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Werkstoffforschung 27.03.2025, 10:00 Uhr

Metamaterialien mit spiralförmiger Torsion speichern enorme Mengen Energie

Ein internationales Team am Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entwickelt Metamaterialien mit spiralförmig verdrehten Stäben zur elastischen Energiespeicherung. Die Materialien vereinen hohe Steifigkeit mit rückstellbarer Verformung und ermöglichen bis zu 160-fach höhere Enthalpie. Einsatzbereiche sind Federn, Dämpfungselemente, Robotik und energieeffiziente Maschinen mit elastischen Gelenken. Die Forschung stärkt Werkstoffinnovation, Energieeffizienz und industrielle Anwendungen in Hochtechnologiebranchen.

Das Modell zeigt die spiralförmige Verformung des Metamaterials. Dank dieses Mechanismus lässt sich eine große Menge Energie speichern, ohne dass es zu Brüchen kommt. Abbildungen: IAM, KIT / Collage: Anja Sefrin, KIT

Das Modell zeigt die spiralförmige Verformung des Metamaterials. Dank dieses Mechanismus lässt sich eine große Menge Energie speichern, ohne dass es zu Brüchen kommt. Abbildungen: IAM, KIT / Collage: Anja Sefrin, KIT

Ein internationales Team unter Leitung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hat neuartige mechanische Metamaterialien mit hoher elastischer Energiedichte entwickelt. Der zentrale Innovationsansatz beruht auf stark verdrehten, spiralförmig verformten Stäben, die eine außergewöhnlich hohe Steifigkeit aufweisen und in der Lage sind, große Mengen elastischer Energie aufzunehmen und wieder abzugeben. Die zunächst auf theoretischen Simulationen basierenden Ergebnisse wurden durch einfache Druckexperimente experimentell bestätigt.

Mechanische Energiespeicherung als Schlüsseltechnologie in Robotik und Maschinenbau

Ob in Federn, als Puffersysteme zur Energiespeicherung oder in flexiblen Strukturen für die Robotik und energieeffiziente Maschinen: In zahlreichen Anwendungsfeldern ist mechanische Energiespeicherung unverzichtbar. Dabei wird kinetische Energie – also Bewegungsenergie – oder entsprechende mechanische Arbeit in elastische Energie umgewandelt, die bei Bedarf wieder vollständig freigesetzt werden kann.

Eine zentrale physikalische Größe für die Bewertung solcher Speichersysteme ist die Enthalpie – also die Energiedichte, die in einem Materialelement gespeichert und zurückgewonnen werden kann. Peter Gumbsch, Professor für Werkstoffmechanik am Institut für Angewandte Materialien (IAM) des KIT, verwies auf die technische Herausforderung, dabei widersprüchliche Materialeigenschaften zu kombinieren. So erklärte er, dass die Schwierigkeit darin bestehe, eine hohe Steifigkeit mit einer großen rückstellbaren Verformung zu vereinen – und das bei einer gleichzeitig limitierten Festigkeit des Materials.

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Gezielte Materialarchitektur: Spiralförmig verformte Stäbe als Energiespeicher

Die neu entwickelten Strukturen basieren auf sogenannten Metamaterialien – künstlich entworfene Materialien, die in der Natur nicht vorkommen und deren effektive Materialeigenschaften gezielt angepasst werden können. Sie bestehen aus definierten Einheiten, die sich in präziser Anordnung zu leistungsfähigen Werkstoffsystemen verbinden lassen.

Gumbsch, der zugleich das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg leitet, erläuterte, dass es dem internationalen Forschungsteam – bestehend aus Partnern aus China und den USA – gelungen sei, mechanische Metamaterialien mit besonders hoher rückgewinnbarer elastischer Energiedichte zu entwickeln. Er führte aus, dass zunächst ein Mechanismus entdeckt worden sei, mit dem sich in einem einfachen Rundstab eine große Menge Energie speichern lasse, ohne dass dieser breche oder sich dauerhaft verforme. Diesen Mechanismus habe man anschließend durch geschickte Anordnung der Stäbe in ein leistungsfähiges Metamaterial integriert.

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Torsion statt Biegung: Neue Belastungsform erschließt inneres Volumen

Das zugrunde liegende Prinzip beruht auf dem Vergleich mit klassischen Biegefedern. Diese seien in ihrer maximalen Verformung begrenzt, da an Ober- und Unterseite hohe Zug- bzw. Druckspannungen auftreten, die zum Materialversagen führen können. Das innere Volumen solcher Federn sei dabei nur minimal beansprucht.

Im Unterschied dazu ermögliche die Torsion – also das Verdrehen eines Stabes – eine gleichmäßige Belastung der Oberfläche bei gleichzeitig geringem unbeanspruchtem Innenvolumen. Damit dieser Mechanismus technisch wirksam werde, müsse die Torsion jedoch so stark ausgeprägt sein, dass eine komplexe spiralförmige Verformung resultiere.

Deutlich höhere Enthalpie als bei bisherigen Metamaterialien

Das Forschungsteam konnte spiralförmig verdrehte Stäbe erfolgreich in ein Metamaterial integrieren, das sich auch auf makroskopischer Ebene unter einachsiger Belastung effizient einsetzen lässt. Simulationen zeigten, dass das Material eine sehr hohe Steifigkeit aufweist und entsprechend große Kräfte aufnehmen kann.

Zudem ergaben die Berechnungen, dass die Enthalpie – also die speicherbare Energiedichte – zwei- bis 160-mal höher sei als bei bisher bekannten Metamaterialien. Diese Vorhersagen wurden durch Druckexperimente an chiralen Metamaterialien, also solchen mit spiegelbildlich aufgebauten Strukturen, erfolgreich bestätigt.

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Vielfältige Einsatzpotenziale für energieeffiziente Systeme

Gumbsch äußerte, dass die neuartigen Metamaterialien mit hoher elastischer Energiespeicherkapazität künftig in vielen Anwendungsfeldern zum Einsatz kommen könnten – überall dort, wo effiziente Energiespeicherung und gleichzeitig besondere mechanische Eigenschaften gefragt seien.

Neben klassischen Anwendungen wie der Energiespeicherung in Federn seien auch Einsatzfelder in der Stoßdämpfung, der elastischen Gelenktechnik oder in energieeffizienten Maschinen denkbar. Auch in der Robotik könnten die in den Metamaterialien erzeugten elastischen Drehbewegungen genutzt werden, beispielsweise zur Realisierung rein elastischer, verschleißfreier Gelenksysteme.

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KIT: Wissenschaftliche Exzellenz für Gesellschaft und Industrie

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ verfolgt das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) das Ziel, durch interdisziplinäre Forschung und Lehre maßgebliche Beiträge zu den globalen Herausforderungen in den Bereichen Energie, Mobilität und Information zu leisten. Rund 10 000 Mitarbeitende arbeiten dabei disziplinübergreifend in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts-, Geistes- und Sozialwissenschaften.

Die 22 800 Studierenden des KIT erhalten eine forschungsorientierte Ausbildung, die sie gezielt auf verantwortungsvolle Rollen in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft vorbereitet. Die intensive Innovationstätigkeit des KIT schlägt die Brücke zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und praktischer Anwendung. Sie trägt zum gesellschaftlichen Nutzen, zur wirtschaftlichen Wertschöpfung sowie zum Erhalt natürlicher Ressourcen bei. Das KIT gehört zu den renommierten deutschen Exzellenzuniversitäten und ist ein führender Akteur in der Verbindung von Grundlagenforschung, Technologietransfer und industrieller Umsetzung.

Von Text: KIT / RMW