Blinde Flecken: Warum Digitalisierung scheitert
Der Forschungsbeirat der Plattform Industrie 4.0 hat untersucht, was die Digitalisierung hemmt. Die Expertise zeigt Handlungsoptionen für Unternehmen auf.
In der neuen Expertise des Forschungsbeirats der Plattform Industrie 4.0 untersuchen das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA und das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO die Gründe, warum die digitale Transformation in vielen Unternehmen in Deutschland nur langsam vorankommt. Dies hat Acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften mitgeteilt, die die Arbeit des Forschungsbeirates koordiniert. Wie Acatech ausführt, zeigen Handlungsoptionen für Politik, Verbände und Unternehmen auf, wie die identifizierten Hemmnisse bei der Digitalisierung aus dem Weg geräumt werden können. Die Expertise fokussiert auf produzierende Unternehmen.
Unternehmen, die bei der digitalen Transformation weit fortgeschritten sind, profitieren gleich mehrfach: Sie produzieren effizienter und kostengünstiger als ihre Wettbewerber, die Produktqualität verbessert sich und mit ihr die Kundenzufriedenheit. Allerdings gibt es immer noch viele Unternehmen, die bei der Digitalisierung nur langsam vorankommen oder noch gar nicht damit begonnen haben.
Zwei Ursachen überwiegen bei mangelnder Umsetzung
Der mangelnde Fortschritt bei der Umsetzung der digitalen Transformation hat den Angaben zufolge vor allem zwei Ursachen: Einerseits entscheiden sich manche Unternehmen bewusst gegen die Digitalisierung, weil sie der Auffassung sind, dass sich digitale Lösungen für sie nicht rechnen. Andererseits gibt es mehrere interne, unternehmensspezifische Faktoren, welche die digitale Transformation hemmen. „Oft fehlt zunächst einfach ein Startimpuls für die Digitalisierung“, sagt Holger Kett vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. „Wenn ein Unternehmen ökonomisch solide dasteht, fehlt der Leidensdruck, sich mit Digitalisierungsthemen auseinanderzusetzen.“
Hinzu komme oft eine fehlende Digitalisierungsaffinität im Management. Selbst wenn die Unternehmensführung offen für Veränderungen ist, kann die digitale Transformation an vielen Hemmnissen scheitern, etwa an mangelnden Strategiefähigkeiten und einer unklaren Nutzenevaluation digitaler Projekte. Operativ kommt es in nahezu allen Unternehmen zu kapazitiven Engpässen, weil es an Fachkräften mit digitalem Kompetenzprofil mangelt und diese auch nur schwer rekrutiert werden können.
Aber auch unzureichende äußere Rahmenbedingungen können die digitale Transformation hemmen: Dazu zählen fehlende Standards und Normen, unpassende, schwer zugängliche Förderangebote oder die unzureichende Anbindung an das Internet in strukturschwachen Regionen. „Die Hemmnisse lassen sich allesamt aus dem Weg räumen“, sagt Malte Volkwein von der Abteilung Unternehmensstrategie und -entwicklung am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA.
Unternehmensleitung muss Prozesstreiber sein
Wichtig sei zunächst, dass die Digitalisierung von höchster Stelle im Unternehmen getragen und getrieben sein müsse. „Die Digitalisierung ist kein Thema, das nur in der IT-Abteilung verortet werden darf“, warnt Volkwein. „Erfolgreiche digitale Projekte beziehen eine Vielzahl an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein und sind geprägt von bereichsübergreifender Kooperation und klarer übergeordneter Koordination.“ Die Unternehmensführung müsse klare Visionen, Missionen und Ziele formulieren, an denen alle Digitalisierungsmaßnahmen ausgerichtet werden.
Ein Zusammenwirken von Politik, Verbänden, Unternehmen und Umsetzungsakteuren ist für die Beseitigung der Digitalisierungshemmnisse erforderlich, heißt es weiter. Die Expertise beschreibt fünf Dimensionen der Handlungsoptionen für die beteiligten Akteure, darunter Nutzerbewertung, Förderlandschaft und Innovationsumfeld. Eine weitere Dimension ist die Etablierung einer Digitalisierungskultur – „vom Azubi bis zum Eigentümer“, die mit der festen Verankerung der Digitalisierung in der gesamten Gesellschaft einhergehen sollte. Die Dimension der Qualifizierung reicht von digitalen Inhalten in schulischen Lehrplänen über die Ausrichtung von Studiengängen und Berufsausbildungen an zukünftige Bedarfe bis hin zu passenden Weiterbildungsformaten. Die Expertise steht auf der Acatech Webseite zum kostenlosen Download zur Verfügung.
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