Das Ende der Automatisierungspyramide
Ein globaler Trend revolutioniert die industrielle Fertigung. Waren und Dienst- leistungen sollen immer individueller auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sein. Ein bedeutendes Ziel von Industrie 4.0: eine Losgrößen-1-Fertigung zu den Kosten einer Serienfertigung. Dieses Ziel wird zunehmend zu einem zentralen Wettbewerbsfaktor für industrielle Konstruktion und Produktion.
Laut dem deutschen Industrie-4.0-Index der Unternehmensberatung Staufen will schon in fünf Jahren fast jedes zweite der befragten Unternehmen zu dieser Form der indivi- duellen Fertigung in der Lage sein. Meine Gespräche mit unseren Kunden bestätigen diesen Anspruch.
Um dieses Ziel zu realisieren, sind für mich zwei Voraussetzungen wichtig: offene Standards in der Kommunikation, der Produktvernetzung und im Engineering sowie zusätzlich die Neuverteilung der Intelligenz. Das klassische Modell der Automatisierungspyramide – vom ERP-System über die Leitebene bis zu den Maschinen und der Sensorik – wird künftig nicht mehr existieren.
Gefragt sind offene Kommunikationsstandards und eine Umverteilung der Intelligenz innerhalb der Automatisierungssysteme
Stattdessen wird etwa eine Wartung aufgrund von Sensordaten ausgelöst – bis hin zur vollautomatischen Bestellung von Ersatzteilen. Die Intelligenz wandert damit in der Pyramide nach unten. Die überlagerten Systeme werden frei für neue Aufgaben. Diese technologische Vernetzung setzen wir in unserem Unternehmen bereits ein. So rüsten wir zum Beispiel Ventilinseln mit einer IO-Link-Schnittstelle aus. Das ermöglicht es, Parameersätze während der Laufzeit zu ändern und damit Losgröße 1 einfach umzusetzen. Anlagen fertigen zunächst Produkt A, um anschließend mit dem Einspielen neuer Daten Produkt B zu produzieren.
Diese Technologie nutzen wir auch, um die Effizienz unserer eigenen Produktion zu verbessern. In unserem German Technical Center entwickeln wir spezialisierte Automatisierungslösungen für Kunden. Gefertigt werden die Produkte direkt vor Ort in der angeschlossenen Produktion – individuell und teilweise in sehr kleinen Stückzahlen bis hin zur Einzelfertigung. Losgröße 1 ist daher auch für uns selbst als Anwender ein Thema.
Was für eine übergreifende Umsetzung von Industrie 4.0 jedoch generell fehlt, ist eine Semantik für die Fertigung. Wenn eine Maschine melden kann, welche Fähigkeiten sie besitzt – etwa Bohren und Fräsen, entsteht auf einer höheren Ebene das virtuelle Abbild der Maschinen und damit der Fabrik. Diese neue Transparenz hilft uns künftig dabei, die Fertigung zu optimieren und damit Produktionsprozesse zu verbessern. Zum Beispiel indem Produktionsschritte zeitlich so gegeneinander verschoben werden, dass die Spitzenverbräuche so gering wie möglich ausfallen.
Dafür müssen sich jedoch Fertigungsprozesse ändern; gemeinsame Standards der Automatisierungsbranche sind notwendig. Wir engagieren uns daher als einer der globalen Experten für Automatisierungstechnik unter anderem im Innovationsnetzwerk „it’s OWL“. Hier arbeiten mehr als 180 Unternehmen und Organisationen an Technologien für eine intelligente Produk- tion. Und auch in Zusammenarbeit mit Kunden entstehen Innovationen – etwa bei der gemeinsamen Entwicklung individueller Automatisierungslösungen in unserem Industrial Applica- tion Center. Zentral dabei bleibt aber trotz allem immer die Mensch-Maschine-Interaktion. Denn auch im Industrie-4.0-Zeitalter ist der wichtigste Faktor: der Mensch.
Christian Ziegler, Manager Marketing & Product Management, SMC Deutschland GmbH, Boschring 13–15, 63329 Egelsbach, E-Mail: ziegler.christian@smc.de, www.smc.de