Wann haftet der Objektüberwacher?
Nicht jeder Auftraggeber prüft selbst die eingehenden Rechnungen. Wird dafür ein Objektüberwacher beauftragt, bringt dies Entlastung. Aber Vorsicht: Wer einen solchen Auftrag übernimmt, haftet bei Schadensersatzansprüchen gegebenenfalls selbst.
Über einen solchen Fall hat das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 16. 4. 2021 – 19 U 56/20) entschieden: Der Kläger hat die Beklagte zu 1 mit Bauleistungen beauftragt, die Beklagte zu 2 mit den Leistungen der Objektüberwachung. Die Beklagte zu 1 hat die Leistung anders ausgeführt als geplant, wobei streitig ist, ob dies die einzig ausführbare Bauweise ist oder nicht. In diesem Zusammenhang ist auch bislang ungeklärt, ob abgerechnete Mehrkosten als Massenmehrung (Paragraf 3 Absatz 2 VOB/B) oder als Vergütung einer eigenmächtigen Leistungsabweichung (Paragraf 2 Absatz 8 Nr. 2 VOB/B) vergütungsfähig sein können. Der Kläger verlangt von der Beklagten zu 1 Rückzahlung einer Überzahlung in Höhe von 55 000 Euro, von der Beklagten zu 2 Schadensersatz in derselben Höhe wegen fehlerhafter Rechnungsprüfung.
Erst haftet der Unternehmer, dann der Objektüberwacher
Das Oberlandesgericht weist die Klage gegen die Beklagte zu 2 ab. Der Planer ist im Rahmen seiner Verpflichtungen aus der Bauüberwachung verpflichtet die Rechnungen von Bauunternehmen daraufhin zu überprüfen, ob sie fachtechnisch und rechnerisch richtig sind, ob also die in Rechnung gestellten Leistungen erbracht worden sind und die Abrechnung der vertraglichen Vereinbarung entspricht. Unterlaufen dem Planer dabei Fehler, die dazu führen, dass der Auftraggeber einen zu hohen Betrag auszahlt, kommt eine Haftung in Betracht. Bei einer Überzahlung steht dem Auftraggeber ein Rückzahlungsanspruch gegen den Unternehmer zu.
Das Gericht kommt aber zu dem Ergebnis, dass ein Schaden des Auftraggebers nicht erst dann besteht, wenn der Rückzahlungsanspruch gegen den Unternehmer (endgültig) gescheitert ist, insbesondere wegen dessen Insolvenz. Bereits die Überzahlung als solche stellt einen vom Planer verursachten Schaden im Sinne einer Vermögenseinbuße dar. Das Bestehen eines Schadens wird nämlich nicht dadurch gehindert, dass der Geschädigte zugleich gegen einen Dritten (hier den Unternehmer) einen Ersatzanspruch hat. Der Auftraggeber kann den Planer daher unmittelbar in Anspruch nehmen, muss allerdings im Gegenzug den Rückzahlungsanspruch gegen den Unternehmer an den Planer abtreten, der diesen dann im eigenen Namen gegen den Unternehmer geltend machen kann.
Situation zu komplex – Überwacher keine Vertragseinsicht
Im konkreten Fall kann das Gericht aber keine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten zu 2 erkennen. Zum einen hat der Kläger nicht hinreichend konkret dargestellt, worin genau die Pflichtverletzung gelegen haben soll. Darüber hinaus stellt das Oberlandesgericht fest, dass es hier für die Frage einer etwaigen Pflichtverletzung darauf ankam, ob von einer Mengenmehrung oder von Ausführungsabweichung auszugehen war. Das stellt eine Rechtsfrage dar, die insbesondere eine Auslegung des Vertrages erfordert. Nach Ansicht des Gerichts würden die Sorgfaltsanforderungen des Objektüberwachers bei der Prüfung von Abschlagsrechnungen erheblich überspannt, würde man ihm einen schuldhaften Pflichtverstoß vorwerfen, wenn er in einer komplexen Situation wie im vorliegenden Vertragsverhältnis solche Rechtsfragen unzureichend erfasst oder unrichtig beantwortet.
Im Hinblick auf den Anspruch gegen den Unternehmer, den Beklagten zu 1, stellt das Gericht fest, dass im vorliegenden Fall keine Massenüberschreitung vorlag, sondern eine eigenmächtige Abweichung vom Vertrag und eine Vergütung daher nur in Betracht kommt, wenn der geschuldete Erfolg nur über die vom Unternehmer gewählte Art der Ausführung erreicht werden konnte und dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entsprach. Paragraf 2 Absatz 8 Nr. 2 Satz 2 VOB/B fordert als Anspruchsvoraussetzung für einen Vergütungsanspruch zudem eine unverzügliche Anzeige der eigenmächtig ausgeführten Leistung an den Auftraggeber; eine Anzeige an den Objektüberwacher wird als nicht genügend angesehen. Das Gericht sieht mangels Anzeige im vorliegenden Fall einen Anspruch als nicht gegeben an.
Anerkenntnis nur durch Auftraggeber
Es übersieht allerdings, dass Paragraf 2 Absatz 8 Nr. 2 Satz 3 VOB/B auf die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag im BGB verweist, die ebenfalls zu einem Vergütungsanspruch führen, wenn die eigenmächtige Abweichung interessengerecht war und dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entsprochen hat. Die dort geforderte Anzeige stellt keine Anspruchsvoraussetzung dar, sodass die fehlende Anzeige im Ergebnis nicht relevant ist.
Allerdings bedarf es einer Anzeige nicht, wenn der Auftraggeber die eigenmächtige Abweichung nachträglich anerkannt hat, Paragraf 2 Absatz 8 Nr. 2 Satz 1 VOB/B. In der Prüfung von Abschlagsrechnungen oder der Schlussrechnung durch den Objektüberwacher liegt kein nachträgliches Anerkenntnis. Die Leistung von Abschlagszahlungen stellt generell keinerlei Anerkenntnis (im Hinblick auf den Leistungsstand, die Mangelfreiheit, die Beauftragung der abgerechneten Leistung) dar, sondern nur eine vorläufige Zahlung auf einen voraussichtlichen späteren Schlussrechnungsbetrag. Im Übrigen kann der Objektüberwacher auch ein solches Anerkenntnis nicht abgeben; dies kommt nur dem Auftraggeber zu. Auch die Tatsache, dass sich der Auftraggeber (notgedrungen) mit dem abweichend vom Vertrag ausgeführten Werk abfindet, wird nicht als Anerkenntnis angesehen.