Sechs Trends für die Industrie der Zukunft
Auf welche Entwicklungen muss sich die Industrie einstellen? Hubertus Breier, Vorstandsmitglied von Lapp, über die Zukunft aus Sicht eines Verbindungstechnikexperten.
Die Herausforderungen für die Industrie nehmen stetig zu. Produkte, Prozesse und Dienstleistungen müssen immer schneller und besser werden. Wer bei diesem rasanten Veränderungstempo nicht mithält, droht auf der Strecke zu bleiben. Auch Verbindungslösungen stehen dabei ständig auf dem Prüfstand. Die Technologieexperten bei Lapp stellen sechs Zukunftsthesen auf:
1. Gleichstromtechnik (DC):
Sie wird einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Energiewende und zur mehr Nachhaltigkeit leisten. Denn Experten haben festgestellt, dass die Verwendung von DC-Netzen den Energieverbrauch in existierenden Anlagen durch die Vermeidung von Wandlungsstufen deutlich senkt. Auch der Bedarf an Kupfer für die nur drei-/vieradrigen Gleichstromkabel und AC-DC-Wandlergeräte wird reduziert. DC Netze in Fabriken tragen auch zu einer geringeren Peak-Leistung am Versorgungsanschluss in Richtung Netz bei und entlasten hier. Daher geht Lapp bei der Entwicklung von Kabeln und Leitungen für Niederspannungs-Gleichstromnetze für industrielle Anwendungen als Pionier voran und verfügt bereits heute über ein großes Portfolio an Verbindungslösungen für industrielle DC Netze.
Lapp ist seit Herbst 2022 eins der Gründungsmitglieder der Open Direct Current Alliance (ODCA). Dabei handelt es sich um ein Bündnis von Unternehmen, Forschungseinrichtungen und des ZVEI mit dem Ziel der DC-Technologie den Weg aus der Forschung in die industrielle Praxis zu ebnen. – Darüber hinaus vernetzt sich Lapp weltweit mit weiteren DC Initiative, zum Beispiel in Österreich, in den Niederlanden und Frankreich sowie in den USA.
ZVEI: Open Direct Current Alliance (ODCA) gegründet
Bei DC geht Lapp mit gutem Beispiel voran und zeigt, wie die ersten Schritte aussehen könnten: Die Kooperation von Lapp und dem Fraunhofer IPA führte zur Entwicklung eines skalierbaren DC-Netzkonzepts für eine Produktionsstandorterweiterung in Frankreich. Dies steigert die Effizienz und ermöglicht die Integration von PV-Anlagen für nachhaltige Netzkonzepte. Diese wegweisende Konzeptarbeit unterstützt die Transformation der Fabrikstromversorgung in Richtung Gleichstrom und fördert Effizienz und Nachhaltigkeit.
2. Digitalisierung:
Einhunderteinundachtzig Zettabyte oder anschaulicher ausgedrückt die Zahl 181, gefolgt von 21 Nullen – das ist die Prognose für die weltweit generierte digitale Datenmenge für das Jahr 2025. Wie kann diese gigantische Datenmenge stabil und schnell übertragen werden? Kupferleitungen allein können das nicht bewältigen. Die Lösung: Licht, genauer gesagt Lichtwellenleiter. Daher ist eine zukunftssichere Kommunikationsinfrastruktur in der Fabrik mit Glasfaserkabeln unverzichtbar. Stand heute gibt es bereits Realisierungen wie Fibre-to-the-Curb, bei der quasi der Glasfaseranschluss an den Verteilerkasten vor dem Wohnhaus oder der Fabrik gelegt wird. Fibre-to-the-Machine ist der nächste logische Schritt, um auch die stark vernetzten Maschinen in der Fabrik mit ausreichend Datenübertragungsleistung zu vernetzen. Lapp verfügt bereits heute über ein breites Angebot an Glasfaserkabeln und Steckverbindern für nahezu jede Branche und Anwendung. Neu im Portfolio sind die feldkonfektionierbaren Epic-Data FFC-LC-Steckverbinder sowie Epic-Data FFC-SC Steckverbinder für GOF-Lichtwellenleiter. Sie vereinfachen die Herstellung einer steckbaren Glasfaserverbindung und bieten ein hohes Maß an Flexibilität.
Hochkomplexer Prozess: Wie entsteht ein Kabel?
3. Single Pair Ethernet:
Natürlich ist die kupferbasierte Datenübertragung nach wie vor die dominante Lösung in der Industrie. Lapp ist seit dem Jahr 2019 Mitglied im SPE Industrial Partner Network e.V. Der Zusammenschluss aus namhaften Unternehmen ist eine zentrale Informations- und Austauschplattform zu Single Pair Ethernet (SPE) und verhilft der Technologie gemeinsam zum Durchbruch. Einfach übersetzt geht es um eine Anbindung der Feldebene (beispielsweise Sensorik oder Aktuatorik) an die Cloud über das Ethernet Protokoll. Bisherige Feldbussysteme sollen damit durch das modernere Protokoll ersetzt werden und den Weg zum Industrial Internet of Things (IIoT) ebnen.
Um den Anforderungen des Marktes frühzeitig gerecht zu werden, erweitert Lapp sein Portfolio um innovative SPE-Lösungen. Die Etherline T1 FD ist für den dauerbewegten Einsatz in der Schleppkette geeignet – erfolgreich getestet auf über 3 Millionen Biegezyklen. Speziell für anspruchsvolle Anwendungen in der Prozessindustrie wurde Ethernet Advanced Physical Layer (Ethernet-APL) entwickelt, welches teilweise auf SPE basiert. Die Technik ermöglicht die sichere Datenübertragung bis zur Feldebene in explosionsgefährdeten Umgebungen. Dafür sorgt die Zündschutzart „Eigensicherheit“. Ethernet-APL überbrückt zudem große Distanzen bis 1000 m.
4. Miniaturisierung:
Der Trend zur Miniaturisierung in vielen Bereichen der Industrie setzt sich weiter fort. Die Anwendungen werden kompakter, Bauräume kleiner und immer mehr Daten -und Energieverbindungen müssen auf kleinstem Raum gesteckt werden. Mit den Epic-Power M12 Steckverbindern wurde auf diese Marktanforderungen eingegangen und sie wurden konsequent umgesetzt. Die Anwendungsgebiete für die neuen Epic-Power M12L und M12K Steckverbinder sind vielfältig. Sie eignen sich beispielsweise für kollaborierende Mensch-Roboter Lösungen, sogenannte „Cobots“, die gemeinsam mit dem Menschen in der Fertigung oder im Lager agieren. Schon in der Entwicklung wurden die technischen Eigenschaften der Steckverbinder anhand von virtuellen Modellen simuliert. Die beiden Serien M12K für Energieübertragung bis 630V/12A und M12L bis zu 60V/16A wurden virtuell auf Herz und Nieren geprüft, noch bevor das erste 3D-Druck Modell erstellt wurde.
5. EMV-Verträglichkeit:
In der Smart Factory werden Maschinen und Anlagen zunehmend vernetzt. Dadurch gewinnt auch das Thema elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) immer mehr an Bedeutung. Vor allem in Industrieanlagen, in denen Frequenzumrichter-gesteuerte Motoren eingesetzt werden, kann es vermehrt zu unerwünschten Strömen auf den Potentialausgleichsleitungen (PA) oder Schutzerdleitungen (PE) kommen. Diese ungewollten Ströme können benachbarte Datenleitungen und deren Datenqualität bei der Übertragung beeinträchtigen, Fehlerschutzschalter falsch auslösen, oder sogar zu erhöhten Verrostungseffekten in Gebäudestrukturen führen. Ein neues, innovatives Kabeldesign vom Lapp vermindert zuverlässig Ableitströme und liefert einen entscheidenden Beitrag zu verbesserter EMV in Maschinen und Anlagen. Die Motorleitung Ölflex FD Servo zeroCM wurde durch ein spezielles Verseilverfahren ableitstromoptimiert und leistet einen wichtigen Beitrag EMV Optimierung von frequenzgesteuerten Antriebssystemen.
6. Nachhaltigkeit:
Auch bei Kabeln wünschen sich Anwender zunehmend umweltschonende und energieeffiziente Verbindungslösungen. Mit der Etherline FD P Cat. 5e hat Lapp bereits eine Leitung mit einem Mantel aus einem teilweise biobasierten TPU-Mantelmaterial im Sortiment. Nun folgt mit der Ölflex Classic FD 810 der Prototyp einer Leitung mit nachhaltigem PVC-Mantel. Lapp untersucht auch erste Ansätze zum Einsatz von Recyclingmaterial, sowohl im Produktionskreislauf als auch der Einsatz von „Kabelschrott“. Neben den produktbezogenen Nachhaltigkeitsansätzen ist die Transparenz und die Dokumentation des Product Carbon Footprint wichtig, ebenso die Bilanzierung des Scope 1 und 2.
Hubertus Breier ist Vorstand Technik und Innovation bei Lapp