein objektive Sichtweise eingenommen. Danach wäre es auf die Bewertung des Sachverständigen angekommen, die klar zur Honorarzone IV führt.

Nach dem BGH ist das OLG Hamm das zweite Gericht, das für die Honorarzone von einem (eng begrenzten) Beurteilungsspielraum ausgeht. Für die Praxis dürfte damit die Linie vorgegeben sein.

Für die Technische Gebäudeausrüstung ist zwar keine Punktebewertung vorgesehen; auch dort kann es aber bei der Zuordnung der Anlagengruppe (Anlage) zu einer Honorarzone nach Paragraf 56 Abs. 2 HOAI zu Grenzfällen kommen. Dann dürften grundsätzlich dieselben Maßstäbe anzulegen sein, wie auch bei Architekten, wenn auch der Spielraum geringer ausfallen dürfte.

Von Dr. Reinhard Voppel

Dr. Reinhard Voppel Rechtsanwaltskanzlei Osenbrück, Bubert, Kirsten, Voppel Bild: Foto Stephan Behrla/Nöhrbaß GbR