Maschinenbauer erwarten Minus für das Jahr 2024
Der VDMA hat seine Produktionsprognose für das Jahr 2024 auf real minus 4 % gesenkt. Wachstumschancen sieht der Verband in der Digitalisierung und Dekarbonisierung.
Die anhaltende Flaute der globalen Konjunktur hinterlässt auch im Maschinen- und Anlagenbau zunehmend deutlichere Spuren. Dies hat der VDMA auf seiner Jahrespressekonferenz bekannt gegeben. Zwar lief die Produktion in den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres aufgrund hoher Auftragsbestände und weniger Engpässe in den Lieferketten vergleichsweise gut. Sie erreichte bis einschließlich Oktober ein reales Plus von 0,9 %. „Aber nachdem die ersten beiden Quartale noch Wachstumsbeiträge lieferten, verfehlte die Maschinenproduktion im dritten Quartal ihr Vorjahresniveau bereits um 1,6 %. Auch das vierte Quartal wird schwach ausfallen“, sagte VDMA-Präsident Karl Haeusgen in Frankfurt. „Die bis zum Sommer gute Produktion sorgt zwar dafür, dass wir unsere Schätzung für 2023 anheben. Wir rechnen nur noch mit einem Produktionsrückgang von real 1 %. Anders als vor einem Jahr kann der sinkende Auftragsbestand die Produktion aber immer weniger stützen. Daher passen wir die Prognose für 2024 nach unten an: von bisher minus 2 auf nun minus 4 %“, erläuterte Haeusgen.
Denn Auftragseingänge im Maschinen- und Anlagenbau bleiben seit Jahresbeginn Monat für Monat hinter dem Vorjahr zurück – in Summe um real 13 % in den ersten zehn Monaten 2023. Damit sinken auch die Auftragspolster. Laut einer aktuellen VDMA-Umfrage (Ende Oktober) lag die Auftragsreichweite in 60 % der Unternehmen bereits unter ihrem jeweiligen langjährigen Durchschnitt. „Eine echte Trendwende ist trotz erster zaghafter Signale einer Bodenbildung vorerst nicht in Sicht“, sagte der VDMA-Präsident. Denn auch in den USA könnte die Investitionstätigkeit konjunkturell bedingt nachlassen, während sie in China wohl schwach bleiben wird. „Ländern wie Indien oder auch Mexiko trauen wir zwar ein weiteres Wachstum zu – doch sind diese Märkte für sich genommen nicht groß genug, um Rückgänge auf anderen Märkten kompensieren zu können“, sagte Haeusgen.
Erwartungen im Inland bleiben schwach
Auch in Deutschland wird die Investitionstätigkeit vorerst wohl schwach bleiben. Nach Ergebnissen einer exklusiven Befragung des IW für den VDMA haben sich die Wirtschaftsperspektiven im Inland erneut eingetrübt und liegen wieder auf dem niedrigen Niveau vom Herbst 2022. Auch die Investitionserwartungen für 2024 haben sich deutlich verschlechtert. Hier ist der Anteil der Pessimisten aktuell um 9 Prozentpunkte höher als derjenige der Optimisten. „Dabei gibt es durchaus Investitionsanreize. Laut Befragung des IW rechnet sich die gesamte Wirtschaft Chancen aus bei den Trends Digitalisierung/Automatisierung, Aufbau resilienter Lieferketten und der Dekarbonisierung. Aber wir gehen nicht davon aus, dass diese expansiven Effekte, die auch auf den Maschinenbau ausstrahlen sollten, bereits im kommenden Jahr alle belastenden Faktoren kompensieren können“, sagte Haeusgen.
Industriefreundliche Standortpolitik nötig
Als sehr erfreulich wertet der Verband, dass sich die Beschäftigung in den Betrieben im Inland 2023 nochmals leicht auf knapp 1,03 Mio. Menschen in den Stammbelegschaften erhöht hat. Als entscheidenden Faktor, um Investitionen nun wieder anzukurbeln, bezeichnete der VDMA-Präsident eine industriefreundliche, langfristig verlässliche Standortpolitik in der EU und in Deutschland. „Eine Politik jedoch, die alles regulieren und finanzieren will, läuft gegen die Wand. Es ist allerhöchste Zeit dafür, der sozialen Marktwirtschaft wieder mehr zu vertrauen, Regulierung und Bürokratie zurückzudrängen, den Unternehmen wieder mehr Freiräume für ihre Innovationen und auch den einzelnen Bürgern wieder mehr Freiheit und Verantwortung zu geben“, forderte der VDMA-Präsident.
Mit Blick auf die aktuelle Haushaltsdebatte ergänzte er: „Grundsätzlich sollte nun alles das forciert werden, was Kräfte freisetzt, ohne zusätzliche Belastungen für den Haushalt auszulösen. Darunter fallen die Maßnahmen zum Bürokratieabbau oder auch der dringend notwendige Abschluss von Freihandelsabkommen, zum Beispiel mit den Mercosur-Staaten.“ Zudem sollte alles unterlassen werden, was zusätzliche Investitionen und Innovationen unwahrscheinlicher macht oder bestehende sogar einschränkt. „Hierunter zähle ich die Blockade des Wachstumschancengesetzes mit der Erweiterung der Forschungszulage, der Wiedereinführung der degressiven Abschreibung und der Ausweitung der steuerlichen Verlustverrechnung“, sagte Haeusgen.
Freihandelsabkommen nicht überfrachten, Binnenmarkt reformieren
Auch die Europäische Union droht im globalen Handel immer mehr ins Hintertreffen zu geraten. „Wir erleben, dass andere Länder immer seltener mit Europa ein Freihandelsabkommen schließen wollen, obwohl hier ein großer, attraktiver Markt winkt“, analysierte Haeusgen. Die EU müsse sich endlich von der Vorstellung verabschieden, diese Abkommen mit sozialen und Umweltbelangen zu überfrachten. „Andere Länder werden sich von uns nicht vorschreiben lassen, wie sie zu wirtschaften haben“, betonte der VDMA-Präsident. Wirtschaftlicher Erfolg lasse sich in Europa angesichts der Unwägbarkeiten im internationalen Handel aber nur erreichen, wenn zudem endlich der Binnenmarkt gestärkt, ausgebaut und reformiert werde. „Insbesondere die Bürokratie und teilweise absurden Anforderung bei der Entsendung von Mitarbeitern in Europa sind das beste Beispiel dafür, dass nicht mehr der Binnenmarkt, sondern fehlgeleitet nationale Schutzinteressen politisch die Oberhand gewonnen haben. Das muss sich ändern. Wer Resilienz will, muss die Hindernisse im Binnenmarkt aktiv beseitigen“, forderte Haeusgen.
EU-Lieferkettengesetz als abschreckendes Beispiel
Die Unternehmen in der EU wurden in der laufenden Legislaturperiode mit einer Fülle von neuen Vorschriften überflutet. Allein für den Bereich des Green Deals hatte die Kommission insgesamt 90 Initiativen für diese Legislatur angekündigt und für den Digitalbereich weitere 73. Viele von diesen Initiativen haben auch Auswirkungen auf den Maschinen- und Anlagenbau. „Der EU-Binnenmarkt braucht sinnvolle und handhabbare Regulierungen, die zum Ziel haben, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu stärken“, betonte der VDMA-Präsident. Stattdessen erweisen sich die bereits verabschiedeten oder geplanten Regulierungen immer mehr als Belastung oder Bedrohung. Bestes Beispiel hierfür ist das Europäische Lieferkettengesetz, das – wenn sich der Vorschlag des Parlaments durchsetzt – nicht nur eine Kontrolle der Lieferanten und deren Lieferanten vorsieht, sondern auch der Kunden. „Niemand kann jedoch seinem Kunden vorschreiben, wie und wo er eine Maschine einsetzen darf. Und das ist nur einer von vielen Exzessen in einem Gesetz, das kleinen und mittleren Firmen eine Verantwortung auflastet, die sie aufgrund ihrer fehlenden Marktmacht überhaupt nicht erfüllen können. Das Gesetz ist daher reines Wunschdenken – und am Ende bedanken sich Wettbewerber aus Nicht-EU-Ländern, dass wir uns selbst so ins Aus schießen“, beklagte der VDMA-Präsident.
Weiteren Rechtsruck in der Europawahl verhindern
Eine starke, wettbewerbsfähige Europäische Union ist für den Maschinen- und Anlagenbau auch angesichts des Aufschwungs von wirtschafts- und demokratiefeindlichen rechten Parteien in Europa von großer Bedeutung. „Parteien, die für Nationalismus und Abschottung eintreten, gefährden Wohlstand, Wettbewerbsfähigkeit und unsere gesellschaftliche Konsenskultur. Deshalb muss es unser aller Anliegen sein, einen weiteren Rechtsruck bei den anstehenden Parlamentswahlen zu verhindern“, betonte der VDMA-Präsident.
Als Kernbranche der deutschen und europäischen Industrie mit rund 3 Mio. Beschäftigten in der EU hat der Maschinen- und Anlagenbau viele Trümpfe in der Hand, um auf dem Weltmarkt auch weiterhin eine führende Rolle zu spielen – wenn er nicht ausgebremst wird. Ganz entscheidend für den weiteren Erfolg ist die Innovationskraft der Branche, die sich jüngst in den Zahlen zu den Ausgaben für Forschung und Entwicklung wieder gezeigt hat. Mit rund 8,7 Mrd. Euro (plus 6 % zum Vorjahr) wurde ein Rekordwert investiert, „der zeigt, dass wir an die Stärke und Zukunftsfähigkeit unserer Industrie glauben“, sagte Haeusgen.
Nächste Stufe der Digitalisierung
Wachstumschancen liegen dabei vor allem in der Digitalisierung. Zu den wichtigsten Aufgaben zählt hier, dass die Unternehmen in der digitalen Welt ihr Domainwissen sicher einbringen können. Dazu sind föderative Datenräume notwendig, die auch vom industriellen Mittelstand genutzt werden. Dafür steht das Programm Manufacturing-X, das dafür sorgen soll, dass die Standards für Produktionsinformationen des Maschinen- und Anlagenbaus stärker adaptiert und genutzt werden. „Wir setzen damit direkt auf die erfolgreiche Einführung der Weltsprache der Produktion, OPC UA, mit Hilfe der globalen Umsetzungs-Initiative umati auf“, erläuterte Haeusgen. „Heute werden im Maschinenbau immer mehr Funktionalitäten von Maschinen und Anlagen in die Softwarewelt verlagert. Das heißt, dass parallel zur physischen Welt des Shopfloors ein digitales Ökosystem entsteht, in dem Prozesse digital abgebildet werden. Hier eröffnen sich dem Maschinenbau vielfältige Umsatzoptionen jenseits des eigentlichen Kerngeschäfts“, resümierte er.
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