ZF erreicht Jahresziele bei Umsatz und Ergebnis
ZF richtet sich weiter auf E-Mobilität, autonomes Fahren und Software-Entwicklung aus. Wolf-Henning Scheider will das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen.
Der Technologiekonzern ZF hat nach eigenen Angaben seine finanziellen Ziele im vergangenen Jahr erreicht, trotz eines erneut herausfordernden wirtschaftlichen Umfeldes. Mit 38,3 Mrd. Euro habe der Umsatz um 17,5 % deutlich über dem Vorjahreswert von 32,6 Mrd. Euro gelegen und auch jenen des Jahres 2019 (36,5 Mrd. Euro) übertroffen. Das bereinigte EBIT betrug 1,9 Mrd. Euro (2020: 1,0 Mrd. Euro); die bereinigte EBIT-Marge lag bei 5,0 % (2020: 3,2 %). Zugleich habe sich ZF weiter strategisch auf die Zukunft der Mobilität ausgerichtet und substanzielle neue Kundenaufträge in den drei Kernfeldern Elektromobilität, autonomes Fahren und Software-Entwicklung erhalten.
„Trotz des im Jahresverlauf einsetzenden starken Gegenwinds sind wir auf Kurs geblieben und haben unsere bereits zu Jahresbeginn gesetzten Ziele erreicht“, sagte der Vorsitzende des Vorstands von ZF, Wolf-Henning Scheider, am Donnerstag bei der Bilanzvorlage. „Mit Engagement, Ausdauer und Teamgeist haben unsere Beschäftigten entscheidend dazu beigetragen, dass wir den Herausforderungen dieser außergewöhnlichen Zeit erfolgreich begegnet sind. Wir haben uns an die neue Normalität angepasst und sind noch agiler, flexibler und digitaler geworden.“ Besonders das zweite Halbjahr habe aufgrund von Störungen in der globalen Lieferkette und kurzfristig geänderten Abrufzahlen höchste Flexibilität in Produktion und Materialwirtschaft verlangt – und dies nach wie vor unter Pandemiebedingungen.
Scheider betonte, dass ZF 2021 strategische Meilensteine erreicht und weitere Weichenstellungen für die Zukunft vorgenommen habe. Als Beispiele nannte er den erfolgreichen Start der zu Jahresbeginn gegründeten Division Electrified Powertrain Technology, die Integration des Zukaufs Wabco in die neue Division Commercial Vehicle Solutions und die Zusammenarbeit mit Microsoft für die Schaffung der ZF Cloud. In ihr werden weltweit alle Unternehmensdaten und -prozesse digitalisiert, vernetzt und verfügbar gemacht. Ebenso habe ZF sein Produktprogramm weiter auf das elektrische und softwaredefinierte Fahrzeug der Zukunft ausgerichtet und für diese Lösungen substanzielle Aufträge internationaler Pkw- und Nutzfahrzeughersteller erhalten – eine gute Voraussetzung für weiteres Wachstum.
Kennzahlen: Ziele erreicht
Im Gesamtjahr erreichte ZF einen Konzernumsatz von 38,3 Mrd. Euro (2020: 32,6 Mrd. Euro), ein Plus von 17,5 % im Vergleich zum Wert des Vorjahres. Das bereinigte EBIT lag bei 1.910 Mio. Euro (2020: 1.047 Mio. Euro); die bereinigte EBIT-Marge stieg auf 5,0 % (2020: 3,2 %). Der um M&A-Aktivitäten bereinigte Free Cashflow lag bei 991 Mio. Euro (2020: 994 Mio. Euro). „In einem volatilen Umfeld mit Gewinnwarnungen und revidierten Prognosen haben wir unsere Ziele in der Mitte unserer Prognosebandbreite gut erreicht“, sagte ZF-Finanzvorstand Dr. Konstantin Sauer. „Das hat dazu beigetragen, dass wir nicht nur substanziell investieren, sondern auch unsere Finanzverbindlichkeiten reduzieren und unsere Eigenkapitalbasis stärken konnten.“ Die Brutto-Verbindlichkeiten sanken im Jahresverlauf um 752 Mio. Euro auf 12,5 Mrd. Euro; die Eigenkapitalquote lag Ende 2021 bei rund 19 % (2020: 12,1 %).
Weiter gesteigert hat ZF seine Aktivitäten im Bereich Forschung und Entwicklung (F&E): Die F&E-Quote erreichte im Vorjahr 8,0 % (2020: 7,7 %), was Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Höhe von 3,1 Mrd. Euro (2020: 2,5 Mrd. Euro) entspricht – ein neuer Höchstwert in der ZF-Geschichte, so das Unternehmen weiter. Die Investitionen in Sachanlagen betrugen 1,6 Mrd. Euro (2020: 1,4 Mrd. Euro). Damit lag die Investitionsquote bei 4,2 % (2020: 4,4 %).
Auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2040
ZF strebt an, bis 2040 klimaneutral zu sein. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt das Unternehmen an unterschiedlichen Stellen an. Bereits im Jahr 2030 wird ZF seinen Strombedarf vollständig aus nachhaltigen Quellen beziehen. Über 2021 abgeschlossene Lieferverträge mit Erzeugern von Wind- und Sonnenenergie werden beispielsweise die ZF-Werke in Deutschland in den Jahren 2022 bis 2025 mit jeweils bis zu 210 Gigawattstunden grünen Stroms versorgt. Durch die vereinbarten Mengen, die dem Stromverbrauch von 72.000 Haushalten entsprechen, reduzieren sich die CO2-Emissionen um jährlich 80.000 Tonnen. „Wir setzen gezielt auf konkrete Maßnahmen und schließen Verträge“, ergänzte Vorstandsvorsitzender Scheider, „um damit unmittelbar einen nachweisbaren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.“
Im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsstrategie hat ZF den Angaben zufolge als erster Automobilzulieferer in Deutschland im Vorjahr erstmals auch zwei grüne Anleihen in einer Gesamthöhe von einer Milliarde Euro platziert. Grundlage dafür sei das Green Finance Framework, in dem ZF die Rahmenbedingungen und Kriterien für nachhaltige Finanzierungen festgelegt habe. Die Erlöse aus den Anleihen fließen in die Windkraft-Sparte und die Elektromobilität. „Mit den Green Bonds erweitern wir den Kreis der Investoren und können unsere Finanzierung mit unseren Nachhaltigkeitszielen und unserer Strategie ‚Next Generation Mobility‘ in Einklang bringen“, sagte Finanzvorstand Sauer.
Personal: Wandel durch Weiterqualifikation
Fortgesetzt hat sich der Wandel auch in der Personalstruktur des ZF-Konzerns. ZF hat 2021 weltweit insgesamt rund 3.600 zusätzliche Stellen vorwiegend in den Bereichen Elektromobilität, autonomes Fahren und Software-Entwicklung geschaffen und die Qualifikationsangebote ausgebaut. Dazu zählt die „E-Cademy“, eine breit angelegte Weiterbildungsinitiative rund um das Thema Elektromobilität. Ziel der E-Cademy ist, die Beschäftigten im Technologiewandel zu begleiten und es ihnen unter anderem zu ermöglichen, sich gezielt für neue Aufgaben im ZF-Konzern zu qualifizieren. Insgesamt haben bereits 13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den verschiedenen Lernangeboten teilgenommen; zur Jahresmitte startet die zweite Qualifizierungsphase. „Die E-Cademy gibt ZF-Beschäftigten die Chance, hier bei uns die Zukunft der Mobilität mitzugestalten, auch wenn sie ihre Karriere in einem anderen Bereich begonnen haben“, sagte Scheider.
Um die ZF-Standorte in Deutschland langfristig auf die Zukunft auszurichten und dem Wandel der Branche Rechnung zu tragen, sind im vergangenen Jahr erste Zielbild-Vereinbarungen geschlossen worden. Sie entstehen im Rahmen des im Juli 2020 mit der Arbeitnehmervertretung vereinbarten „Tarifvertrags Transformation“. Zum Stichtag 31. Dezember 2021 beschäftigte ZF weltweit insgesamt 157.549 Mitarbeiter (2020: 153.522).
Ausblick mit Vorbehalt: 2022 bleibt ein unsicheres Jahr
Nach der positiven Marktentwicklung 2021 bleibt das konjunkturelle Umfeld hoch anspruchsvoll und volatil. Auch wenn die Versorgung mit Halbleitern sich im zweiten Halbjahr 2022 voraussichtlich verbessern wird, erschweren die weiter bestehende Covid-19-Pandemie, allgemeine Lieferengpässe sowie die steigende Inflation einen Ausblick auf das laufende Jahr. Verstärkt wird dies durch den Krieg in der Ukraine und seine weltweiten negativen Auswirkungen. Die Unterbrechung von Lieferketten der Automobil- und Nutzfahrzeughersteller hat bereits zu ersten Produktionsstillständen geführt. Obwohl ZF derzeit kaum von kriegsbedingten Lieferausfällen betroffen ist, führen die Stillstände bei unseren Kunden wiederum bei ZF zum Ausfall von Abrufen. Inwiefern sich eine mögliche weitere Eskalation des Kriegs in der Ukraine auf die weltweite Konjunktur und das Branchenwachstum im Geschäftsjahr 2022 auswirken wird, kann derzeit nicht vorhergesagt werden.
Wir stellen aus den genannten Gründen unsere Prognose ganz explizit unter Vorbehalt: ZF rechnet für 2022 mit einem moderaten Wachstum des Konzernumsatzes auf ein Volumen von mehr als 40 Mrd. Euro. Dieses Umsatzwachstum führt voraussichtlich zu einer bereinigten EBIT-Marge zwischen 4,5 und 5,5 %. Der bereinigte Free Cashflow wird zwischen 1,0 Mrd. und 1,5 Mrd. Euro erwartet.
Vorstandsvorsitzende wird auslaufenden Vertrag nicht verlängern
Wolf-Henning Scheider hat den Aufsichtsrat in seiner letzten Sitzung informiert, dass er seinen im Januar 2023 auslaufenden Vertrag nicht verlängern wolle. Nach über drei Jahrzehnten in der Automobilindustrie und Erreichen des 60. Lebensjahres habe er sich entschlossen, seine aktive Zeit in der Branche zum Jahresende zu beenden, um sich anderen Herausforderungen zu widmen.
2018 war Scheider von Mahle zu ZF gewechselt. In seine Zeit als Vorstandsvorsitzender fiel unter anderem die Wabco-Akquisition, mit der ZF die Weichen zum kompletten Systemanbieter im Nutzfahrzeuggeschäft gestellt hat. Sie war aber auch geprägt von den beiden großen Krisen rund um Covid und die Halbleiter-Knappheit in den beiden vergangenen Jahren, die ZF jedoch dank einer geschlossenen Teamleistung gut gemeistert hat und sich wieder auf Wachstums- und Ertragskurs befindet.
Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Dr. Heinrich Hiesinger, bedauert die Entscheidung von Scheider, äußert aber auch Verständnis für dessen Wunsch, nach vielen Jahren in herausragenden und fordernden Management-Positionen in der Automobilindustrie nochmal andere Wege zu gehen. „Wolf-Henning Scheider hat in den vergangenen vier Jahren ganz entscheidend dazu beigetragen, dass ZF sich in seinen Geschäftsfeldern zu einem führenden Anbieter für modernste elektronische und mechatronische Systeme weiterentwickelt hat.“
„Dass ZF sich nach den letzten beiden Krisenjahren wieder auf Kurs befindet, ist auch das Verdienst von Wolf-Henning Scheider. Wir bedauern seine persönliche Entscheidung, respektieren diese aber. Wir danken ihm für sein sehr erfolgreiches Engagement und die ausgezeichnete Zusammenarbeit in den vergangenen vier Jahren“, so Andreas Brand und Dr. Joachim Meinecke als Vertreter der beiden Eigentümer, der Zeppelin-Stiftung und der Dr.-Jürgen-und-Irmgard-Ulderup-Stiftung. Scheider wird seinen laufenden Vertrag erfüllen und versichert, sich mit ganzem Engagement der Erreichung der für 2022 gesteckten Ziele zu widmen.
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