Vertragsfristen und ihre Vereinbarung
Vertragsfristen sind nach der Definition in § 5 Abs. 1 Satz 1 VOB/B die verbindlichen Fristen, nach denen die Bauleistung zu beginnen und zu beenden sowie dazwischen angemessen zu fördern ist. Problematisch ist insbesondere die nachträgliche Änderung solcher Fristen.
Fristen, die keine Vertragsfristen sind, werden zum Teil als „Kontrollfristen“ bezeichnet. Anhand solcher Fristen kann man während der Ausführung der Bauleistung überprüfen, ob der Auftragnehmer „im Plan“ ist; ein Versäumen von Kontrollfristen führt aber keine Fälligkeit und – auch nach Mahnung – keinen Verzug des Auftragnehmers mit seiner Leistung herbei. Entsprechendes gilt auch für Termine. Fristen bezeichnen einen Zeitraum („30 Tage nach Baubeginn“), Termine einen Zeitpunkt („bis zum 30. 5.“). Für die hier besprochene Problematik ist es irrelevant, ob die Leistung zeitlich durch Termine oder Fristen festgelegt wird; wesentlich ist nur, dass die Frist oder der Termin bestimmt oder bestimmbar ist.
Vertrags- und Kontrollfristen vereinbaren
Welche der zwischen den Parteien vereinbarten Fristen Vertragsfristen und welche lediglich Kontrollfristen sind, unterliegt der Vereinbarung der Parteien. Im Idealfall wird die Festlegung ausdrücklich vorgenommen. Die Eigenschaft einer Frist als Vertragsfrist kann sich aber auch aus den Umständen ergeben. So ist in der Regel davon auszugehen, dass Beginn und Vollendung der Ausführung Vertragstermine sind. Davon geht auch § 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B aus, der bestimmt, dass Einzelfristen (Fristen/Termine zwischen Baubeginn und Bauende, typischerweise in einem Bauzeitenplan festgelegt) nur dann als Vertragsfristen anzusehen sind, wenn sie ausdrücklich als solche bezeichnet sind.
Die Vereinbarung zumindest von Baubeginn und -ende, oft auch von Einzelfristen und ihre Qualifikation als Vertragsfristen erfolgt regelmäßig bereits bei Vertragsschluss. Das kann auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam geschehen („Alle im Bauzeitenplan vereinbarten Einzelfristen sind Vertragsfristen“). Wenn ein entsprechendes Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers im Vertrag vereinbart ist, kann dieser die Vertragsfristen auch nach Vertragsschluss einseitig festlegen. § 315 BGB regelt die Ausübung eines solchen vereinbarten Leistungsbestimmungsrechts: Die Bestimmung ist vom Auftraggeber nach billigem Ermessen zu treffen; entspricht die Bestimmung nicht der Billigkeit, ist sie für den Auftragnehmer unverbindlich. Zur Not ist die Bestimmung dann gerichtlich vorzunehmen. Eine Vereinbarung kann auch noch nach Vertragsschluss erfolgen.
Kann man Fristen und Termine nochmals ändern?
Vereinbarte (Vertrags-)Fristen und Termine können nachträglich einvernehmlich geändert werden. Dies kann insbesondere zur Anpassung des bisherigen Bauzeitenplans an einen gestörten Bauablauf geschehen. Eine einvernehmliche Änderung der Fristen kann insbesondere im Rahmen einer Baubesprechung erfolgen. Widerspricht der Auftragnehmer den protokollierten neuen Terminen/Fristen nicht unverzüglich (bzw. innerhalb einer im Protokoll vorgegebenen Frist), wird die Festlegung nach den Grundsätzen über kaufmännische Bestätigungsschreiben verbindlich. Die fortgeschriebenen Fristen behalten ihren Charakter als Vertrags- oder Kontrollfristen.
Kommt es nicht zu einer einvernehmlichen Fortschreibung der ursprünglich (oder auch nachträglich) vereinbarten Fristen, richten sich die neuen Fristen nach § 6 Abs. 4 VOB/B, wenn es um eine Störung geht, die der jeweilige Auftragnehmer nicht zu vertreten hat. Ist der Auftragnehmer im Verzug (§ 5 Abs. 4 VOB/B), verschieben sich für ihn die Fristen nicht; er hat durch Beschleunigungsmaßnahmen zu versuchen, die Verzögerung gering zu halten und haftet für den Schaden aus der Fristüberschreitung. Im Falle des § 6 Abs. 4 VOB/B ist zu beachten, dass die daraus sich ergebenden Fristen nicht mehr kalendermäßig bestimmt/bestimmbar sind und daher, wenn diese überschritten werden, Verzug erst durch Mahnung herbeigeführt wird.
Um die Bauleistung zeitlich auch unter verschiedenen Unternehmern bei Störungen koordinieren zu können, wird eine Kooperationspflicht der Unternehmer angenommen, an einem neuen Bauzeitenplan mitzuwirken. Tun sie es nicht, soll der Auftraggeber ein einseitiges Bestimmungsrecht haben, dass aber nur im Rahmen der sich nach § 6 Abs. 4 VOB/B ergebenden Fristen ausgeübt werden darf.
Umstritten ist, ob ohne weiteres ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers auch im Hinblick auf die zeitliche Festlegung der Leistung besteht. Ansatzpunkt könnte § 1 Abs. 3 VOB/B sein. Danach kann der Auftraggeber Änderungen des Bauentwurfs anordnen. Es ist umstritten, ob zum „Bauentwurf“ in diesem Sinne neben dem Bauinhalt auch die Bauumstände und damit auch die Leistungszeit gehören. Überwiegend wird das verneint, weil sich dies mit dem Wortlaut der Regelung nicht vereinbaren lasse. Zum Teil wird eine solche Beschränkung aber als nicht interessengerecht betrachtet und daher auch eine Anordnung zur Bauzeit (allerdings in unterschiedlichem Umfang) zugelassen. Die besseren Gründe sprechen gegen ein Anordnungsrecht. In der Praxis ergeben sich vielfach keine Probleme: Wenn die Anordnung vom Auftagnehmer befolgt wird, hat dieser einen Anspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B auf Vergütungsanpassung, da diese Regelung nicht nur Änderungen des Bauentwurfs sondern auch „andere Anordnungen“ des Auftraggebers umfasst. Allgemein anerkannt ist, dass Anordnungen, die nur mittelbar zu einer Bauzeitverlängerung führen (betreffend die Änderung der vereinbarten Leistung oder Zusatzleistungen) zulässig und von § 1 Abs. 3 VOB/B erfasst sind.
Dr. Reinhard Voppel Rechtsanwaltskanzlei Osenbrück, Bubert, Kirsten, Voppel Bild: Foto Stephan Behrla/Nöhrbaß GbR