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Deutschlandweit zweites GeoStar-Projekt 08.08.2024, 12:56 Uhr

Schrägbohrtechnik ermöglicht Geothermie für den Bestandsbau

Es ist die deutschlandweit zweite Anlage dieser Art: Für die Temperierung ihres Hörsaalgebäudes nutzt die Hochschule Bochum den Prototypen eines am Fraunhofer IEG entwickelten, geothermischen Heiz- und Kühlsystems. Möglich wird der platzsparende Einsatz durch eine spezielle Bohrtechnik.

Durch die Schrägbohrtechnik erreichen die Erdwärmesonden Wärmereservoire unterhalb von bestehenden Gebäuden. Grafik: Fraunhofer IEG.

Durch die Schrägbohrtechnik erreichen die Erdwärmesonden Wärmereservoire unterhalb von bestehenden Gebäuden. Grafik: Fraunhofer IEG.

Zwölf sternförmig angeordnete Erdwärmesonden heizen und kühlen heute das Audimax der Hochschule Bochum. Möglich wurde ihr Einsatz in 150 Metern Tiefe durch die Anwendung einer schrägen Bohrtechnik. Dadurch kann die Anlage GeoStar 2.0 Untertage ein großes Erdreichvolumen nutzen – und das bei minimalem Flächenbedarf an der Oberfläche. Selbst der knappe Raum zwischen den bestehenden Hochschulgebäuden reichte somit vollkommen aus, um die Erdwärme darunter zu erschließen.

„Showroom“ ermöglicht außergewöhnliche Einblicke

Nach Abschluss der Bohrarbeiten und der Anbindung an das Gebäude ist von der geothermischen Anlage fast nichts mehr zu sehen. Dennoch sind außergewöhnliche Einblicke möglich. Denn Bestandteil des geothermischen Heiz- und Kühlsystems ist auch ein begehbarer Geothermie-Verteilerschacht. Dieser ist in die Campusumgebung integriert und soll als Treffpunkt dienen: Eine Glaskuppel mit umliegender kreisrunder Bank sowie Tische laden zum Zusammenkommen und Verweilen ein, während gleichzeitig die geothermische Anlage des GeoStar 2.0 betrachtet werden kann. „Das Ziel des Verteilerbauwerkes ist es, Geothermie zu erklären und nahbar zu machen“, so Jonas Güldenhaupt, Bohrmeister des Fraunhofer IEG.

Unauffällig integriert: Der Eingang zum Verteilerbauwerk wird von Sitzbänken umrahmt.

Foto: Fraunhofer IEG/Felix Jagert

Der im Boden versenkte Raum ist vollständig begehbar und zeigt die Anbindung aller Erdwärmesonden an den Verteilerbalken sowie die Technik zum Regeln, Steuern und Überwachen des untertägigen Anlagenteils. Gruppenführungen für Planerinnen und Planer aus den Bereichen TGA, Quartiere, Stadtwerke und Energietechnik sind auf Anfrage möglich. Zudem soll zukünftig eine Augmented Reality App zur Anlage angeboten werden.

Demonstrator für Fachbesucher: Im begehbaren Verteilerbauwerk kommen die Erdwärmesonden zusammen und übergeben die warme Sole an die Leitung zur Hauswärmezentrale.

Foto: EnergieAgenturNRW/Frank Wiedemeier

Erkenntnisse für die Kommerzialisierung

Der GeoStar für das Hörsaalgebäude der Hochschule Bochum ist der zweite erfolgreich umgesetzte GeoStar in Deutschland. Die erste Version beheizt und kühlt seit mehreren Jahren den Bochumer Campus des Fraunhofer IEG (siehe Grafik). Dort wurden gleich 20 Schrägbohrungen mit 200 Metern Länge niedergebracht und die Gesamtanlage mit einem aufwendigen Monitoring-System versehen. Mit der Forschungsinfrastruktur kann nicht nur klimatisiert werden, sie liefert den Forschenden auch wichtige Erkenntnisse für die Kommerzialisierung des Anlagenkonzepts in Bestandsbauten. „Das erfolgreiche GeoStar-Konzept zeigt, wie auch der Bestandsbau seinen Untergrund zum klimaneutralen Heizen und Kühlen nutzen kann“, sagt Gregor Bussmann, am Fraunhofer IEG Ansprechpartner für die GeoStar-Technologie. Ein schlanker Bohrbetrieb, kombinierte Kühl- und Heiztechnik sowie eine smarte Betriebsführung seien die Erfolgsfaktoren für die Wärmewende in gewachsenen innerstädtischen Wohn- und Gewerbegebieten, ist er überzeugt.

GeoStar 2.0, der nun offiziell mit dem begehbaren Verteilerbauwerk abgeschlossen und eingeweiht ist, ist bereits seit 2018 in Betrieb. Die Anlage versorgt den Hörsaal H9 „Auditorium“ im Winter mit Erdwärme (über eine Wärmepumpe) und im Sommer mit „Erdkälte“ (passiv) aus dem konstant 12 °C warmen Untergrund. Das System ist eine Weiterentwicklung des GeoStar 1, der seit 2014 das Gebäude des Fraunhofer IEG auf dem gleichen Bochumer Campus versorgt.

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