Wer Bedenken anmeldet, kann von Haftung befreit sein
Ein Unternehmer haftet grundsätzlich auch für Mängel seiner Leistung, wenn deren Ursache im Verantwortungsbereich des Auftraggebers oder eines Vorunternehmers liegt. Er kann sich hiervon aber durch eine Bedenkenanmeldung befreien.
Das OLG Stuttgart (Urteil vom 21.11.2016 – 10 U 71/16 –, nicht rechtskräftig) hatte sich mit der Frage der Hinweispflicht des Unternehmers in einer ungewöhnlichen Konstellation zu befassen, die weitere Fragen aufwarf: Der klagende Auftragnehmer war vom Bauherrn mit Bodenbelagsarbeiten bei der Sanierung eines Schulgebäudes beauftragt worden. Die Planung des beklagten Architekten sah vor, den Bodenbelag auf den vorhandenen alten Spachtelmassenschichten aufzubringen. Der Kläger hatte Bedenken gegen diese Ausführungsart angemeldet. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Bauherr auf die Bedenkenanmeldung gar nicht reagiert oder mit dem Hinweis, das Schadensrisiko werde als sehr gering eingeschätzt, die Mitarbeiter des Klägers aufgefordert hat, die Leistung wie ausgeschrieben zu erbringen. Nach Abnahme der Leistung kam es zur Beulen- und Blasenbildung am Fußboden, die darauf zurückzuführen war, dass die alte Spachtelmasse vor Ort belassen und nicht vor den Bodenbelagsarbeiten zurückgebaut worden war. Nach Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens des Bauherren gegen den Kläger hat dieser den Mangel mit einem Aufwand von etwa 10.000 Euro beseitigt und beansprucht nunmehr von dem Planer im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs die Erstattung eines Anteils von 70 % dieser Kosten.
Müssen Planer und Unternehmer haften?
Wenn ein Planungsfehler und ein Ausführungsfehler zusammentreffen, haften Unternehmer und Planer grundsätzlich als Gesamtschuldner. Das bedeutet, dass der Auftraggeber in der Regel nach seiner Wahl den Unternehmer oder den Planer auf Mängelbeseitigung beziehungsweise auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann. Unternehmer und Planer haben dann unter sich Ausgleichsansprüche unter Berücksichtigung ihres Mitverantwortungsanteils an dem Mangel. Bei einem Planungsfehler liegt das Schwergewicht der Verantwortung beim Planer; dies bewegte den Kläger vorliegend, Ausgleich in Höhe von 70 % zu beanspruchen.
Voraussetzung ist jedoch, dass überhaupt ein Gesamtschuldverhältnis zwischen Planer und Unternehmer besteht. Dies hat das Gericht hier zutreffend verneint.
Der Unternehmer ist nämlich dadurch gemäß Paragraf 13 Abs. 3 VOB/B von seiner Haftung wegen des Mangels am Bodenbelag freigeworden, dass er nach Paragraf 4 Abs. 3 VOB/B Bedenken gegen die vom Auftraggeber vorgegebene Planung, die vorsah, den Bodenbelag auf der vorhandenen Spachtelmasse aufzubringen, erhoben hat. Zwar hat der Unternehmer grundsätzlich auch dann für den Erfolg – das mangelfreie Gewerk – einzustehen, wenn der Mangel nicht auf seiner Leistung, sondern auf Vorgaben des Auftraggebers (beziehungsweise des Planers, dessen Leistungen sich der Auftraggeber zurechnen lassen muss) oder Mängeln einer Vorleistung beruhen. Das ist Ausfluss der Tatsache, dass der Unternehmer unbedingt den Erfolg schuldet. Dies gilt aber dann nicht, wenn konkret und nachvollziehbar Bedenken geltend gemacht worden sind.
Wie wurde auf die angemeldeten Bedenken reagiert?
Dies ist hier geschehen. Streitig war allerdings, ob der Auftraggeber auf diese Bedenkenanmeldung reagiert hatte. Sollte er die Anweisung gegeben haben, ungeachtet der angemeldeten Bedenken die Leistung wie geplant auszuführen, wird der Unternehmer eindeutig von der Haftung frei. Er muss die Leistung trotz seiner Bedenken ausführen. Sollte der Auftraggeber nicht reagiert haben, gilt nach Ansicht des OLG Stuttgart im Ergebnis nichts anderes: Gestützt auf eine Ansicht, die – soweit ersichtlich – bislang nur in der Kommentarliteratur vertreten worden ist, entscheidet das OLG, dass der Unternehmer auch dann von der Mängelhaftung befreit sei, wenn er ordnungsgemäß gemäß Paragraf 4 Abs. 3 VOB/B Bedenken mitteilt, der Auftraggeber aber untätig bleibt und darauf nicht reagiert. Der Auftragnehmer hat dann seiner vertraglichen Verpflichtung genügt. Allerdings muss der Auftragnehmer nach seiner Bedenkenanmeldung eine angemessene Zeit abwarten, innerhalb derer nach Treu und Glauben – nach Prüfung durch den Auftraggeber – mit einer Rückmeldung gerechnet werden kann.
Schriftlicher Hinweis zur Absicherung
Das Gericht stellt keine weiteren Anforderungen auf; die Literatur empfiehlt zusätzlich noch, nach Ablauf der angemessenen Frist den Auftraggeber (schriftlich) darauf hinzuweisen, dass die Leistung nunmehr erbracht, aber gemäß den Bedenken die Haftung abgelehnt werde. Dies ist zur Absicherung dringend zu empfehlen. Der Auftragnehmer kann aber auch zuwarten; die Reaktion auf die Bedenkenanmeldung durch den Auftraggeber stellt eine Mitwirkungsobliegenheit dar, durch deren Verletzung der Auftraggeber in Annahmeverzug gerät. Aus der Sicht des Unternehmers stellt dies eine Behinderung dar. Gegebenenfalls kann der Unternehmer den Auftrag sogar kündigen.
Da nach Ansicht des Gerichtes der Kläger für den Mangel also wegen der vorherigen Bedenkenanzeige nicht haftete, entstand kein Gesamtschuldverhältnis mit dem Beklagten. Der Kläger konnte die Kosten, die er zur Mangelbeseitigung aufgewendet hatte, nicht – auch nicht teilweise – vom Beklagten im Regresswege erstattet verlangen.
Leistung ohne Grund erhalten
Der Kläger war auch gegenüber dem Bauherrn nicht verpflichtet, den Mangel zu beseitigen. Dass er dies trotzdem getan hat, stellt eine ungerechtfertigte Bereicherung des Bauherrn dar (Paragraf 812 BGB), da dieser eine Leistung ohne einen gesetzlich oder vertraglich bestehenden Grund erhalten hat. Da es für die kostenlose Leistung des Klägers gegenüber dem Bauherrn keinen rechtfertigenden Grund gibt, kann er die Herausgabe der dadurch entstandenen Bereicherung – regelmäßig in Höhe der anderweitig ersparten Aufwendungen in Höhe der ortsüblichen Vergütung für die erbrachten Leistungen – beanspruchen.
Dr. Reinhard Voppel Rechtsanwaltskanzlei Osenbrück, Bubert, Kirsten, Voppel Bild: Foto Stephan Behrla/Nöhrbaß GbR