Mayr Antriebstechnik trauert um Senior-Chef
Fritz Mayr, Senior-Chef von Mayr Antriebstechnik, ist am 18. Januar gestorben. Mayr hatte aus dem Familienunternehmen im Allgäu einen Hidden Champion gemacht.
Im Alter von 96 Jahren und nach über einem halben Jahrhundert als Geschäftsführer von Mayr Antriebstechnik ist Fritz Mayr am 18.01.23 im Kreise seiner engsten Vertrauten friedlich eingeschlafen. Das Familienunternehmen trauert um seinen geschätzten Seniorchef.
„Er hatte ein erfülltes Leben und ein stolzes Alter, trotzdem bin ich tieftraurig, sagt eine Mitarbeiterin, die Fritz Mayr in seinem Alltag unterstützt hat, zum Beispiel beim Aussteigen aus dem Taxi, das ihn bis zuletzt jeden Morgen in die Firma brachte. „Er hat mich wirklich jeden Morgen, auch wenn es ihm nicht gut ging, mit einem Lächeln begrüßt – jeden Tag.“
„Die Termine bei ihm waren nicht immer angenehm. Aber mehr als einmal habe ich mich beim Bearbeiten einer seiner neuen Aufgaben gefragt, warum ich nicht selbst darauf gekommen bin. Eigentlich hätte ich, als so viel jüngerer Mensch, den Vorschlag machen müssen, die Idee haben können. Er hatte wieder einmal den Blick aufs Ganze gehabt und hat, ohne es vorher zu wissen, den Trend der Zeit getroffen. Ich durfte so viel von ihm lernen,“ gesteht ein Kollege aus dem technischen Büro.
Gegenseitiger Respekt hatte höchste Priorität
Spontan gefragt antwortet ein Kollege aus der Produktion: „Wenn ich an Herrn Fritz Mayr denke, dann in erster Linie folgendes: Herr Mayr hat mich nie als Arbeiter, sondern als Mensch gesehen; ein Mensch der gemeinsam mit ihm Erfolg hat. Der persönliche Umgang miteinander stand bei Herrn Mayr an erster Stelle, gegenseitiger Respekt hatte höchste Priorität; das hat mit Sicherheit dazu beigetragen, dass die Firma Mayr heute ist wie sie ist. Wenn ich rückblickend betrachte, welchen Einfluss Herr Mayr auf die weltweiten Märkte der Antriebstechnik, auf die Entwicklung der Firma und auch meine persönliche Entwicklung hatte, dann hat er meinen höchsten Respekt und Anerkennung verdient. Ich persönlich habe sehr gerne für Herrn Mayr gearbeitet.
Lebensphilosophie: Sicherheit duldet keine Kompromisse
Tag für Tag sichern Kupplungen und Bremsen von Mayr-Antriebstechnik aus Mauerstetten die Bewegungen in Maschinen rund um den Globus. Diese Aufgabe erlaubt keine Abstriche bei der Qualität. Denn Sicherheitsbremsen und Kupplungen sind Komponenten, die in den Maschinen und Anlagen zuverlässig den Schutz und die Sicherheit für Personen und auch Material gewährleisten müssen. Komponenten also, die Bewegungen im Notfall präzise und blitzschnell unterbrechen, bis zum Stillstand abbremsen oder aber bestimmte Positionen millimetergenau halten. Komponenten, die im Notfall Leben retten. Sie stehen damit für Sicherheit, die keine Kompromisse duldet: Die Lebensphilosophie von Fritz Mayr. „Tradition und Innovation sind die tragenden Säulen, die seit Generationen unsere Stabilität garantieren. In einer Welt, die immer schnelllebiger und unsicherer wird, bedeutet dies Zuverlässigkeit und langfristige Sicherheit. Sicherheit für die Arbeitsplätze auf der einen Seite, aber unsere Produkte verkörpern natürlich auch Sicherheit. Sicherheit prägt uns sozusagen nicht nur im Denken, sondern auch im Tun.“
Fitz Mayr: 1926 – 2023
Fritz Mayr (geb. 03. April 1926) begann nach seiner Rückkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft (1947) im Jahr 1948 sein Maschinenbaustudium an der Technischen Universität in München. Dieses schloss er im Jahr 1952 als Diplom-Ingenieur ab. Nach Anfangsjahren als Jung-Ingenieur bei der Württembergischen Metallwarenfabrik (WMF), trat er im Jahr 1956 in dritter Generation in den Familienbetrieb in Kaufbeuren ein. Das Unternehmen war Ende des 19. Jahrhunderts als Mühlschreinerei gegründet worden. Und auch in den 1950er Jahren produzierte das Unternehmen weiter Komponenten für die damalige Antriebstechnik, beispielsweise Flachriemenscheiben. In der direkten Nachkriegszeit kam mit der Gablonzer Industrie zudem eine neue Kundengruppe auf Mayr zu. Diese war einstmals im nordböhmischen Gablonz beheimatet und dort ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Kernprodukte waren Schmuck, Accessoires und dekorative Elemente aus verschiedensten Materialien wie Glas, Stein oder unedlen Metallen. Der Bedarf an industriellen Komponenten war groß, nachdem der Großteil der Unternehmen bei null anfing. Das Unternehmen Mayr konnte helfen und belieferte die Firmen mit allem, was sie brauchten: Schleifscheiben für die Bearbeitung von Glassteinen, Ober- und Seitenstechermaschinen zur Herstellung von Knöpfen, Hebel- und Spindelpressen mit bis zu 10 Tonnen Druckkraft, Graveurkugeln und Lampendruckzangen. Aber auch schon erste zukunftsweisende Innovationen entstanden in dieser Zeit. So automatisierte Fritz Mayr, der als Enkel des Firmengründers neben seinem Vater damals bereits geschäftsführend tätig war, den vorherrschenden Handspritzguss.
Aufstieg zum Weltmarktführer: Hidden Champion im Allgäu
Ein Durchbruch im Bereich der Antriebstechnik gab dem Unternehmen in dieser Zeit einen entscheidenden Impuls: die Entwicklung der Sicherheitskupplung. Es gab bereits Lösungen zur Drehmomentbegrenzung auf dem Markt. Diese waren allerdings nicht das, was sich Fritz Mayr unter einer hochwertigen Kupplung vorstellte. Sicherheitskupplungen, wie sie heute üblich sind, gab es nicht – an dieser Stelle erkannte Fritz Mayr seine Chance für eigene, qualitativ überlegene Lösungen. Mit Sicherheitskupplungen für Gehäuselüfter gelang dem Unternehmen Mayr ein erfolgreiches Debüt in diesem Bereich. 1963 kamen die EAS-Sicherheitskupplungen auf den Markt und entwickelten sich schnell zum stärksten Umsatzbringer des Unternehmens. Im Jahr 1965 übernahm Fritz Mayr offiziell die Geschäftsführung von seinem Vater und war bis zuletzt Teil der Geschäftsführung.
Die Ausgangsbasis in Kaufbeuren war durch das stetige Wachstum in der Nachkriegszeit bald zu beengt: Lediglich 1.400 Quadratmeter Fläche hatte der Unternehmenssitz in Kaufbeuren, den das Unternehmen seit der Gründung 1897 nutzte. Im Jahr 1972 erfolgte schließlich der Umzug nach Mauerstetten, wo sich der Firmensitz bis heute befindet. Inzwischen erstreckt sich das Gelände auf einer Fläche von rund 33.000 Quadratmetern. Rund 750 Beschäftigte gehen hier ihrer Arbeit nach.
Internationale Ausrichtung seit über 60 Jahren
International ausgerichtet ist Mayr bereits seit den 1960er Jahren. Vertretungen und Niederlassungen in immer mehr Ländern sorgten für Präsenz in den Märkten. Mit der Gründung eines Werkes in Polen 1994 und einem weiteren in China zehn Jahre später wurde schließlich auch die Produktion international. Die weltweite Präsenz nutzte das Unternehmen immer wieder, um mit technischen Innovationen neue Bereiche zu erobern. Im Jahr 1997 wagte die Firma beispielsweise den Schritt in die Aufzugsbranche und erreichte bis heute die Marktführerschaft bei Aufzugsbremsen.
Heute sind Vernetzung und Digitalisierung die großen Themen, auch in der Antriebstechnik. Diesen Herausforderungen stellt sich das Unternehmen Mayr mit innovativen Lösungen. Beispielsweise mit elektronischen Modulen, die Sicherheitsbremsen ganz ohne zusätzliche Sensoren kommunikationsfähig machen und sie auch steuern können.
Stabilität im Fokus
Wichtigster Bestandteil der Firmenphilosophie war für Fritz Mayr die Stabilität. Dieses Prinzip charakterisiert den Betrieb von Beginn an und zieht sich durch alle Bereiche: Vom Produkt über die Lieferung, den Service, die Innovationen sowie allgemein die Anpassungsfähigkeit und Beständigkeit des Unternehmens. Und auch die Arbeitsplätze sind stabil. Selbst in Zeiten von Rezession konnte das Unternehmen immer alle Arbeitsplätze erhalten und musste nie Personal entlassen. Die Stabilität steht an erster Stelle. Dies zeigt sich auch durch die Gründung der Beteiligungsgesellschaft „Mayr Familien KG“ im Jahr 2015, mit der eine solide Basis für die zukünftige Gesellschafterstruktur geschaffen wurde. In diesem Zuge übernahm Ferdinand Mayr, der Enkel von Fritz Mayr, die Firma und rückte schließlich 2018 in die Geschäftsleitung auf. Im Jahr 2022 hat Ferdinand Mayr die Funktion des CEO von Günther Klingler, der in den Ruhestand eintrat, übernommen.
Gemeinsam stark
Das Besondere an Mayr-Antriebstechnik ist die Ausrichtung als Familienunternehmen. Seit der Gründung steht die Familie Mayr hinter dem Unternehmen. „Wir betrachten unser Unternehmen mit allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen als gewachsene Mayr-Familie“, erklärt Ferdinand Mayr. Dementsprechend traurig sind jetzt viele, gerade langjährige Kolleginnen und Kollegen und Weggefährten von Fritz Mayr und die Anteilnahme ist groß. Die Beisetzung findet am Dienstag, dem 24. Januar, auf dem Friedhof in Mauerstetten statt.