Konstruktion von IE3-Motoren beeinflusst Anforderungen an Niederspannungsschaltgeräte
Seit Anfang des Jahres ist für neue Elektromotoren in der EU die Energieeffizienzklasse IE3 für viele Anwendungen vorgeschrieben. Was viele nicht wissen: Die konstruktiven Veränderungen, die an den Motoren notwendig waren, damit diese den höheren Wirkungsgrad erreichen, haben sicherheitsrelevante Auswirkungen auf die erforderlichen Niederspannungsschaltgeräte. Welche Auswirkungen hat das und was bedeuten diese für die Konstruktion entsprechender Automatisierungskomponenten sowie für den Anwender?
Seit Januar 2015 schreibt die europä-ische Richtlinie 640/2009/EC für neu in Verkehr gebrachte Elektromotoren mit einer Nennausgangsleistung von 7,5 bis 375 kW Energieeffizienzklasse IE3 bzw. IE2 mit elektronischer Drehzahlregelung vor. Im nächsten Schritt, zum 01. Januar 2017, wird die Nennausgangsleistung um den Bereich von 0,75 bis 375 kW erweitert. In anderen Teilen der Welt wie in Nord-, Mittel- und Südamerika wurden Elektromotoren der Effizienzklasse IE2 bereits viel früher eingeführt (Bild 1).
Höherer Wirkungsgrad erfordert neue Motorkonzepte
Die neuen Anforderungen der ErP-Richtlinie im Zusammenhang mit der Forderung nach höheren Wirkungsgraden entsprechend der Norm IEC 60034–30–1 (Drehende elektrische Maschinen; Teil 30–1: Wirkungsgrad-Klassifizierung von netzgespeisten Drehstrommotoren, IE-Code) haben zwangsläufig konstruktive Veränderungen an Elektromotoren nach sich gezogen. Hersteller wie WEG waren gezwungen, ihre Motorkonzepte an-zupassen. Zu diesen Anpassungen zur Verbesserung des Motorwirkungsgrades gehören unter anderem eine höhere Kupfermasse des Stators, der Einsatz von Eisenkernen mit dünneren Sili- ziumblechen mit höherem Silizium- gehalt, optimierte Luftspalte, mehr Leitermaterial am Rotor und Verbesserungen am Kühlsystem (Bild 2).
Aufgrund dieser Änderungen weisen IE3-Motoren eine höhere Induktivität als bisherige Standardmotoren auf. Daraus folgt, dass die Kupferverluste geringer ausfallen, sodass effizientere Motoren einen höheren Einschaltrush, höhere Anlaufströme und niedrigere Bemessungsbetriebsströme haben. Die Werte verschiedener Fabrikate können aufgrund unterschiedlicher Auslegung der Konstruktionselemente stark variieren. In entsprechenden Motorstromkreisen befindliche Schalt-, Schutz- und Anlasseinrichtungen müssen diesem höheren Anlaufstrom Rechnung tragen.
Auswirkung auf Niederspannungsschaltgeräte
Um ein optimales Verhalten aller Schalt- und Schutzkomponenten zu gewährleisten, hat WEG eine breit angelegte Studie mit Produkten der wichtigsten internationalen Hersteller von Elektromotoren durchgeführt. In dieser Studie wurden IE2-Motoren mit IE3-Motoren verglichen, um die Effekte des Anlaufstroms besser verstehen und quantifizieren zu können.
Auf Grundlage der in Bild 3 gezeigten Kurven lässt sich eine Reihe von Faktoren berechnen, die zu einem besseren Verständnis der wesentlichen Unterschiede zwischen IE2- und IE3-Motoren in Bezug auf die Schalt- und Schutzkomponenten beitragen.
Beim Vergleich der Testergebnisse fällt auf, dass der Anlaufstrom bei dem IE3-Motor um 21 % höher und der Einschaltstrom (Spitzenwert) um 20 % höher ist. Eine wichtige Rolle spielt das Verhältnis zwischen dem Spitzenwert des Einschaltstroms und dem Effektivwert des Volllaststroms des Motors, weil es mit dem Ansprechwert des Kurzschlussauslösers der Motorschutzschalter in Beziehung steht. Dieses Verhältnis beträgt beim IE3-Motor 12,7, d.h. es ist um 23 % höher als bei dem IE2-Motor.
Der höhere Anlaufstrom von IE3-Motoren kann unter Umständen zu einem unerwünschten Auslösen der Motorschutzschalter führen. Dies kann dadurch verursacht werden, dass die Ansprechwerte der Kurzschlussauslöser aufgrund ihrer Magneteigenschaften durch erhöhte Einschaltströme überschritten werden. Bei Schützen können die hohen Anlaufströme zu übermäßiger Erwärmung führen. In extremen Fällen können bei Schützen mit hohem Kontaktprellen und bei erheblicher Überschreitung des thermischen Nennstroms (Ith) Kontakte verschweißen.
Mit der Erhöhung der Anlaufströme von IE3-Motoren befassen sich auch die Normenausschüsse, in denen die Möglichkeit der Anpassung der relevanten Normen wie der IEC 60947, die Konstruktions- und Prüfanforderungen für Niederspannungs-Schalt- und Schutzgeräte festlegen, untersucht wird.
Anpassung des Ansprechverhaltens
Als Hersteller von Elektromotoren und Niederspannungsschaltgeräten mit Stammsitz in Brasilien hat sich WEG schon frühzeitig mit der Thematik auseinandergesetzt. Denn dadurch, dass das Unternehmen in Märkten stark vertreten ist, in denen energieeffizientere Motoren wesentlich früher als in der EU eingeführt wurden, und es bereits seit vielen Jahren Premium- und Super-Premium-Elektromotoren (IE3 und IE4) entwickelt und fertigt, konnte WEG schon frühzeitig auf die konstruktiven Veränderungen an den Motoren reagieren und seine Niederspannungsschaltgeräte (Bild 4) entsprechend anpassen.
Die durchgeführten Tests belegen, dass sich der Motorschutz-Leistungsschalter MPW für den Betrieb von IE3-Motoren eignet. Ebenso hat die Studie bestätigt, dass Motorschutzrelais der Serien RW (Bimetall) und RW…E (elektronisch) keiner Änderung bedürfen, da das erhöhte Anlaufverhalten keine Auswirkungen auf Motorschutzrelais hat. Die Schütz-Serien CWM, CWC und CWB hatte WEG in den letzten Jahren bereits im Hinblick auf höhere Einschalt- und Anlaufströme optimiert, und zwar ohne dabei die mechanische oder elektrische Lebensdauer zu beeinträchtigen.
Aufgrund ihrer Empfindlichkeit stellen Motorschutzschalter die von den höheren Anlauf- und Einschaltströmen bei Premium-Efficiency-Motoren am meisten betroffene Motorschutzeinrichtung dar. Bereits 2010 unterzog man daher die gesamte Motorschutzschalterbaureihe MPW einer intensiven Prüfung und erhöhte bei dieser Gelegenheit den Ansprechwert der Kurzschlussauslöser vom 12- auf das 13-fache des maximalen Bemessungsbetriebsstromes. Durch Multiplikation dieses Faktors (13) mit √2 erhält man einen Wert von 18,4, der dem Spitzenwert des Stroms der Kurzschlussauslösung entspricht. Wenn man dies jetzt mit dem Wert 12,7, also dem Verhältnis zwischen dem Spitzenwert des Einschaltstroms und dem Effektivwert des Volllaststroms des IE3-Motors, vergleicht, wird deutlich, dass auch beim Schalten von IE3-Motoren kein unerwünschtes Auslösen auftritt. Das bedeutet, dass die Motorschutz-Leistungsschalter MPW im Prinzip schon seit fünf Jahren „IE3-konform“ sind.
Bedeutung für den Anwender
Alle entsprechenden Niederspannungsschaltgeräte von WEG eignen sich erwiesenermaßen für den sicheren Betrieb hocheffizienter Motoren, und das trotz der im Vergleich zu IE2-Motoren erhöhten Einschaltströme. Um Anlagen auch in Zeiten geänderten Anlaufverhaltens zuverlässig zu betreiben und mögliche Maschinenstillstände zu vermeiden, sollten Anwender bei der Auswahl der Niederspannungsschaltgeräte unbedingt auf deren IE3-Konformität achten. Im Sinne der Anwenderfreundlichkeit kennzeichnet der Hersteller daher alle entsprechenden Niederspannungsschaltgeräte auf den Verpackungen mit dem „IE3-konform“-Logo. Und unabhängig davon, wo die Reise in Sachen Energieeffizienz bei Elektromotoren noch hingehen wird: WEG wird auch in Zukunft stets IE-konforme Motorschutz-Leistungsschalter und Leistungsschütze anbieten, die sich sowohl mit den eigenen als auch mit Motoren anderer Hersteller ohne Einschränkungen betreiben lassen.
Autor Zoltan Schaaf Manager Niederspannungsschaltgeräte, WEGKontakt: WEG Germany GmbHIndustriegebiet Türnich 3Geigerstraße 750169 Kerpen TürnichTel.: 0 22 37/9 29 10E-Mail: info-de@weg.netwww.weg.net/de