Wasserstoff für Gebäudesektor nur von geringer Bedeutung
Zwischenzeitlich galt Wasserstoff als vielversprechende Alternative für die Wärmeversorgung in Gebäuden. Aber welche Bedeutung wird der Energieträger zukünftig tatsächlich haben? Eine Studie unter Koordination des Fraunhofer ISE liefert dazu dezidierte Antworten.
Wasserstoff und H2-Syntheseprodukten kommt in der zukünftigen Klimapolitik eine große Bedeutung zu. Aktuell wird beispielsweise kontrovers darüber diskutiert, welche Rolle H2 im Verkehrsbereich und konkret bei der Nutzung von Pkw und Lkw spielen wird. Aber auch andere Bereiche wie der Gebäude- und Industriesektor könnten potenzielle Einsatzgebiete mit Wasserstoffbedarf sein. Doch wie könnte sich der Wasserstoffbedarf global entwickeln? Verschiedene Studien kommen auf der Suche nach Antworten zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Um eine fundierte Prognose zu geben, haben Forschende im Rahmen einer Meta-Studie unter Koordination des Fraunhofer ISI, die im Rahmen des Forschungsprojekts „HyPat“ realisiert wurde, mehr als 40 Energiesystem- und Wasserstoffszenarien ausgewertet. Beteiligt waren die Fraunhofer-Institute IEG und ISE, die Ruhr-Universität Bochum, die Energy Systems Analysis Associates – ESA² GmbH, das German Institute of Development and Sustainability IDOS, IASS Potsdam, die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit sowie die Deutsche Energie-Agentur.
Globale Nachfrage nach Wasserstoff wird wachsen
Die Mehrheit der ausgewerteten Studien prognostiziert einen deutlichen Anstieg der globalen Wasserstoffnachfrage. Besonders stark fällt der berechnete Zuwachs aus, wenn Regionen oder Länder ehrgeizige Treibhausgasminderungsziele haben. Die globale Wasserstoffnachfrage hänge also, so eine Erkenntnis der Meta-Studie, stark von der jeweiligen regionalen Klimapolitik ab und wie ambitioniert diese ist. Die Bandbreite des gesamten Wasserstoffbedarfs im Jahr 2050 liege global zwischen vier und elf Prozent des weltweiten Endenergiebedarfs. Allerdings gibt es starke regionale Unterschiede: Für die EU könnte der Anteil bei bis zu 14 % liegen, für China hingegen weist die Mehrheit der Szenarien nur einen Wasserstoffanteil von maximal vier Prozent an der Endenergie aus.
„Unsere Auswertungen unterstreichen, dass Wasserstoff in der künftigen globalen Klimapolitik eine wichtige Rolle spielt – er wird aber nicht der dominierende Endenergieträger der Zukunft sein“, so Professor Dr. Martin Wietschel, der die Forschungsarbeiten des HyPat-Konsortiums leitet. Um die Treibhausgasemissionen global zu senken, werden Maßnahmen zum Energieeinsparen und die direkte Elektrifizierung auf Basis von erneuerbarem Strom zum Beispiel durch Wärmepumpen, Elektrofahrzeuge oder in Wärmenetzen als wichtigste Hebel gesehen, so Wietschel. „Wasserstoff spielt hingegen in bestimmten Anwendungsbereichen eine relevante Rolle, in denen andere Technologien technisch oder wirtschaftlich nicht umsetzbar sind.“
Wasserstoff im Gebäudesektor kaum eine Alternative
Deutlich wird dies beispielsweise im Gebäudesektor. Im Zuge der wachsenden Abkehr von fossilen Energieträgern hatten zahlreiche Hersteller bereits damit begonnen ihre Gas-Brennwertgeräte auf Wasserstoff zu erweitern. Das Prädikat „H2 ready“ galt als vielversprechende Ergänzung für zukünftige Versorgungsszenarien. Ein weiterer Vorteil: Bereits vorhandene Gastrassen könnten, so die Überlegungen, in der Zukunft grünen Wasserstoff zum Endverbraucher transportieren. Die Fraunhofer-Studie zeichnet aber ein anderes Bild. Demnach spielt Wasserstoff im Gebäudesektor in allen betrachteten Regionen die im Vergleich geringste Rolle: Der Mediananteil wird in den meisten Studien auf weniger als zwei Prozent der Gebäudeenergie in 2050 geschätzt – mit sehr kleinen Bandbreiten, was nach Meinung der Studienverfasser eine relativ robuste Aussage bezüglich einer geringen zukünftigen Bedeutung von Wasserstoff zulässt. Auch in absoluten Werten bleibe die Nachfrage im Gebäudebereich in allen Regionen deutlich hinter den anderen Sektoren zurück.
Verkehrssektor mit größtem Wasserstoffpotenzial
Was andere Einsatzgebiete von Wasserstoff anbelangt, ist der Meta-Studie zufolge im Verkehrsbereich die größte Nachfrage zu erwarten (sowohl in absoluten Zahlen wie relativ zum Gesamtenergiebedarf). Die Forschenden berechnen für den EU-Verkehrssektor im Jahr 2050 einen mittleren Wasserstoffanteil von 28 % – bezogen auf den Gesamtenergiebedarf des EU-Verkehrssektors – gegenüber 14 % in China beziehungsweise 16 % weltweit. Der Verkehr sei aber auch der Sektor mit der größten Bandbreite und damit der größten Unsicherheit hinsichtlich des künftigen Wasserstoffeinsatzes. In Bereichen wie dem internationalen Schiffs- und Flugverkehr seien H2-Syntheseprodukte den Auswertungen zufolge gesetzt, in anderen großen Anwendungsfeldern wie bei Pkw und Lkw sei ein zukünftiger Wasserstoffeinsatz weniger klar.
Industriesektor fehlen die Alternativen
Im Industriesektor dürfte Wasserstoff in Summe in kleineren Mengen nachgefragt werden als im Verkehrssektor, die Nachfrageprognosen fallen hier niedriger aus. H2 gelte hier aber als „no regret-Option“, da für etliche industrielle Anwendungen keine Dekarbonisierungs-Alternativen existieren, wie zum Beispiel in der Eisen- und Stahlindustrie oder in der Grundstoffchemie. Im Bereich der industriellen Wärmeerzeugung gilt der Wasserstoffeinsatz als sehr unsicher, aufgrund potenzieller Alternativen auch für die Niedertemperaturwärme. Die Meta-Studie deutet hier zudem auf größere regionale Unterschiede hin: Während der Wasserstoffanteil bezogen auf den weltweiten Gesamtenergiebedarf in der Industrie im Jahr 2050 zwischen zwei bis neun Prozent rangiert, prognostiziert die Mehrheit der ausgewerteten Studien für Europa eine Bandbreite zwischen drei bis 16 %, mit Maximalanteilen von bis zu 38 %. Für China liegt der prognostizierte Wasserstoffanteil bei ein bis vier Prozent, mit Maximalwerten von sieben Prozent.
Das könnte Sie auch interessieren:
Schwammstadt: Komplementäre Versorgung mit „Stadtwasser“
Nachtragsangebote: Schweigen ist die schlechtere Alternative
„Die Einführung von BIM ist Chefsache“
Light + Building: Neustart ab 2. Oktober
Null-Emissionenhaus: Aktive und passive Energiesysteme kombiniert
„Kletterei“ mit multivalenter Strom-, Wärme- und Kälteversorgung
Firmen setzen kaum auf Gebäudeautomation
Nachträgliche Leistungsänderungen: Was ist bei der Vergütung zu beachten?
Interesse an Wärmepumpen deutlich gestiegen
Druckbelüftete Treppenräume: Was bei der Planung zu beachten ist
Baustellen: Millionenschaden durch fehlerhafte Planung und hohen Zeitdruck
Sachverständige warnen: Warmwasser-Temperaturen nicht reduzieren