Spiegelkontakte – die sichere Lösung im Rückführkreis?
Spiegelkontakte sind eine Möglichkeit, die Sicherheit in elektrotechnischen Anlagen, in denen elektromechanische Schaltgeräte zum Einsatz kommen, zu garantieren. Der Beitrag zeigt auf, wie Spiegelkontakte funktionieren und welche Grenzen sie haben. Mit Lösungen, die den Normen aus dem Bahnbereich entsprechen, lässt sich die Sicherheit weiter erhöhen.
Der Begriff „Spiegelkontakt“ ist noch relativ jung – normativ wurde er 2005 eingeführt. Zuvor wurde der Begriff „Zwangsgeführter Sicherheitskontakt“ verwendet. Dieser Begriff war allerdings in der Norm für Niederspannungsschaltgeräte nicht festgelegt, sondern eher eine Kreation des Sprachgebrauchs in Anlehnung an die zwangsgeführten Kontakte nach der EN 60947–5–1 bei Hilfsschaltern bzw. Hilfsschützen. Die Norm besagt: „Besteht ein Schaltgerät aus einer Anzahl von m Öffnern und n Schließern, dürfen Öffner und Schließer niemals gleichzeitig geschlossen sein.“ Die Definition der Spiegelkontakte findet man jedoch in der Norm für Schütze und Motorstarter (EN 60947–4–1) wieder. Per Definition ist ein Spiegelkontakt ein Hilfsöffner, der niemals gleichzeitig mit dem Schließerhauptkontakt geschlossen sein darf. Er spiegelt quasi den Zustand des Hauptschließerkontakts wider. Um die Eigenschaft sicherzustellen, darf im Falle eines Verklebens – etwa durch ein leichtes Verschweißen eines Hauptkontakts – der Spiegelkontakt nicht schließen. Er muss mindestens 0,5 mm geöffnet bleiben (Bild 2).
Wie wird ein Spiegelkontakt betätigt?
Ein Schütz besteht im Wesentlichen aus einer Spule mit Anker, dem Hauptkontakt bzw. Hauptkontakten sowie optionalen Hilfskontakten, die als Spiegelkontakte ausgeführt sein können. Wenn Strom durch die Spule fließt, zieht der Anker an und die mit ihm verbundenen Hauptkontakte werden geschlossen. Sind die Hilfsschalter mit den Hauptkontakten mechanisch verbunden, geben sie ziemlich genau den Status der Hauptkontakte wieder. Ist der Hilfsschalter als Öffner ausgeführt und nach den Vorgaben der EN60947–4–1 konstruiert, sind die Kontakte als Spiegelkontakte ausgeführt. Auch eine direkte Betätigung über den Anker ist möglich. Bei diesem Prinzip ist in der Regel beispielsweise ein Stößel am Anker befestigt, der den Hilfsschalter betätigt. Allerdings kann es bei dieser Art der Betätigung zu fehlerhaften Rückmeldungen des Hilfskontakts kommen. Besonders im Fall eines Verschweißens der Kontakte, sind konstruktionsbedingt fehlerhafte Meldungen vorprogrammiert. Die Ursache liegt darin, dass der Anker mit dem Betätiger Richtung Grundstellung gefahren ist, obwohl die Hauptkontakte sich in einem undefinierten Zustand befinden. Deswegen ist diese Art der Konstruktion grundsätzlich nicht empfehlenswert und kann fatale Folgen für Mensch und Maschine haben.
Anwendungsbeispiel Prüfstand
In elektrischen Anlagen werden Schütze in der Regel über speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS) angesteuert und überwacht, solange es sich nicht um sicherheitskritische Teile der Anlage handelt. Ein typisches Anwendungsbeispiel ist ein Prüfstand für Umrichter von Elektrofahrzeugen (Bild 3).
Der Prüfling wird üblicherweise von einer zuschaltbaren Gleichspannungsquelle gespeist, die für Spannungen bis DC 1000 V und Nennströme bis 1000 A ausgelegt ist. Belastet wird der Prüfling entweder mit einem permanenterregten Synchronmotor oder einem Emulator. Schütze werden in diesem Fall eingesetzt, um die einzelnen Phasen sicher von Prüfling und Last zu trennen. Um das sichere Trennen von Anlage und Prüfling zu garantieren, werden die Spiegelkontakte im sogenannten Rückführkreis überwacht. Der elementare Bestandteil des Rückführkreises ist die Sicherheitssteuerung, die in kleineren Anlagen mit einem Sicherheitsbaustein realisiert wird und in größeren mit einer Sicherheits-SPS. In dieser Anwendung überwacht diese Sicherheitssteuerung die eingebundenen Spiegelkontakte der Schütze auf der Primär- und Sekundärseite des Prüflings. Bei Start der Prüfung wird die Prüfkammer durch entsprechende Sicherheitstechnik verriegelt und erst wieder freigegeben, wenn der Rückführkreis Meldung bekommt, dass alle Schütze wieder im Ruhezustand sind.
Ausreichende Sicherheit?
Um zu entscheiden, ob die Sicherheit mit einem Spiegelkontakt ausreichend ist, kann das Timing-Diagramm (Bild 4) betrachtet werden.
Sobald die Spule mit Strom versorgt wird, betätigt die Hubbewegung des Hauptkontaktsystems (HK) bereits den Spiegelkontakt. Dieser meldet entsprechend „HK geschlossen“ noch bevor die Endlage der Hauptkontaktbrücke erreicht ist. Dies ist notwendig um die Anforderungen der Norm einzuhalten. Beim Abschalten geht der Spiegelkontakt erst in Ruhelage, wenn der HK vollständig geöffnet ist.
Bedingt durch die normativen Vorgaben sowie die Mechanik eines Schützes lässt sich nur der geöffnete Zustand des Hauptkontaktsystems eindeutig feststellen. Bei der Meldung „HK geschlossen“ kann aber nicht garantiert werden, ob die Endlage tatsächlich erreicht ist oder sich die Hauptkontakte in einer Zwischenstellung befinden. Dadurch ist im Regelbetrieb aber auch im Fehlerfall ein undefinierter Zustand möglich, der unter Umständen zu einer gefährlichen Situation in Form eines Lichtbogens führen kann.
Diese Thematik ist hinlänglich in der Bahnindustrie bekannt. Auch hier ist eine genaue Kenntnis über den Schaltzustand des Schützes von großer Bedeutung. Die für den Bahnbereich maßgebliche Norm EN 60077 Teil 2 löst dieses Problem, indem sie zwei Hilfskontakttypen nach der Terminologie der IEC 600050–41 definiert. Dies sind ein Hilfsschließer a (Well-Closed) und ein Hilfsöffner b (Well-Opened). Diese Hilfsschalter signalisieren das Schließen bzw. Öffnen des Hauptkontakts. Sollte das Schütz auf halber Strecke hängen bleiben, wertet die Steuerung ein unplausibles Ergebnis aus und kann so einen Fehler diagnostizieren.
Aus der Praxis
Ein typisches Fehlerbild aus der Praxis soll den Unterschied verdeutlichen. Unter ungünstigen Bedingungen kann es vorkommen, dass sich zwischen den Hauptkontakten Staub bzw. Schmutzpartikel sammeln und ein einwandfreies Schließen des Stromkreises verhindern. Während des Schließvorgangs der Hauptkontakte verringert sich der Abstand bis es zu einem Überschlag und der Zündung eines Lichtbogens kommt, der erlischt, wenn die Kontakte geschlossen sind. Der Lichtbogen brennt in der Regel die Schmutzpartikel zwischen den Kontakten weg, jedoch kann es auch zum Aufschmelzen von Kontaktmaterial kommen. Je nachdem wie stark die Kontakte aufgeschmolzen sind, können sie mehr oder weniger miteinander stark verschweißen (Bild 5).
Bei einem einpoligen Schütz mit Doppelkontaktbrücke oder einem mehrpoligen Schütz kann der Antrieb die Hauptkontakte dadurch nicht richtig öffnen oder schließen. Da ein Spiegelkontakt lediglich nur den „einfachen“ Status von den Hauptkontakten und keine Schiefstellung anzeigen kann, besteht die Gefahr eines Lichtbogens bei den nur teilweise geöffneten Kontakten. Wird der Stromfluss nicht unterbrochen, so bleibt der Licht-bogen bestehen, was zu Folge hat, dass das Schütz abbrennt.
Fazit
Spiegelkontakte zeigen ausschließlich den geöffneten Zustand des Hauptkontaktsystems sicher an. Ein geschlossener Hauptkontakt oder eine Zwischenstellung, zum Beispiel infolge einer Kontaktverschweißung, lassen sich mit Spiegelkontakten nach EN 60947–4–1 aber nicht unterscheiden. Hierfür sind zusätzliche Maßnahmen zu treffen. Die aus dem Bahnbereich bekannten Hilfskontakttypen lösen das Problem hingegen eindeutig. Diese erlauben eine zuverlässige Auswertung aller Schaltzustände des Hauptkontaktsystems. Sind die Hilfskontakte Well-Open (ax) und Well-Closed (bx) korrekt in den Rückführkreis eingebunden, wird ohne großen Aufwand ein deutlich höheres Sicherheitslevel erreicht. Die Erkennung der Schaltposition mit zwei Hilfskontakten gemäß Bahnnorm EN 60077 Teil 2 ist also der Ausführung mit Spiegelkontakten nach EN 60947–4–1 eindeutig überlegen.
Enrico Fischbach
Field Application Engineer Schaltbau GmbH
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