Regierung fördert Nahwärme aus stillgelegten Bohrlöchern
Einst zur Förderung von Öl und Gas in die Erde getrieben, könnten stillgelegte Bohrlöcher zur Gewinnung von Nahwärme aus Geothermie genutzt werden. Voraussetzung zur Nachnutzung ist die Schaffung verlässlicher politischer Rahmenbedingungen. Darum will sich jetzt das Klimaschutzministerium auf Anregung des Deutschen Bundestages kümmern.
Dass die Förder- und Produktionsgesellschaften von Erdgas und Erdöl darüber nachdenken, stillgelegte, 1.000 bis 4.000 Meter tiefe Bohrlöcher dort, wo es sich anbietet, geothermisch zu nutzen, hatte die HLH bereits im Oktober in ihrer Printausgabe thematisiert („Kurkomfort aus der Mittelplate“). Möglichkeiten und Hemmnisse kommen jetzt im Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag zur Sprache. Das Abgeordnetenhaus hatte die Regierung aufgefordert, sich mit dieser nachhaltigen Energiequelle zu befassen und ihm das Ergebnis mitzuteilen. Anfang November legte das Klimaschutzministerium dem Parlament den Bericht vor. Darin steht, dass „das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die Nutzung der Geothermie zur Wärmeversorgung mit verschiedenen Maßnahmen weiter voranbringen“ werde – eine Möglichkeit liege hierbei in der geothermischen Anschlussnutzung von Bohrlöchern.
Geothermieforum Niedersachsen informiert bereits zu Möglichkeiten
Der Bundestag kommt in seiner Stellungnahme zu den Informationen des BMWK zu dem Schluss: „Soweit eine Anschlussnutzung technisch und geologisch möglich sowie energiewirtschaftlich sinnvoll ist, sollten nicht länger verwendete Bohrlöcher einer geothermischen Anschlussnutzung zugeführt werden können. Um eine Anschlussnutzung umsetzen zu können, kommt es unter anderem entscheidend darauf an, dass die Betroffenen vor Ort frühzeitig Kenntnis von der bevorstehenden Beendigung der Förderung von Gas und Öl haben und die geothermische Anschlussnutzung einer Bohrung gezielt prüfen können. Begrüßt wird, dass das Geothermieforum Niedersachsen diese Themen bereits aufgreift und eine Plattform für den Informationsaustausch zwischen den interessierten Unternehmen schafft.“ (Drucksache Bundestag 20/4202)
Die Parlamentarier hatten in der Bundestagsdrucksache 19/30899 die Bundesregierung aufgefordert, unter anderem gemeinsam mit den betroffenen Ländern zu untersuchen, „ob und gegebenenfalls welche Hemmnisse für die geothermische Anschlussnutzung von Bohrlöchern in Deutschland bestehen und wie diesen Hemmnissen begegnet werden kann. Dabei sind sowohl der gesetzliche Anpassungsbedarf im Energie- oder Bergrecht, insbesondere im Hinblick auf Informationspflichten, als auch sonstige strukturelle Hemmnisse zu prüfen.“ Zu den strukturellen Hemmnissen gehören laut Mitteilung der Regierung auch Zuständigkeitsfragen.
Noch Unschärfen im Genehmigungsverfahren
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ist federführend für das Bergrecht zuständig, das die Rahmenbedingungen für die Gewinnung heimischer Rohstoffe setzt. Das BMWK prüft zurzeit, wie der bergrechtliche Rahmen so angepasst werden kann, dass die Genehmigung von Geothermievorhaben klarer geregelt wird. Nach dem jetzigen Recht gibt es Unschärfen, welche Anlagen der oberflächennahen Geothermie unter Bergrecht fallen und welche nicht. Im Rahmen der im Koalitionsvertrag vorgesehenen und für diese Legislaturperiode geplanten Modernisierung des Bergrechts soll eine Klarstellung erfolgen.
Genehmigung und Aufsicht über bergrechtliche Vorhaben obliegen nach der im Grundgesetz festgelegten Kompetenzverteilung den Ländern. Der Bund setzt den Rechtsrahmen, den die Länder als eigene Angelegenheit ausführen. Voraussetzung einer Nachnutzung bestehender Bohrlöcher ist natürlich ihre grundsätzliche Eignung, ferner dass sie zur Verfügung stehen und noch nicht verfüllt sind. Außerdem müssen geeignete Wärmeabnehmer in der Nähe vorhanden beziehungsweise ihre Ansiedlung möglich sowie Finanzierbarkeit und Wirtschaftlichkeit des Projektes gegeben sein. Das Geothermieforum Niedersachsen, das eine Kooperation des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) mit dem Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e. V. (BVEG) ist, und das vom niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung unterstützt wird, führt eine Liste von Bohrungen, die für eine geothermische Nachnutzung in Frage kommen könnten. Sie ist auf der Webseite des Geothermieforums einsehbar.
BMWK fördert Projekte
Dieser Service stieß bisher jedoch auf wenig Resonanz. Die Meldung in das System erfolgt auf freiwilliger Basis. In seiner Stellungnahme zum Bericht der Bundesregierung schlägt der Bundestag deshalb vor: „Es sollte geprüft werden, wie künftig – anders als die bisherige freiwillige Angabe – eine Verpflichtung zur Meldung von Bohrlöchern geschaffen werden kann, die sich möglicherweise zur Nachnutzung anbieten. Die Länder könnten entsprechende Festlegungen in den Zulassungen der bergrechtlichen Betriebspläne treffen, insbesondere wenn für eine Meldepflicht eine Rechtsgrundlage geschaffen würde. Dabei könnten diese Festlegungen auf bestimmte Gebiete beschränkt werden. Denkbar wäre, dass die Geologischen Dienste Gebiete bestimmen, die sich besonders für Geothermie eignen. (…) Qualifizierte Geodaten ermöglichen eine Abschätzung der geologischen Situation und bilden die Grundlage für eine fachlich kompetente Machbarkeitsanalyse zur Nutzung des Untergrundes für die mitteltiefe und tiefe Geothermie.“ Die geowissenschaftliche Datengrundlage sei unerlässlich für eine ingenieurtechnische und unternehmenswirtschaftliche Planung. Das BMWK fördert dazu seit dem dritten Quartal 2022 zwei Forschungsvorhaben zur bundesweit einheitlichen Datenbereitstellung, ergänzt durch ein Explorationsprogramm mit dem Ziel, die erfolgversprechendsten Standorte für geothermische Wärmegewinnung zu identifizieren und dort Demonstrationsprojekte zu starten.
Wärmeabnehmer ansiedeln
Die Einschätzung des konkreten Nachnutzungspotenzials einer Bohrung kann in der Regel erst durch einen potenziellen Nachnutzer beziehungsweise in Abstimmung mit ihm erfolgen. So entscheidet etwa auch die Länge der kommunalen oder privaten Nahwärmetrasse zu den Verbrauchern über die Wirtschaftlichkeit des Anschlusses. Es fehlt auch an der Akquise möglicher Unternehmen oder am Aufbau ähnlicher Betreibermodelle im Städte- und Gemeindebereich, wie es sie beim Betrieb von Wind- und Solarparks im Stromsektor bereits gibt. Das Geothermieforum Niedersachsen hat eine Checkliste erstellt, die als Orientierung für einen privatrechtlichen Vertrag zur Bohrungsübergabe dienen kann.
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