Sind WhatsApp-Nachrichten rechtsverbindlich?
Im privaten Umfeld kommen Messenger wie WhatsApp ganz selbstverständlich zum Einsatz. Doch können damit auch formgebundene Erklärungen rechtswirksam abgegeben werden? Und wie steht es in der beruflichen Kommunikation um die Verwendung von Emojis?

Foto: Panthermedia/discovery (YAYMicro)
Das Oberlandesgericht München (Urteil vom 11.11.2024 – 19 U 200/24) hatte einen Fall zu entscheiden, der auf baurechtliche Fälle übertragbar ist. Der Kläger bestellte ein Auto. Im Kaufvertrag ist als unverbindlicher Liefertermin „2./3. Quartal 2021“ angegeben. Zudem ist vereinbart, dass Änderungen des Vertrags der Schriftform bedürfen. Am 23. September 2021 teilte der Beklagte per WhatsApp mit: „Das Auto rutscht leider auf 1. Halbjahr 2022“, der Kläger erwiderte: „Ups“, ergänzt um einen Zähne zeigenden Smiley und: „Trotzdem danke für die Info. Gibt‘s irgendwas schriftliches?“ Später sandte der Beklagte ein Dokument per WhatsApp und schrieb: „Hier sehen Sie, Ihr Wagen ist fest bestellt.“ Der Kläger antwortete mit einem „Daumen hoch“. Im Mai 2022 teilte der Beklagte per WhatsApp mit, dass das Auto wegen fehlerhafter Batterien nicht ausgeliefert werden könne. Am 10. Mai 2022 forderte der Kläger den Beklagten zur Lieferung bis zum 24. Mai 2022 auf. Nach Fristablauf trat der Kläger vom Vertrag zurück und forderte die Anzahlung zurück. Der Beklagte meint, der Kläger habe sich mit der Änderung des Liefertermins einverstanden erklärt.
Unterschiedliche Urteil zur Verwendbarkeit von WhatsApp-Nachrichten
Der Rücktritt ist unberechtigt, wenn die Parteien einvernehmlich einen neuen Liefertermin vereinbart haben. Eine solche Vereinbarung kann in dem Austausch von WhatsApps im September 2021 liegen, falls dies der vereinbarten Schriftform genügt.
Wenn im Vertrag Schriftform vereinbart ist, genügt nach Paragraf 127 Absatz 2 Satz 1 BGB regelmäßig, auch nach VOB/B, eine telekommunikative. Erforderlich ist eine in Schriftzeichen lesbar verkörperte Übermittlung; die fernmündliche oder Übertragung per Sprachnachricht genügt nicht. Eine E-Mail entspricht diesen Anforderungen. Das Oberlandesgericht München meint, dass auch die Übermittlung per WhatsApp – als Textnachricht, über ein angehängtes Dokument oder das Fotos des Dokuments genüge.
Das Oberlandesgericht Frankfurt (Urteil vom 21.12.2023 – 15 U 211/21) hat für einen VOB/B-Vertrag anders entschieden. Die Aufforderung des Auftraggebers an den Auftragnehmer per WhatsApp zur Mängelbeseitigung entspreche nicht der Schriftform nach Paragraf 13 Absatz 5 auf baurechtliche Fälle. 1 Satz 1, 2 VOB/B und setze keine neue Verjährungsfrist in Gang. Telekommunikative Übermittlung setze eine Erklärung voraus, die wie ein Schriftstück verfasst sei und in einer die Übergabe des Schriftstücks ersetzenden Art übermittelt werde. Aus der Erklärung müsse sich der Absender unzweideutig ergeben. Zudem müsse der Empfänger in der Lage sein, die Erklärung auszudrucken und dauerhaft zu archivieren. Bei einer WhatsApp-Nachricht sei der Absender nicht sicher erkennbar, weil die Kennung anders als bei E-Mails nur über eine Telefonnummer erfolge. Die dauerhafte Archivierung sei nicht gesichert, da der Sender Nachrichten nachträglich beim Empfänger löschen könne. Außerdem sei bei Messengerdiensten, die typischerweise für den schnellen Austausch privater Nachrichten vorgesehen seien und genutzt würden, die Warnfunktion der Form, (Schutz vor übereilter Abgabe einer Erklärung), nicht sichergestellt.
Das Oberlandesgericht München meint, Dauerhaftigkeit und Reproduzierbarkeit der Nachricht seien dadurch gesichert, dass – sofern nicht abgeschaltet – der Chat-Verlauf regelmäßig in der Cloud gesichert werde. Die nachträgliche Änderung/Löschung sei nur in einem begrenzten Zeitfenster möglich. Die Ansicht sei überholt, dass Messengerdienste ganz überwiegend zum raschen Austausch privater Nachrichten und nicht zur Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen benutzt würden und die Emotionalität privater Nachrichten und nicht das überlegte Handeln mit entsprechenden rechtlichen Konsequenzen im Vordergrund stünde. Die Form sei gewahrt gewesen.
Entscheidung des BGH steht aus
Vor einer Entscheidung des BGH ist dringend davor zu warnen, bei vertraglich/in der VOB/B vereinbarter Schriftform, Erklärungen per WhatsApp abzugeben.
Das Oberlandesgericht München gibt dennoch dem Kläger recht, weil keine einvernehmliche Änderung des Liefertermins feststellbar sei. Der Erklärende könne seinen Willen auch durch Zeichen – zum Beispiel Emojis – kundtun. Emojis seien auszulegen, wobei es auf die Verständnismöglichkeit des Empfängers ankommt; Nationalität, Muttersprache, kultureller Hintergrund, Alter, Geschlecht, Persönlichkeitsstruktur beeinflussten Nutzung und Verständnis von Emojis. Emojis bergen die Gefahr von Missverständnissen und Fehlschlüssen. Zur Auslegung können Emoji-Lexika herangezogen werden. Danach drücke das vom Kläger verwendete Emoji „Grimassen schneidendes Gesicht“ nicht Zustimmung, sondern negative oder gespannte Emotionen aus (Nervosität, Verlegenheit, Unbehagen, Peinlichkeit). Insbesondere zusammen mit dem Ausdruck „Ups“ könne darin keine Zustimmung gesehen werden. Anders verhält es sich mit dem „Daumen hoch“-Emoji, das sich aber ersichtlich nicht mehr auf die Verschiebung des Liefertermins sondern auf das übersandte Dokument bezog. Damit ist eine einvernehmliche Änderung des Liefertermins nicht erfolgt. Nicht formgebundene Erklärungen können grundsätzlich per WhatsApp erfolgen.
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