Regierung: Ausbau der Erneuerbaren geht zu langsam voran
Am 11. Januar diskutierte der Deutsche Bundestag den von der Bundesregierung vorgelegten Monitoringbericht zum Thema „Erneuerbare Energien 2030“. Erreichen wir bis 2030 die angestrebten 750 Terawattstunden aus grüner Energie? Beim derzeitigen Ausbautempo: Nein.
Der periodisch von der Regierung zu erstellende Monitoringbericht zur Information des Bundestags ist eine Auflage des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Er enthält auf 500 Seiten den Sachstand (Stand Oktober/November 2022), geht auf technologiespezifische Ausbaupfade ein und orientiert sich in seinen Bemerkungen und Analysen an den im EEG 2023 verankerten Zwischenzielen bis 2030 für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Demnach soll der Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms am Bruttostromverbrauch auf 80 % (EEG 2023) steigen. Für das Jahr 2030 geht die Bundesregierung von einem Bruttostrombedarf von 750 Terawattstunden aus, gegenüber 535 Terawattstunden in 2022. Der Anstieg ist vor allem auf die zunehmende Elektrifizierung des Verkehrs- und des Wärmesektors zurückzuführen, das heißt unter anderem auch auf den Zubau von Wärmepumpen. Die 750 Terawattstunden bedingen aber auch, dass der Anteil der Erneuerbaren in den kommenden Jahren im Durchschnitt um über vier Prozentpunkte pro Jahr wächst. Ab 2035 soll laut EEG „die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral erfolgen“. Ein realistisches Ziel? Die Verfasser des Monitoringberichts sind sich einig: Demnach reicht die aktuelle Zubaudynamik „bei Weitem noch nicht aus, um auf den Zielpfad des EEG 2023 einzuschwenken.“
Erfasste Daten und Prognosen kombiniert
Die Verfasser des Energieberichts 2022, Mitarbeiter der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamts, nutzten für die Erstellung Fakten und Prognosen. Fakten: erfasste Daten einschließlich des dritten Quartal 2022, also bis Ende September. Prognosen: für Zeitfenster danach. Insgesamt wurden demnach in den ersten drei Quartalen 2022 etwa 195 Terawattstunden Strom aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt – und damit rund 19 Terawattstunden mehr als im windschwächeren und sonnenärmeren Jahr 2021. Hauptgrund für den Anstieg waren vor allem die im Vergleich zum Vorjahr sehr windstarken Monate Januar und Februar. Aber auch die Stromerzeugung aus Photovoltaik lag durch den starken Zubau neuer Anlagen und dem sehr sonnigen Sommer deutlich über dem Niveau der Vorjahre. Nur: Dies alles genügt nicht.
Windenergie: Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen, Flächen bereitstellen
Bei der Windenergie an Land (Wind onshore) müssen die Ausbauraten auf ein Niveau von zehn Gigawatt pro Jahr steigen, um im Jahr 2030 insgesamt rund 115 Gigawatt Windleistung am Netz zu haben (aktuell 58 Gigawatt). Das scheint unter Berücksichtigung sämtlicher Einflussfaktoren das maximal Realisierbare zu sein und diesen Beitrag zum Klimaschutz soll denn auch Wind onshore leisten. Derzeit bewegt sich der Zubau bei gerade einmal rund 2,5 Gigawatt. Mittel- und langfristig sieht der Masterplan eine installierte Leistung von 157 Gigawatt im Jahr 2035 vor, 160 Gigawatt im Jahr 2040 und nach 2040 ein konstantes Niveau von 160 Gigawatt. Um die Windenergie an Land deutlich auszubauen, sollen Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt und die notwendigen Flächen bereitgestellt werden. Das neue „Windenergie-an-Land-Gesetz“ gibt dazu künftig verpflichtende Flächenziele vor, nämlich zwei Prozent. Bislang weist der Flächenplan lediglich 0,8 % der Landesfläche für Windenergie aus. Zur Wahrheit gehört aber auch: Nur 0,5 % sind tatsächlich verfügbar. Zum Erreichen des Zwischenziels in Höhe von 1,4 % der Bundesfläche im Jahr 2027 bedarf es mithin einer Verdopplung der aktuell ausgewiesenen Fläche. Im Bericht an den Bundestag schreibt die Regierung, es lägen derzeit jedoch nicht genügend Genehmigungen vor, um die Ausbaumengen des EEG 2023 zu erfüllen. „Sowohl mit Blick auf die aktuell rechtswirksam ausgewiesenen Flächenkulissen als auch die aktuellen Genehmigungszahlen für die Windenergie an Land wird deutlich, dass diese nicht ausreichen, um die derzeitigen Ziele bis 2030 und darüber hinaus zu erreichen.“ Schon die Dauer der Genehmigungsverfahren bremse die Beschleunigung ein. Eine Baugenehmigung liege im Mittel erst zwei Jahre nach Antragstellung vor, las der Bundestag im Monitoringbericht. Im Mittel heißt, sagt der Bundesverband Windenergie, dass es auch 40 oder 50 Monate sein können. Das Verfahren müsse um das Vierfache beschleunigt werden. Wind offshore: installiert 1. Januar 2023 etwa 8,13 Gigawatt, Zubau 2022 etwa 0,34 Gigawatt. Ziel 2030: 30 Gigawatt.
Photovoltaik: Weit hinter dem nötigen Zubau zurück
Ende 2022 betrug laut Bundesnetzagentur die gemeldete installierte Erzeugungsleistung 62,3 Gigawatt. Nicht registrierte Anlagen hinzugerechnet, dürfte sich die Gesamtleistung derzeit auf 65,5 Gigawatt belaufen. Die Bundesregierung hat für 2030 215 Gigawatt anvisiert, angelehnt an die 80 % regenerative Energie. Im November 2022 erhöhte sich der Bestand um etwa 0,68 Gigawatt. Um die 215 Gigawatt bis 2030 nicht zu verfehlen, müssten es nach Berechnungen der Bundesnetzagentur monatlich 1,5 Gigawatt Nettoleistung sein. Damit erreichen die Zahlen für November nicht einmal die Hälfte des notwendigen Zubaus.
Monitoringbericht: Effekte des Wärmepumpenhochlaufs nicht berücksichtigt
Der Monitoringbericht berücksichtigt nicht den voraussichtlichen Strombedarf für den Wärmepumpenhochlauf. Den beschloss der 2. Wärmepumpengipfel im November 2022 est nach Redaktionsschluss für den Bericht an den Bundestag. Das Habeck-Ministerium nannte ein Ziel von rund sechs Millionen Wärmepumpen in 2030 sowie einen Zubau von mindestens 500.000 Wärmepumpen pro Jahr ab 2024. Durch den verstärkten Einsatz von Wärmepumpen steigt die Nachfrage nach Strom in Deutschland, vor allem in der Heizperiode. Soll der zusätzliche Bedarf vollständig aus erneuerbaren Energien gedeckt werden, müssen die entsprechenden Kapazitäten erweitert werden. Da die Windenergie bereits ohne Wärmepumpen an die für das Jahr 2030 angenommenen Ausbaugrenzen von 115 Gigawatt (Windkraft an Land) beziehungsweise 30 Gigawatt (Windkraft auf See) stößt, muss nach dem derzeitigen Stand der Planungsüberlegungen wohl vor allem mehr Photovoltaik ans Netz, als der Monitoringbericht mit 135 Millionen Gigawatt in 2030 beziffert.
Wärmepumpe: DIW stellt verschiedene Szenarien auf
Im Projekt „Ariadne“ des BMWK vergleicht das beauftragte Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) den erneuerbaren Strombedarf 2030 mit und ohne Wärmepumpen-Hochlauf. Dafür stellt es einem Referenzszenario in Form eines Säulendiagramms mit dem Wärmepumpenbestand von 2022 (hier angenommen 1,7 Millionen Wärmepumpen) verschiedenen Szenarien mit den notwendigen Anteilen von erneuerbaren Energien in 2030 mit Wärmepumpen-Hochlauf gegenüber. Die 1,7 Millionen Geräte dürften dem Stand Ende 2023 entsprechen. 2022 erhöhte sich der Bestand in Deutschland laut Bundesverband Wärmepumpe (BWP) um 236.000 Installationen auf etwa 1,4 Millionen Anlagen.
Im Szenario „Unteres Ziel“ bewegt sich die Zahl der Wärmepumpen bei 3,9 Millionen, wobei der Zubau ausschließlich in Ein- und Zweifamilienhäusern erfolgt. Im Szenario „Oberes Ziel“ beheizen im Jahr 2030 etwa 6,5 Millionen Wärmepumpen Häuser und Wohnungen und im Szenario „Oberes Ziel +“ beläuft sich die Gesamtzahl auf 7,5 Millionen Geräte. In diesem dritten Szenario stellen die Wärmepumpen knapp ein Viertel der gesamten Raum- und Warmwasserwärme zur Verfügung.
Gegenüber dem Referenzszenario muss im „Unteres Ziel“ eine zusätzliche Kapazität von knapp vier Gigawatt Photovoltaik geschaffen werden, im oberen Zielszenario von gut 18 Gigawatt. Dies entspricht 1,7 beziehungsweise 3,8 Kilowatt je Wärmepumpe. Der höhere Bedarf im zweiten Szenario erklärt sich unter anderem daraus, dass die zusätzlichen 2,2 Millionen Wärmepumpen im Szenario „Unteres Ziel“ noch teilweise mit Überschussstrom aus erneuerbaren Energien gespeist werden können, die im Referenzszenario vorhanden sind. Im Szenario „Oberes Ziel“ sind diese Überschüsse weitgehend aufgebraucht. Es wird folglich mehr Erzeugungskapazität benötigt.
Im Szenario „Oberes Ziel +“ liegt der zusätzliche Bedarf bei der Photovoltaik mit knapp 37 Gigawatt (6,3 Kilowatt je Wärmepumpe) noch einmal deutlich höher. Dies entspricht einer Steigerung der Photovoltaik-Kapazität von rund 23 % gegenüber den 135 Gigawatt für 2030 im EEG 2023 beziehungsweise dem „Monitoringbericht Energie 2022“. Dieser geht nur allgemein auf den Wechsel von Kessel zu Wärmepumpe ein, da zu Redaktionsschluss die Absichten und Beschlüsse des 2. Wärmepumpengipfels von November 2022 zwar bekannt waren, aber mathematisch nicht mehr durchkalkuliert werden konnten. Der Bericht beschränkt sich auf die Mitteilung an den Bundestag: „Aufgrund der politischen Zielsetzungen ist zukünftig mit einer starken Zunahme der Wärmepumpen zu rechnen. So sieht die im Rahmen des 2. Wärmepumpengipfels erzielte Absichtserklärung vor, bis zum Jahr 2024 die Voraussetzungen dafür zu schaffen, jährlich bis zu 500.000 Wärmepumpen neu installieren zu können.“