Robert Habeck skizziert Klimaschutz-Vorhaben
„Wir müssen in allen energierelevanten Bereichen dreimal besser sein als bisher“. Dieses Gebot stellte Deutschlands neuer Klimaschutzminister Robert Habeck seinem Statement zur Klimaschutzpolitik auf der Bundespressekonferenz am 11. Januar voran. Der Anstieg der CO2-Emissionen in 2021 um vier Prozent gegenüber 2020 zeige deutlich, dass Deutschland bei Beibehalt der momentanen Maßnahmen seine Ziele für 2030 verfehle.
Eine Reduktion der Treibhausgase bis zum Jahr 2030 um 65 % und Klimaneutralität bis 2050 sei technisch nach wie vor umsetzbar, setze aber im Tempo den Faktor drei voraus: „Sonst schaffen wir nur 50 %. Das sind 200 Millionen Tonnen CO2 zu viel in 2030. Da uns nur 400 Millionen Tonnen zugebilligt sind, liegen wir dann 50 % darüber“, so Habeck. Bei den Zielen zur CO2-Minderung und dem Ausbau erneuerbarer Energien gebe es einen „gehörigen Rückstand“. Deswegen sei die Aufgabe, die Vorgaben bis zum Jahr 2030 zu erreichen, „gigantisch“. Umso wichtiger sei es daher, ab sofort „konsequent nach vorne zu schauen“ und „effizienter und schneller“ zu werden.
Vier bis sechs Millionen Wärmepumpen im Visier
Zu den konkreten Maßnahmen gehören laut Habeck der Ausbau der Erneuerbaren an der Stromerzeugung, deren Anteil bis 2030 von jetzt gut 40 % auf 80 % anwachsen soll, Wasserstoff statt Gas in vielen industriellen Prozessen, 100.000 neue Ladepunkte jährlich, um die Akzeptanz von E-Mobilen zu steigern und im Wärmemarkt vier bis sechs Millionen Wärmepumpen. „Wir bündeln gerade ein Ostern- und ein Sommerpaket. Beide Pakete werden ab 2023 Gültigkeit haben.“ Das Ostern-Paket als Sofortprogramm wird Gesetze und Verordnungen enthalten, die die Regierung ohne größeres parlamentarisches Prozedere entscheiden kann, das Sommerpaket Vorschriften, die zum Beispiel noch mit den Ländern diskutiert werden müssen, weil sie in deren Zuständigkeitsbereich fallen. In den Paketen steckt aber nicht nur Neues. Vieles enthält ohnehin der Koalitionsvertrag, wie etwa die Abschaffung der EEG-Umlage ab 2023, was jetzt praktisch das Sofortprogramm bestätigt. Ab 2025 sollen Solaranlagen nach Möglichkeit auf jedes neue Dach kommen, zumindest auf jedes gewerbliche, jede neue Heizung mit mindestens 65 % erneuerbare Energie betrieben werden, die BEG-Förderung will Harbecks Ministerium neu planen und ein Roll-out von Solaranlagen vorbereiten. Die Erneuerbaren benötigten etwa zwei Prozent der bundesdeutschen Fläche. „Ich sehe keine großen Schwierigkeiten darin, mich mit den Ländern in diesem Punkt zu einigen“, sagt Habeck.
Individuelle Betroffenheit verhindere gemeinschaftlich sinnvolle Vorhaben
Wenn im Bereich Windkraft zu restriktive Abstandsregeln Neubauten verhinderten, „können die nicht länger bestehen bleiben“, stellte Habeck klar. So soll die 10-H-Regelung in Bayern, die schärfste Abstandsregelung in Deutschland, gekippt werden. Sie besagt, dass ein Windrad grundsätzlich mindestens das Zehnfache seiner Höhe von einer Wohnbebauung entfernt sein muss.
„Wir arbeiten an einer Wärmestrategie für die kommunale Wärmeplanung“. Gemeint sind damit unter anderem kommunale Fern- und Nahwärmenetze wie auch kommunale Solarparks, da sie gerade im ländlichen Raum den Gemeinden die Chance zu Einnahmen bieten. Bei öffentlichen Vorhaben sei eine bessere Bürgerbeteiligung die Voraussetzung für das Gelingen. „Die Summe der individuellen Betroffenheit verhindert vielfach das gemeinschaftliche und volkswirtschaftlich Sinnvolle“, so Habeck. Windenergie ja, aber nicht vor der eigenen Haustür, Solar-Freianlagen nicht auf der Wiese, wo sich die Kids immer austoben. „Wie müssen näher an die Bürger heran, müssen mit ihnen sprechen. Der Ausbau verlangt gleichermaßen eine soziale wie eine technische Debatte. Nur wenn wir beide erfolgreich führen, kommen wir voran“, erklärt der Minister. Habeck geht davon aus, dass zur Finanzierung seines wie er selber sagt „mega-ambitionierten Programms“ eventuell auch Geld aus der E-Mobil-Förderung zurückfließt, weil einiges über den Skaleneffekt preiswerter werde und nicht mehr die volle Unterstützung bedürfe. Oder auch aus den Corona-Rücklagen. Habeck: „Wir werden an anderer Stelle das Geld gut gebrauchen, weil wir enorme Gelder aufsetzen müssen, etwa für die Wärmepumpe.“
Fachkräftemangel: Die Lücke mit Hochdruck schließen
Was er denn zur EU-Taxonomie sage, konkret zum Label „nachhaltig“ für Erdgas und Kernenergie, halte er das für richtig? „Nein, Gas und Nuklearenergie gehören da nicht hinein. Die taxonomischen Kriterien im ersten delegierten Rechtsakt waren gut, den zweiten hätte es nicht gebraucht“, antwortet Habeck.
Der personelle Engpass kam natürlich ebenfalls zur Sprache. „Wir steuern in Deutschland auf eine Million offene Stellen zu. Das wird dann irgendwann in Prozenten zweistellig in Bezug auf die Arbeitsplätze sein. Wenn wir diese Lücke nicht schließen, werden wir echte Produktivitätsprobleme bekommen. Wir werden also diese Lücke in einer großen gemeinsamen Kraftanstrengung über die verschiedenen Möglichkeiten, die es gibt, schließen müssen: natürlich Qualifizierung und Weiterbildung, einer besseren Kombinierbarkeit von Familie und Beruf, sicherlich auch über eine verstärkte Zuwanderung und zwar in allen Bereichen wie Ingenieure, Handwerker, Pflegekräfte. Das muss organisiert werden“, so Habeck. Erste Ansätze seien ja schon im Koalitionsvertrag vermerkt. „Selbst wenn wir energetisch alles richtig machen, müssen wir darauf achten, dass die Windkraftanlagen gebaut werden, dass wir dafür die Kranführer haben, dass die Solarpaneele auf die Dächer kommen, dass wir dafür also die Fachkräfte haben. Als Wirtschaftsminister mache ich mir große Sorgen, dass all das, was wir uns vornehmen, am Ende an der Verfügbarkeit von Fachkräften scheitert. Das Problem ist lange bekannt und gehört mit zu den Dingen, die jetzt mit Hochdruck und viel stärker als in der Vergangenheit angegangen werden müssen.“
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