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Vergabe von Fördermitteln 29.10.2024, 09:58 Uhr

Was beim Widerruf von Zuwendungen zu beachten ist

Wer öffentliche Zuwendungen empfängt, ist in der Regel verpflichtet, vergaberechtliche Regelungen einzuhalten. Ein Verstoß dagegen hat nicht nur vergaberechtliche Folgen, sondern kann zur (Teil-)Rückforderung von Fördermitteln führen.

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Foto: Panthermedia/discovery (YAYMicro)

Wer öffentliche Fördermittel empfängt, erhält mit dem Förderbescheid auch Nebenbestimmungen (ANBest), in denen Pflichten bei der Vergabe benannt werden. Es ist jeweils anhand der speziellen Nebenbestimmungen zu prüfen, welche Anforderungen gestellt werden. In den ANBest-P des Bundes ist etwa bei einer Zuwendung von mehr als 100 000 Euro für die Vergabe von Bauleistungen die Anwendung der VOB/A, 1. Abschnitt, vorgeschrieben. Öffentliche Auftraggeber sind ohnehin haushaltsrechtlich verpflichtet, Vergaberecht anzuwenden. Falls der europarechtliche Schwellenwert überschritten ist, ist die VOB/A, 2. Abschnitt anzuwenden. Vergabeverstöße werden dann aber nicht nur vergaberechtlich sanktioniert, sondern auch im Hinblick auf die Zuwendung. Auch wenn – wie nicht selten – die Vergabe von Bietern gar nicht angegriffen worden ist, kann die Förderbehörde Vergabeverstöße feststellen und darauf eine Rückforderung stützen.

Bei Verstößen Rückforderungen möglich

Auch private Zuwendungsempfänger, die als solche zur Anwendung von Vergaberecht nicht verpflichtet sind, müssen förderrechtlich die in den Nebenbestimmungen benannten Vergaberegeln einhalten. Das kann die VOB/A sein; in Nordrhein-Westfalen wird bei gewerblicher Förderung bestimmt, dass Aufträge nach wettbewerblichen Gesichtspunkten zu wirtschaftlichen Bedingungen zu vergeben sind, wobei, soweit möglich, mindestens drei Angebote einzuholen sind.

Verstöße gegen Vergaberecht können zu einer Rückforderung führen. Es sind sämtliche Regelungen der entsprechenden Vergabebestimmungen einzuhalten. Soweit der Fördermittelempfänger sich auf Ausnahmen beruft – etwa eine Vergabe über eine beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb oder im Wege der freihändigen Vergabe –, hat er sorgfältig zu dokumentieren, dass die Voraussetzungen dafür vorliegen. Der Zuwendungsempfänger trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Ausnahmetatbeständen. Lässt sich mangels hinreichender Dokumentation nicht feststellen, ob die Voraussetzungen vorlagen beziehungsweise sachgerecht geprüft worden sind, geht das zu Lasten des Zuwendungsempfängers (VG Magdeburg, Beschluss vom 19.6.2017–3 A 211/16).

Maßgeblich für die Rückforderung ist allein die objektive Rechtslage. Kenntnis des Zuwendungsempfängers davon oder ein schuldhafter Verstoß gegen Vergabevorschriften, sind nicht relevant. Mangelndes oder geringes Verschulden kann allenfalls bei der Ausübung des Widerrufsermessens eine Rolle spielen (VG München, Urteil vom 25.4.2024–31 K 21.2797).

Behörde hat Ermessensspielraum

Obwohl der Widerruf intendiert ist, muss die Förderbehörde den ihr zustehenden Ermessensspielraum ausnutzen. Dazu muss sie alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen und erwägen, ob eine andere Entscheidung als der Widerruf in Frage kommt. Dazu ist in aller Regel eine Anhörung des Zuwendungsempfängers im Hinblick auf den beabsichtigen Widerruf durchzuführen (OVG Münster, Beschluss vom 15.8.2019–15 A 2792/18).

Die Behörde hat zudem ein Ermessen dahingehend, ob sie den Zuwendungsbescheid vollständig oder nur zum Teil widerruft. Dabei wird es insbesondere um die Frage gehen, wie schwerwiegend der Vergabeverstoß war. Nur bei sehr schwerwiegenden Verstößen wird ein vollständiger Widerruf in Frage kommen. Die Durchführung einer freihändigen Vergabe statt einer öffentlichen Ausschreibung oder beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb wiegt in der Regel schwerer als die Stellung unverhältnismäßiger Mindestanforderungen an die Eignung oder die unzulässige Vorgabe eines Produktes.

Relevant kann auch die Zahl der Verstöße sein. Zu prüfen ist auch, ob und inwiefern sich die Verstöße auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auswirken. Außerdem ist zu beachten, dass sich der Widerruf auf einen zurückliegenden Zeitraum bezieht; eine hohe Rückzahlungspflicht kann etwa für eine kleine Gemeinde eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen. Es ist unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob der Widerruf der Höhe nach oder zeitlich zu beschränken ist (OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 23.8.2022–5 LB 9/20).

Die Frist für den Widerruf eines Verwaltungsaktes beträgt ein Jahr, beginnend zu dem Zeitpunkt, zu dem die Behörde Kenntnis von den Tatsachen erhält, die den Widerruf rechtfertigen. Der Behörde müssen alle für die Aufhebungsentscheidung relevanten Tatsachen bekannt sein: Die Behörde muss ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage sein, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über den Widerruf des Verwaltungsakts zu entscheiden. Dazu gehört auch die Durchführung des Anhörungsverfahrens. Finden danach noch Gespräche zwischen der Behörde und dem Zuwendungsempfänger statt, beginnt die Frist erst nach deren Abschluss (VG Schleswig, Urteil vom 6.4.2017– 12 A 136/16).

Bei geförderten Vorhaben ist mit besonderer Sorgfalt auf die Einhaltung sämtlicher Vergabebestimmungen zu achten und diese zu dokumentieren, um Rückforderungen zu vermeiden. Im Falle einer Rückforderung kann gegebenenfalls mit Erfolg eine mangelnde oder fehlerhafte Ermessensausübung der Behörde geltend gemacht werden.

Von Dr. Reinhard Voppel, Rechtsanwaltskanzlei Osenbrück, Bubert, Kirsten, Voppel, Köln