Einstellbares Kettenfahrwerk des Mars-Rovers Ares
Etwa 56 Millionen Kilometer von uns entfernt unterstützt der Rover ‚Perseverance‘ seit Februar 2021 in Nasa-Mission die Erforschung des Mars. So weit muss niemand reisen, um bei der Mars Rover Challenge verschiedenste Roboter-Konstruktionen in Augenschein zu nehmen. Eine trägt den Namen Ares und stammt von einem Team der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS). Zwecks Optimierung des Fahrwerks setzten die angehenden Ingenieure auf Industrie-Gasdruckfedern und wurden nicht enttäuscht.

Bild 1: Advanced Robotic Exploration System (Ares) im Einsatz bei der ERC24.
Foto: FRoST.com
Die akademische Beschäftigung mit einem Roboter, der über eine sogenannte Ground Station aus der Ferne gesteuert wird und verschiedene Aufgaben im Rahmen einer unbemannten Mars-Mission erfüllen kann, begann 2018. Professor Dr. Karsten Schmidt, Leiter des Master-Studiengangs Mechatronik und Robotik sowie Prodekan des Fachbereichs Informatik und Ingenieurwissenschaften an der Frankfurt UAS, gründete seinerzeit mit Studierenden das Frankfurt Robotics Science Team (Frost). Nur ein Jahr später nahm dieses mit dem ersten Mars-Rover namens Horizon XIX an der European Rover Challenge (ERC19) teil. Diese jährlich stattfindende internationale Raumfahrt- und Robotik-Veranstaltung verbindet den Wettbewerb der Mars-Rover für Hochschulteams mit wissenschaftlichen und technischen Vorführungen.

Bild 2: Die Mannschaft stellte sich mit ihrem Mars-Roboter bei verschiedenen Aufgaben der Konkurrenz aus aller Welt als einzige mit einem Kettenfahrwerk.
Foto: FRoST.com
Angespornt durch tolles Teamwork und ein herausforderndes Wettbewerbsumfeld starteten die Studierenden 2020 mit der Entwicklung ihres neuen Ares getauften Rovers. Das Akronym steht für Advanced Robotic Exploration System, einen halbautonomen Roboter, der ferngesteuert per Greifarm unter anderem Bodenproben entnehmen und diese zugleich über ein kleines chemisches Nasslabor an Bord analysieren kann. Seine Energie erhält Ares über ein Solarpaneel. Unter anderem kann der Roboter über eingebaute Kameras seine Position bestimmen und, mit einem einzigartigen Kettenfahrwerk ausgestattet, auch in unwegsamem Gelände seine Aufgaben zuverlässig erfüllen. Damit Ares eine möglichst ideale Geländegängigkeit erzielt und seine wertvollen Komponenten so gut es geht geschützt sind, beschäftigte sich das Team früh mit der Optimierung des Fahrwerks. Die Studierenden hatten sich zu Beginn ihrer Konstruktionsarbeiten für Gasfedern aus dem Modellbau entschieden, die sich aber schnell von den Federkräften her als zu schwach erwiesen. Im Zuge der Weiterentwicklung sollten idealer Weise Gasdruckfedern eingesetzt werden, die neben der bekannten Funktion der Geschwindigkeitsregulierung zudem Stöße möglichst erschütterungsfrei dämpfen und unnötige Vibrationen vermeiden können.
Konstruktionsphase 1: Gasdruckfedern mit 60 mm Hub als idealer Kompromiss
Auf der Suche nach professionellen Maschinenelementen, welche die benötigten Federkräfte mit kompaktem Bauraum und geringem Gewicht vereinbaren, stießen die Frost-Rechercheure auf die ACE Stoßdämpfer GmbH. Die erste Marktsondierung fand vor der Nutzungsphase des ersten Mars-Rovers Horizon XIX statt und basierte zum einen auf den gemachten Erfahrungen mit Komponenten aus dem Modellbau. Zum anderen flossen die im Praxiseinsatz ermittelten Auslegungsdaten mit Kräften von 170 N, 190 N und 230 N in den Auswahlprozess mit ein. Dieser erfolgte zuerst über die Homepage von ACE. Dort sind im Bereich der Geschwindigkeitsregulierung auch Industrie-Gaszug- und -Gasdruckfedern zu finden.
Gasdruckfederauswahl über Smart-Sizing-Software
Weil das zur Stabilus-Gruppe gehörende Unternehmen dort seit Jahren auch eine intuitiv zu bedienende Smart-Sizing-Software (siehe Kastentext) anbietet, konnten die Studierenden schnell sechs Industrie-Gasdruckfedern des Typs GS-15–60 als für ihre Applikationen am besten geeignet ausmachen sowie entsprechend der oben genannten Ausschubkräfte auslegen und bestellen.
Stellvertretend für das Team blickt Jonas Steinmann, Head of Hardware, zurück: „Die Produkte von ACE waren für uns der perfekte Kompromiss zwischen den zu schwachen Modellbaufedern und anderen zu starken und zu schweren Industrieprodukten.“ Auch bezüglich der Liefer- und Produktqualität hat das Team laut eigener Aussage nur gute Erfahrungen mit der Stabilus-Expertenmarke ACE gemacht. So konnte man sich beim Einbau der Federn auf die angegebenen Kräfte verlassen und sich sicher sein, dass der 102 kg wiegende, von zwei bürstenlosen Gleichstrommotoren (BLDC) angetriebene Horizon XIX auch in rauem Terrain bestens gefedert unterwegs war.
Konstruktionsphase 2: Zusätzliche Gasdruckfedern für flexible Federwege
Nach den Erfahrungen mit dem Horizon XIX und einer Teilnahme an den European Rover Challenges 19 entschloss sich das Team während der pandemiebedingten, wettbewerbsfreien Jahre 2020 und 2021 zu der Neukonstruktion des Ares. Auch bei diesem setzen die Konstrukteure wieder als einzige in der Konkurrenz auf ein Kettenfahrwerk und BLDC-Antrieb für außerordentlich gute Off-road-Mobilität. Im Gegensatz zum Vorgänger wurden die zahlreichen im Ares verbauten Hightech-Komponenten von einem Space-frame aus Aluminiumvierkantrohren und nicht von Schnellbauprofilen getragen. Diese und andere Neuerungen sorgen dafür, dass Ares, je nach Beladung, mit 48 kg bis 62 kg nur noch knapp die Hälfte des Rahmengewichts vom Horizon XIX auf die Waage bringt. Den Frost-Spezialisten gelang es zudem aufgrund des Verwendens modernster Bauteile und deren noch höherer Integration, die Dimensionen ihres neuen Rovers um gut 30 % im Vergleich zum Vorgänger zu reduzieren. Dies macht auch eine veränderte Fahrwerkskonstruktion und Auslegung nötig. Manuel Messner, der Konstrukteur des Fahrwerks: „Wir haben zusätzliche Gasdruckfedern von ACE im Einsatz, da sich die Geometrie des Fahrwerks geändert hat und wir auch diese Komponenten anpassen mussten. Außerdem haben wir bei den Wettbewerben seit 2022 Gasdruckfedern mit unterschiedlicher Länge verwendet, um unser Fahrwerk noch besser einstellen zu können.“

Bild 3: Die Einstellung des einzigartigen Fahrwerks erfolgt über drei verschiedene Typen von Industrie-Gasdruckfedern von ACE mit 15 mm Durchmesser und verschiedenen Hüben.
Foto: FRoST.com
Im konkreten Fall bedeutet dies, dass neben sechs Industrie-Gasdruckfedern vom Typ GS-15-60 je zwei Vertreter der Typen GS-15-20 und GS-15-100 genutzt werden. In der Nomenklatur von ACE zeigt die erste Ziffer den Durchmesser und die zweite den Hub an, was gleichzeitig erklärt, dass die GS-15-20 beidseitig an den hinteren Laufrollen verwendet werden, weil sie dort mit ihrem kürzeren Federweg gleichzeitig als Endanschlag für den Schwinger fungieren. Die GS-15-100 hingegen kommen an der vorderen Umlenkrolle zum Einsatz und sind mit ihrem größeren Federweg dafür zuständig, die Umfangsänderungen des Fahrwerks beim Einfedern auszugleichen.

Bild 4: Unter www.ace-ace.de im Untermenü „Berechnungen“ lassen sich Industriegasfedern in kurzer Zeit berechnen, auslegen und bestellen.
Foto: ACE Stoßdämpfer GmbH
Manuel Messner fügt erläuternd hinzu: „Die schon bewährten sechs GS-15-60 setzen wir für die restlichen Laufrollen ein, um Bodenfreiheit und Stabilität zu gewährleisten. Auch die von ACE mitgelieferten Gelenkköpfe waren bereits 2019 Bestandteil unserer Konstruktion. Wir haben für Ares lediglich die Lagerschuhe eliminiert, um Gewicht und Bauraum zu sparen.“
Rover-Wettkampf : perfektes Training für Jungingenieure
Auf diese Weise präpariert und bereits qualifiziert, entschied sich die 13-köpfige Frost-Delegation, erstmals mit ihrem Rover Ares im September 2022 bei der European Rover Challenge an den Start zu gehen. Schon die Teilnahme an diesem Wettkampf im polnischen Kielce war für das Team ein großer Erfolg, weil es von den sich bewerbenden 64 Mannschaften nur 19 Gruppen aus sieben Ländern gelang, sich zu qualifizieren. Der Wettbewerb vor Ort umfasste fünf Aufgabenbereiche: Navigation über „Marsgelände“, Erkundung und Dokumentation der Marsoberfläche, Sammeln von Bodenproben, Einsatz des Rover-Arms, um Knöpfe und Elemente an einem Panel zu bedienen und Präsentation des Projekts vor einer Jury. Am Ende holte das internationale Team den Sieg in der Kategorie „Best Team in Maintenance On-Site“, ein Award, der für den besten industriellen Qualitätsentwurf von Software und Hardware vergeben wurde. Und außerdem errangen die Studierenden den 7. Platz in der Gesamtwertung für das gesamte Rover-System.
Anno 2023 gelang es den Frankfurtern als bestem Team aus Deutschland, sich ebenfalls in Kielce auf den 5. Platz in der Gesamtwertung zu steigern. Und 2024, als die European Rover Challenge erstmalig in Kraków, Polen, stattfand, belegte man in einem Teilnehmerfeld von 27 Teams am Ende insgesamt den 8. Platz. Dazu Jonas Steinmann, Head of Hardware: „Wir konnten uns letztes Jahr als bewährtes Team in den Top 10 halten und sind sehr stolz auf unser erfolgreiches Abschneiden bei der European Rover Challenges. Die Wettbewerbe waren für unser Team spannende Ereignisse, bei dem jedes Mal das gesamte System auf die Probe gestellt wurde. Es ist unglaublich, was das Team bis jetzt Jahr für Jahr geleistet hat, und wir freuen uns sehr auf die künftigen Wettbewerbe.“
In diesem Jahr finden sie vom 29. bis zum 31. August wieder an der Universität von Kraków statt, wobei man auf die neuerliche Teilnahme des Frankfurt Robotics Science Teams und ihres Rovers gespannt sein darf. Mehr dazu ist vor dem Wettbewerb zu erfahren unter: https://frost-rover.com/ und https://roverchallenge.eu/.
Lukas Probsthain
ist Head of Software
Jonas Steinmann
ist Head of Hardware beide: FRoST, Frankfurt University of Applied Sciences
Robert Timmerberg
ist Fachjournalist (DFJV), plus2 GmbH
Kontakt:
ACE Stoßdämpfer GmbH info@ace-int.eu
www.ace-ace.de
Frankfurt University of Applied Sciences
Frankfurt Robotics Science Team (FRoST)
rover@fb2.fra-uas.de
https://frost-rover.com