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Mesoporöses Silizium 27.02.2025, 12:00 Uhr

Nanostrukturierung verändert Materialeigenschaften grundlegend

Mesoporöses Silizium eröffnet neue Möglichkeiten in der Halbleitertechnologie. Ein Forschungsteam am Helmholtz-Zentrum Berlin HZB hat die Materialeigenschaften gezielt modifiziert und erstmals den Ladungstransport entschlüsselt. Besonders vielversprechend ist der Einsatz zur thermischen Isolation von Qubits in Quantencomputern. Die Forschungsergebnisse könnten zu Neuentwicklungen in der Nanoelektronik und Photovoltaik führen.

In mesoporösem Silizium wird der Ladungstransport von Elektronen in ausgedehnten wellenartigen Zuständen (blau) dominiert. Foto: Martin Künsting / HZB

In mesoporösem Silizium wird der Ladungstransport von Elektronen in ausgedehnten wellenartigen Zuständen (blau) dominiert.

Foto: Martin Künsting / HZB

Silizium ist das am weitesten verbreitete Halbleitermaterial und bildet die Grundlage moderner Mikroelektronik. Durch gezielte Nanostrukturierung lassen sich seine physikalischen Eigenschaften jedoch erheblich modifizieren. Ein Forschungsteam am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) hat mit einer eigens entwickelten Ätzapparatur mesoporöse Siliziumschichten erzeugt, die durch ihre extrem feine Porenstruktur eine außergewöhnliche elektrische Leitfähigkeit und thermische Isolation aufweisen. In einer aktuellen Untersuchung konnten die Wissenschaftler erstmals den Ladungstransport in diesem Material entschlüsseln und neue Einsatzmöglichkeiten aufzeigen, darunter die potenzielle Nutzung zur thermischen Isolierung von Qubits in Quantencomputern.

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Ein vielseitiges Material mit einzigartigen Eigenschaften

Mesoporöses Silizium unterscheidet sich von herkömmlichem, kristallinem Silizium durch seine nanometergroßen, ungeordneten Poren, die dem Material eine enorme innere Oberfläche verleihen. Neben seiner hohen Biokompatibilität eignet es sich für eine Vielzahl von Anwendungen, die von Biosensoren über Batterieanoden bis hin zu Superkondensatoren reichen. Besonders bemerkenswert ist seine geringe Wärmeleitfähigkeit, die es für thermische Isolationsanwendungen attraktiv macht. Dennoch war bislang unklar, wie sich die nanoporöse Struktur auf den Ladungstransport auswirkt und ob Gitterschwingungen, sogenannte Phononen, daran beteiligt sind.

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Neue Erkenntnisse zum Ladungstransport

Obwohl mesoporöses Silizium bereits seit Jahrzehnten bekannt ist, blieb das grundlegende Verständnis seiner Transporteigenschaften bisher unvollständig. Ein entscheidender Durchbruch gelang nun dem Team um Privatdozent Dr. Klaus Habicht, der am HZB die Abteilung Dynamik und Transport in Quantenmaterialien leitet. In einem aufwendigen Experiment stellten die Forscher mit einer speziell entwickelten Ätztechnik eine Serie von Silizium-Nanostrukturen her und analysierten anschließend ihre temperaturabhängige elektrische Leitfähigkeit und Thermokraft.

Die Untersuchungen zeigten, dass der Ladungstransport nicht, wie bisher angenommen, durch lokalisierte Elektronen bestimmt wird, die von einem isolierten Zustand in den nächsten „springen“. Vielmehr erfolgte der Transport über ausgedehnte, wellenartige Elektronenzustände. Diese Erkenntnis widerlegt bisherige Hypothesen und zeigt, dass mit zunehmender Unordnung die elektrische Leitfähigkeit sinkt, während gleichzeitig die Aktivierungsenergie für den Transport steigt. Bemerkenswert ist zudem, dass Gitterschwingungen, die in vielen anderen Halbleitern eine zentrale Rolle spielen, hier keinen Einfluss auf den Transportmechanismus haben.

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Potenzial für Qubits und neuartige Halbleiteranwendungen

Diese Erkenntnisse sind nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern auch für technologische Anwendungen hochrelevant. Besonders vielversprechend erscheint der Einsatz von mesoporösem Silizium zur thermischen Isolation von Qubits in Silizium-basierten Quantencomputern. Da diese empfindlichen Bauteile bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt arbeiten, ist eine möglichst effektive Abschirmung gegenüber externer Wärme essenziell. Dr. Habicht beschreibt das Material bildhaft als eine Art Dämmschaum für Quantencomputer, der verhindert, dass Wärme in die Qubits eindringt und gespeicherte Informationen zerstört.

Darüber hinaus eröffnet die gezielte Nanostrukturierung neue Perspektiven für den Einsatz in klassischen Halbleitertechnologien. Da konventionelles kristallines Silizium eine relativ hohe Wärmeleitfähigkeit aufweist, war es bisher für viele Anwendungen ungeeignet, bei denen ein gezieltes Wärmemanagement erforderlich ist. Mit der Fähigkeit, die Unordnung in der nanoporösen Struktur gezielt zu steuern, könnten Ingenieure künftig Halbleiter mit maßgeschneiderten thermischen und elektrischen Eigenschaften entwickeln. Dies könnte zu Innovationen in der Photovoltaik, der Nanoelektronik und anderen High-Tech-Bereichen führen.

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Ein neues Kapitel für Silizium-basierte Technologien

Die Forschung am HZB zeigt, dass mesoporöses Silizium weit mehr als nur eine wissenschaftliche Kuriosität ist. Seine einzigartigen Eigenschaften eröffnen vielseitige Anwendungsmöglichkeiten, die von der Quanteninformatik über die Energietechnik bis hin zur Medizintechnologie reichen. Die detaillierte Analyse des Ladungstransports liefert wertvolle Erkenntnisse, die es ermöglichen, die Materialeigenschaften gezielt zu steuern und für unterschiedliche Einsatzgebiete zu optimieren. Damit könnte mesoporöses Silizium ein entscheidender Baustein für die nächste Generation fortschrittlicher Halbleitertechnologien werden.

Von Text: Helmholtz-Zentrum Berlin HZB / RMW