Wann ist eine Teilkündigung nach VOB/B möglich?
Die VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil B (VOB/B) lässt eine Teilkündigung aus wichtigem Grund zu. Die Voraussetzungen dafür werden aber sehr eng ausgelegt.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat sich unlängst zu einer Teilkündigung nach VOB/B geäußert (OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. 12. 2022 – 5 U 232/21). Der konkrete Fall: Der Beklagte hatte die Klägerin mit sämtlichen Dachabdichtungsarbeiten für ein Justizzentrum beauftragt; die Geltung der VOB/B war vereinbart. Das Justizzentrum ist ein aus mehreren Gebäuden, die aneinanderstoßen und miteinander verbunden sind, bestehender Komplex (Bauteile A–F, Verbindungsgang zwischen Bauteilen A und B). Während der Ausführung kam es zum Streit der Parteien. Der Beklagte rügte Mängel und behielt Abschlagszahlungen teilweise ein. Die Klägerin meldete Bedenken hinsichtlich der Ausführung des bis dahin noch nicht bearbeiteten Bauteils F und des Verbindungsganges an. Der Beklagte sprach eine Teilkündigung für die Leistungen für Bauteil F und den Verbindungsgang aus, weil die Klägerin die Arbeiten nicht wiederaufgenommen habe und dadurch der Fertigstellungstermin nicht mehr eingehalten werden könne. Er beauftragte eine Drittfirma mit der Fertigstellung der Arbeiten und behielt sich die Geltendmachung von Mehrkosten und Schadensersatz gegenüber der Klägerin vor. Die Klägerin hat Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Teilkündigung erhoben. Das OLG Düsseldorf hat festgestellt, dass die Teilkündigung des Beklagten unwirksam sei.
Kündigung möglich, wenn auf einen in sich abgeschlossenen Teil der Leistung beschränkt
Die VOB/B sieht in Paragraf 4 Absatz 7 und Absatz 8 Satz 1 sowie in Paragraf 5 Absatz 4 die Möglichkeit einer Kündigung des Vertrages durch den Auftraggeber aus wichtigem Grund vor, wenn der Auftragnehmer trotz Fristsetzung Mängel nicht beseitigt, einen unberechtigt eingesetzten Nachunternehmer nicht von der Baustelle entfernt oder mit seiner Leistung in Verzug gerät. Paragraf 8 Absatz 3 Nr. 1 Satz 2 VOB/B sieht ausdrücklich vor, dass die Kündigung auf einen in sich abgeschlossenen Teil der Leistung beschränkt werden kann. Fraglich war hier, ob Bauteil F und der Verbindungsgang in sich abgeschlossene Teile der Leistung darstellten.
Der Begriff der in sich abgeschlossenen Teile der Leistung wird auch in Paragraf 12 Absatz 2 VOB/B verwendet. Dort wird er von den Gerichten eng ausgelegt. Es soll das hohe Interesse des Auftraggebers daran geschützt werden, dass für zusammengehörende Leistungsteile nicht unterschiedliche Abnahmewirkungen eintreten (unterschiedliche Gewährleistungsfristen, Gefahrübergang zu unterschiedlichen Zeitpunkten). Grundsätzlich können danach Leistungsteile innerhalb eines Gewerks nicht als abgeschlossen angesehen werden. Ihnen fehlt die Selbstständigkeit, die eine eigenständige Beurteilung ermöglicht. Bei klarer räumlicher oder zeitlicher Trennung der Leistungsteile (etwa Leistungen an mehreren eigenständigen Häusern) kann dies anders zu beurteilen sein.
Wann ist eine Leistung in sich abgeschlossen?
Auch wenn bei der Teilkündigung eine so enge Auslegung nicht zwingend ist, geht das Oberlandesgericht davon aus, dass Begriffe innerhalb derselben Allgemeinen Geschäftsbedingungen einheitlich auszulegen seien. Auch im Rahmen einer Teilkündigung ist daher von einer engen Auslegung auszugehen. Das Gericht wendet diese Überlegungen auf die beauftragte Leistung an und kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Bauteilen des Justizzentrums – anders als etwa bei Einzelhäusern einer Reihenhaussiedlung – nicht um in sich abgeschlossene Leistungen, sondern um unselbstständige Teile eines Gewerks handele.
Ergänzend zieht das Gericht auch die vertraglichen Vereinbarungen heran. Die einheitliche Baustelleneinrichtung spreche ebenso für nicht abgeschlossene Leistungsteile wie die Tatsache, dass beim Säubern des Untergrundes, beim Voranstrich und der Dampfsperrschicht nicht nach Bauteilen differenziert, sondern diese jeweils für die Gesamtleistung in einer Position ausgeschrieben seien. Solche auf der Vertragsgestaltung beruhenden Argumente werden für sich genommen nicht immer ausreichen, können aber das Gesamtbild abrunden.
Begründung nicht ausschlaggebend
Es kommt schließlich auch nicht darauf an, ob der Beklagte sich auf in der VOB/B nicht genannte wichtige Gründe für die Kündigung beruft. Paragraf 8 VOB/B benennt die Gründe nicht abschließend, aber auch für andere Gründe gelten deren Anforderungen an eine Teilkündigung. Damit ist die Kündigung des Beklagten unwirksam. Der Beklagte kann die Klägerin nicht auf Erstattung von Mehraufwendungen oder Schadensersatz in Anspruch nehmen. Die Klägerin kann einen Schadensersatzanspruch wegen der von ihr nicht mehr erbrachten Leistungen geltend machen, der sich auf die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen und Anrechnung anderweitigen Erwerbs richtet.
Wichtig: Ist die VOB/B nicht vereinbart, ist nach den Regelungen des BGB eine Teilkündigung schon dann möglich, wenn die gekündigten und die nicht gekündigten Teile der Leistung voneinander abgrenzbar sind.